Dr. M. Löffler
Schauen wir uns, um die Relevanz der Zusammenarbeit zwischen Rechenzentrum und Bibliothek zu veranschaulichen, 20 Jahre Benutzungsentwicklung zunächst am konkreten Beispiel der Arbeitsgänge beim Aufgeben einer Fernleihe an:
1985:
Die Suche im Microfiche-Katalog mit dem Bestand vor Ort war erfolglos, aber man ist sich sicher, den Titel muss es
geben! Also ein Griff zum roten Fernleihschein (3-lagig), Gang zur nächsten Schreibmaschine, in die Schreibmaschine eingedreht -
ja, die Einstellung für das Formular sollte schon stimmen. Nach dem dritten Tippfehler kommt die Frage, ob man den Schein noch mal
ausfüllen soll - oder erst beim vierten Fehler? Am Schluss noch eine Unterschrift drunter gesetzt, und den Schein in der
Zentralbibliothek (!) abgegeben. Bei mehreren Bestellungen kann man dann auch schon mal den Überblick verlieren - hat
man das schon bestellt oder nicht? ...
2005:
Start des OPACs, Anmeldung, Recherche im lokalen Katalog - bei Null-Treffern folgt man der Aufforderung `Weitersuchen
(Fernleihe)'. Ist der Titel im damit angesteuerten Bayerischen Verbundkatalog enthalten, erfolgt die Bestellung per
Mausklick und wird im eigenen Benutzerkonto verzeichnet.
Abgesehen davon, dass eine Reihe von Universitätsbibliotheken noch heute mit dem klassischen roten Fernleihschein arbeiten, ist die Fernleihe nur ein Eckstein der Benutzungsentwicklung der Universitätsbibliothek. Wichtige Schritte in Eichstätt-Ingolstadt waren etwa:
Der OPAC löst 1994 den Microfiche-Katalog ab - der Katalog ist damit aktueller, die Recherche deutlich einfacher. Das über Tastatur bedienbare, einfache Grundmodell wurde 2003 durch den mausfähigen webOPAC ersetzt, der in der Struktur aber noch dem alten Modell glich. Seit Mitte August 2005 bietet die Universitätsbibliothek nun als eine der ersten in Bayern den neuen OPAC an - neu programmiert, technisch entwicklungsfähig und im Service deutlich erweitert. Übrigens sind wir gespannt, ob 2005 die Millionengrenze bei der Zahl der Suchanfragen überschritten wird.
Die Fernleihe ist schon erwähnt worden: Zunächst gab's ab 1997 den `Roten Leihschein' direkt am PC (Eigenentwicklung), 2004 folgte die Online Fernleihe über das Gateway Bayern und seit dem Umstieg auf den neuen OPAC sind lokaler Katalog und Fernleihe über eine Oberfläche möglich. Die Fernleihzahlen haben sich seit der Vereinfachung des Handlings übrigens mehr als verdoppelt, z.B. waren 2004 fast 67.100 Bestellwünsche zu bearbeiten.
Die Ausleihe erfolgt seit 1996 nicht mehr über die per Hand ausgefüllten Zettel (Signatur, Titelangaben, Entleiher, Unterschrift - für jeden Titel!), sondern per vollautomatisierter Ausleihe per Barcodescan; das Benutzerkonto ist online komplett einsehbar und verwaltbar, keine eigene Kontoführung pro Teilbibliothek. Allerdings folgen nun die Mahnungen garantiert schnell, weil automatisch.
Kennen Sie das noch, bibliographieren an der Druckausgabe? Dann wissen Sie die Angebote bibliographischer Informationen in elektronischer Form (CD-ROM bzw. Online) sicher zu schätzen. 1994 standen erste Einzelplätze zur Verfügung, seit 1996 garantiert ein CD-ROM-Server, dass die über 300 Anwendungen auf dem gesamten Campus aufgerufen werden können. 2003 ist es dann auch gelungen, den Zugriff von außerhalb des Campus zu ermöglichen, zumindest im Rahmen dessen, was die Lizenzbedingungen zulassen. Seit Ende der 90er Jahre werden zunehmend auch Online-Volltexte (z.B. Business Source Premier, beck-online, elektronische Zeitschriften) angeboten,
Die Liste ließe sich ergänzen, aber es wird wohl deutlich, dass sich allein schon aus der Perspektive der Bibliotheksbenutzung die Bibliothek verändert hat. Das Rechenzentrum hat die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen: Das beginnt bei der gesamten Netzinfrastruktur, der Betreuung wichtiger Bibliotheksserver, der Begleitung und Realisierung technischer Planungen (z.B. HBFG-Anträge) und endet bei der Einkaufspolitik bzw. der Beschaffung selbst.
