Mal schnell eine Fernleihe aufgegeben? Oder etwa nicht?
Anmerkungen zum aktuellen Gesetzentwurf des Urheberrechts

Dr. M. Löffler


Die Hochschullandschaft ist derzeit reich an Diskussionen, seien es Studiengebühren, sei es der Bologna-Prozess, sei es die Umsetzung des neuen Bayerischen Hochschulgesetzes - ein Thema hingegen scheint dabei nur von Insidern wahrgenommen zu werden, nämlich die zweite Urheberrechtsanpassung. Die allerdings berührt die Informationsversorgung an den Hochschulen sehr deutlich, so dass eine Reihe von Wissenschaftsgesellschaften (z.B. Max-Planck-Gesellschaft), Fachverbände und Hochschulen bzw. Universitätsbibliotheken in öffentlichen Aktionen bereits dagegen protestiert haben1.

Worum geht es? Die Bundesregierung steht in der Pflicht, die EU-Richtlinie zur Harmonisierung einiger Bereiche des Urheberrechts aus dem Jahr 20012 in deutsches Recht zu überführen. Erste Tatbestände wurden im Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft 2003 geregelt. Gegenstand der Kritik ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung für einen sogenannten zweiten Korb vom 15. Juni 2006, der bereits auf die Kritik des Bundesrates antwortet. Die erste Lesung fand in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 20063 statt und machte deutlich, dass entgegen der Mahnung des Bundesjustizministeriums Änderungen im Rahmen der Diskussionen im Rechtsausschuss noch denkbar sind. Dennoch bestehen seitens der Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen Zweifel, ob die Problematiken des gegenwärtigen Gesetzentwurfs von Politikern tatsächlich bereits wahrgenommen worden sind.

Dem Titel des Gesetzes nach geht es um den Schutz geistigen Eigentums, real wird über Formen und Rechte der Verwertung diskutiert, insbesondere vor dem Hintergrund elektronischer Möglichkeiten. Dabei stehen sich die Interessen der Verlage4 und diejenigen der Nutzer von Informationseinrichtungen gegenüber5. Welche Folgen ergeben sich aus dem Gesetzentwurf für die Bibliotheken bzw. für die Informationsversorgung des Wissenschaftsbereichs? - Hier zwei Beispiele:

Ingesamt ist der Gesetzgeber bemüht, die rechtlichen Grauzonen im Umgang mit Informationen auf Basis der neuen technischen Möglichkeiten zu regeln. Der Lösungsansatz allerdings ist unintelligent, denn er symbolisiert keine Lösung zwischen den Interessen von Verlagen und dem Wissenschaftsbereich, ja man ist überrascht, wie ungenau das Kommunikationsverhalten des Wissenschaftsbereichs wahrgenommen wird. Die strukturellen Probleme des Informationsversorgungsbereichs - steigende Kosten bei gleichzeitig wachsendem Medien- und Informationsangebot8, sinkenden Etats, aber vermehrtem und differenzierterem Bedarf - werden nicht gelöst, sondern ganz im Gegenteil verschärft. Die Botschaft lautet `Kaufen', Alternativen soll es nur zu nach dem heutigen Entwicklungsstand unakzeptablen Bedingungen geben. Aber das ist für Forschung und Bildung in der Wissenschafts- und Informationsgesellschaft unrealistisch9.


1 Etwa die inzwischen mehr als 5.000 Unterzeichner der Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft vom 05. Juli 2004 : http://www.urheberrechtsbuendnis.de/index.html.de <07.11.2006>.

2 Richtlinie 2001/29/EG

3 http://dip.bundestag.de/btd/16/018/1601828.pdf <07.11.2006>

4 Vgl. dazu die Veröffentlichungen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels:
http://www.was-verlage-leisten.de/content/category/6/22/44/
http://www.was-verlage-leisten.de/images/stories/faqs%20gesamtversion%20061030.pdf <07.11.2006>

5 Vgl. Anm. 1.

6 http://www.was-verlage-leisten.de/content/category/6/22/44/

7 Vgl. den Hinweis zum EBook-Angebot des Springer-Verlags: What is Springer's policy regarding Inter-Library Loan (ILL)? Authorized users are allowed to output print copies of articles for postal or faxed fulfillment of ILL requests for academic, research, or other non-commercial libraries. Digital transmission of articles is not permitted.  In: http://springerlink.com/help/default.mpx <07.11.2006>.

8 Zusammenfassend dargestellt in einem fiktiven Briefwechsel in: Franken, Klaus: Die Zeitschriftenkrise. In: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2004/1155/ <07.11.2006> 2004

9 Weitere Informationen u.a. in: Flechsig, Norbert: Der Zweite Korb zur Verbesserung der Urheber- und Leistungsschutzrechte. In: ZRP 2006, H.5, S.145-149 (vgl. auch Beck-Online) Hilty, Reto: Das Urheberrecht und der Wissenschaftler. In: GRURInt 2006, H.3, S.179-190 (vgl. auch Beck-Online).