VI. Dokumente In seiner Publikation in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte veröffentlichte der kanadische Historiker Peter Hoffmann eine Reihe von Dokumenten, die sowohl in der Vorbemerkung der Redaktion der Vierteljahrshefte als auch in einigen Presseberichten als „sensationeller Fund aus dem Archiv des FSB“ dargestellt werden.[1] Die Tatsache, daß ein großer Teil dieser Dokumente bereits vor Jahren veröffentlicht worden ist, bleibt dabei unberücksichtigt.[2] Die Rede ist von Dokumenten eines Teilnehmers der Verschwörung gegen Hitler, Major i.G. Joachim Kuhn (19131994), und der militärischen Dokumentation, die die Teilnehmer der Verschwörung 1943 vorbereiteten.[3] In der Einleitung zu Hoffmanns Publikation wird zu Recht vermerkt: „...der Inhalt dieser Schlüsseldokumentation ist genauso spannend und abenteuerlich wie ihre Geschichte.“[4] In der Tat sind diese Materialien eine einzigartige Quelle sowohl der deutschen als auch der russischen neuesten Geschichte: Kuhn wurde im „Dritten Reich“ wie auch in der UdSSR verurteilt von Hitler als „Attentäter und Überläufer“, von Stalin als „Kriegsverbrecher“. Wie waren nun die wirklichen Umstände der Entdeckung dieser Schlüsseldokumentation und ihrer Übergabe zur wissenschaftlichen Nutzung? Nach dem Rehabilitierungsantrag von Günther Wagenlehner, Vorsitzender des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermißtenangehörigen Deutschlands, rehabilitierte die Militäroberstaatsanwaltschaft am 23. Dezember 1998 den 1951 vom Kriegsgericht des Moskauer Militärbezirks verurteilten Joachim Kuhn „mangels des Tatbestandes eines Verbrechens in seinen Handlungen“.[5] Gesagt sei, daß ein Jahr vor der juristischen Rehabilitierung Kuhns, am 30. November 1997, als die Kuhn-Akte noch immer eine Verschlußsache war, der russische Präsident Boris El’cin in Zavidovo, seiner Residenz bei Moskau, dem damaligen Bundeskanzler der BRD Dr. Helmut Kohl die Kopien der Dokumente aus diesem Dossier übergab, worüber Peter Hoffmann bereits 1998 schrieb.[6] Somit gelangten Kuhns Materialien sogar früher in die Bundesrepublik, als sie in Rußland zugänglich wurden, aber wo sich die Kohl übergebenen Dokumente heute in Deutschland befinden, verrät Peter Hoffmann nicht: Seine Publikation enthält keine Verweise auf „El’cins Geschenk“ und das deutsche Archiv, das diese Kopien bewahrt. Übersehen hat Hoffmann auch die Dokumente von „Smerš“ aus der Sammlung des Zentralarchivs des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) Rußlands, die mit der Entdeckung der weiter unten publizierten Materialien der Anti-Hitler-Verschwörung von 1943 verbunden sind. Dokument Nr. 1. „Verzeichnis der im Hauptquartier des Oberkommandos des deutschen Heeres gefundenen Dokumente“, aufgestellt am 28. Fe-bruar 1945 von Hauptmann Daniil Kopeljanskij, operativer Bevollmächtigter der 2. Abteilung der Hauptverwaltung der Spionageabwehr (GUKR) „Smerš“. Dokument Nr. 2. „Schreiben über Kuhn“ vom GUKR-Chef Generaloberst Viktor Abakumov (ohne Datum; vermutliche Datierung: Ende Februar Anfang März 1945). In diesem Schreiben schlug Abakumov vor, die mit Kuhns Hilfe gefundenen Dokumente der Verschwörung gegen Hitler von 1943 zu veröffentlichen, doch blieben sie bis Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts unter Verschluß.
[1] Hoffman, Peter: Oberst i.G. Henning von Tresckow und die Staatsstreichpläne im Jahr 1943, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), Heft 2, S.331364; vgl. dazu auch Jostmann, Christian: Aufstand des Gewissens. Ein spektakulärer Archiv-Fund: Von Tresckows Umsturzplan, in: Süddeutsche Zeitung 16.4.2007; Kellerhof, Sven Felix: Stauffenbergs Blaupause, in: Die Welt 18.4.2007. [2] Vgl. dazu Dokumente zur Geschichte des militärischen Widerstandes im Dritten Reich aus dem Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes Rußlands. Vorbereitet und kommentiert von Boris Chavkin und Aleksandr Kalganov, in: Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte 5 (20001), Heft 1, S.355358; Tajnye stranicy istorii. Moskau 2000, S.308316. [3] Zentrales Archiv des FSB der Russischen Föderation. „Anklageakte gegen Kuhn, Joachim“ (P-46988), Personalakte des Kriegsgefangenen Joachim Kuhn (03-1877898), Sammlung der Dokumente der sowjetischen Spionageabwehr „Smerš“. [4] Hoffmann, S. 331. [5] Verfügung Nr. H-240 des Kriegsgerichts des Moskauer Militärbezirks vom 23.12.1998. [6] Hoffmann, Peter: Tresckow und Stauffenberg. Ein Zeugnis aus dem Archiv des russischen Geheimdienstes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.7.1998.
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