Strukturell prägend für Zusammenarbeit zwischen Universitätsrechenzentrum und Universitätsbibliothek war das Projekt `Sokrates' des Bibliotheksverbunds Bayern ab 1992. Ziel war es, über ein Lokalsystem (SISIS von Siemens-Nixdorf, heute SISIS-OCLC/Pica) aus dem gesamtbayerischen Katalog einen lokalen Katalog zu generieren, der dann als OPAC den Nutzern zur Verfügung steht. Teil dieses Lokalsystems sind inzwischen auch die Benutzerverwaltung und seit 1999 die Etatverwaltung. Die Einführung des Lokalsystems bedeutete einerseits den Aufbau einer EDV-Infrastruktur für Nutzer und Bibliotheksmitarbeiter (heute z.B. 68 PCs/Terminals im öffentlichen Bereich und 100 Mitarbeiter-Arbeitsplätze) und andererseits die Inbetriebnahme eines Bibliotheksservers. Die Betreuung des Servers (zunächst Siemens RM600, seit 2003 Sun V880) liegt beim Rechenzentrum, und zwar einschießlich des Betriebssystems (Reliant Unix, heute Sun Solaris). Rechenzentrum und Bibliothek haben gemeinsam die Datenbank-Ebene im Blick (Informix, heute Sybase), während die Verwaltung des Lokalsystems bei der Universitätsbibliothek liegt. Nebenbei, auf der Basis eines Kooperationsabkommens bedient der Bibliotheksserver seit 1999 auch die Bibliothek der Fachhochschule Ingolstadt. Die Verantwortung für die Mitarbeiter ist hoch, denn ohne einen funktionierenden Bibliotheksrechner geht nichts, weder der OPAC noch die Ausleihe.
Die Bereitstellung des Zugriffs auf das CD-ROM- und Online-Angebot ist weitere Gemeinschaftsaufgabe von Rechenzentrum und Bibliothek. Auch hier betreut das Rechenzentrum die technische Infrastruktur, u.a. die CD-ROM-Server, Juke-Box und Zugriffsverwaltung. Wer privat schon mal versucht hat, eine Anwendung zum Laufen zu bringen, der ahnt, dass die Aufgabe nicht trivial ist und wer gleichzeitig häufiger recherchiert, der weiß, wie sehr Ausfälle die eigene Arbeitsplanung beeinträchtigen. Charakteristisch für die Zusammenarbeit der Mitarbeiter von Rechenzentrum und Bibliothek ist das Bemühen, das Angebot transparent (Eigenentwicklung: ELib, aktive Informationspolitik), bestmöglich zugänglich (seit 2003 Einsatz der Software HAN) und für den Nutzer problemlos (Prioritäten) anzubieten.
Dass diese Systeme weitgehend ohne große Ausfälle angeboten werden, das ist sicher eine Frage von Kompetenz, aber auch von Engagement. Seit 1991 steht im Rechenzentrum ein Mitarbeiter (Herr Kahoun), seit 1995 verstärkt durch einen weiteren Mitarbeiter (1995-1997: Herr Reinhard, 1998-2000: Herr Ihrler, seit 01.07.2000: Herr König), für die Betreuung der Bibliotheksdienstleistungen zur Verfügung, im EDV-Referat der Universitätsbibliothek sind es drei Mitarbeiter (gesamtes Spektrum der EDV-Dienstleistungen) sowie ein Mitarbeiter aus dem Bereich `Erwerbung/Neue Medien'. Vorteilhaft ist die weitgehende personelle Kontinuität der letzten Jahre, die die Entwicklung eines breiten Erfahrungsniveaus möglich gemacht hat. Wichtig ist zudem die gemeinsame Kommunikation (i.d.R. wöchentliche Besprechung), wobei der Mitarbeiter des Rechenzentrums das Bindeglied zwischen beiden Einrichtungen ist. Er bekommt Rückmeldung - leider vor allem über den Ärger, wenn etwas nicht optimal gelaufen ist, informiert über neuere Entwicklungen im Rechenzentrum und sorgt für Zeitabstimmungen, etwa bei Wartungsarbeiten. Meist laufen z.B. diese Arbeiten im Hintergrund ab, vor oder nach Arbeitsbeginn also. Und dass das klappt, setzt tatsächlich Engagement und ein Mitdenken voraus - das da ist. Darüber hinaus gibt es etwa vierteljährlich Besprechungen auf der Ebene der Einrichtungsleiter.
Universitätsrechenzentrum und Universitätsbibliothek arbeiten zusammen - in Absprache, aber mit Freiräumen für EDV-Entwicklungen in der Universitätsbibliothek. So war es eine Entscheidung der Bibliothek zur Rationalisierung Terminals im Benutzungsbereich einzusetzen, statt PCs - mit zusätzlichem Betreuungsaufwand für Applikationsserver im Rechenzentrum. Das Rechenzentrum ist auf den Vorschlag eingegangen. Oder als weiteres Beispiel, die Universitätsbibliothek ist als erstes auf das Betriebssystem Windows XP umgestiegen, nachdem alle Entwicklungen seit Windows NT übersprungen worden sind und wir technisch unter Zugzwang gerieten. Selbstverständlich war das nicht, denn auch im Rechenzentrum hatte man zu dieser Zeit noch keine fundierte Erfahrung mit Windows XP. Anders formuliert, es ist eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.
Der Konnex zwischen Rechenzentrum und Bibliothek besteht aber nicht nur auf der Ebene der praktischen Zusammenarbeit, sondern gerade auch im planerischen Bereich. Software-Entscheidungen etwa, z.B. für den Verbund oder für das Lokalsystem, fallen nicht lokal, sondern beruhen auf gemeinschaftlicher Planung für den gesamten Bibliotheksverbund Bayern. Das hat finanzielle Gründe, aber auch organisatorische: Gleiche Angebote bieten die Chance für Kompetenznetzwerke, also Dienstleistungen für alle. Zentrales Steuerungsorgan der EDV-Entwicklung im Bibliotheksverbund ist die `Kommission für EDV-Planung' (KEP), der neben dem Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek und vier Bibliotheksdirektoren seit 1996 auch drei Leiter von Universitätsrechenzentren angehören. Dr. Slaby hat als einer der Vertreter der Rechenzentren die Entwicklung in der Bibliotheks-EDV seit 1996 maßgeblich mitgeprägt. Eine große Aufgabe war sicher die Entscheidung über ein neues Verbundsystem (Aleph), das 2004 eingeführt wurde. Eine Kernfrage dabei war, welche bibliographischen Daten zentral gespeichert werden und welche nur lokal bzw. wie die Schnittstelle zwischen Bayerischem Verbundkatalog und Lokalkatalog dann aussehen muss. Was technisch klingt, prägt die Tätigkeit der Mitarbeiter über Jahre hinweg. Aktuelle Themen sind z.B. die Entwicklungen um den breit definierten Bereich `Virtuelle Bibliothek' (Portallösungen für Bibliotheksdienstleistungen, Virtuelle Auskunft, Digitalisierung, elektronische Fernleihe, etc.), aber auch Fragen der Rationalisierung, etwa ob EDV-Dienstleistungen lokal oder zentral angeboten werden sollen. Stellt man die Frage, wohin die Bibliotheks-EDV sich denn in den kommenden Jahren entwickeln wird, so ist Dr. Slaby sicherlich ein kompetenter Ansprechpartner. Für Universitätsbibliothek und ihre Leitung - begründet durch Herrn Dr. Holzbauer, heute fortgeführt von Frau Dr. Reich - ist es ein Gewinn, um einen interessierten Ansprechpartner im Universitätsrechenzentrum zu wissen.