Dokumente Die "Kunst des Aufstandes" und innerparteiliche Intrigen im Oktober 1923 Vorbereitet und kommentiert von Aleksandr Vatlin und Leonid Luks Karl Radek bezieht sich in seinem Brief vom 1.10.1923 (Dokument 1) auf die Thesen, die Lev Trockij in seinem Artikel äußerte, der am 26.9.1923 in der Komintern-Zeitschrift "Inprekorr" erschien. Der Artikel hieß "Kann man eine Konterrevolution oder eine Revolution auf einen bestimmten Zeitpunkt ansetzen?" Hier entwickelt Trockij seine Konzeption von der Technik eines erfolgreichen Staatsstreiches. Revolutionäre und proletarische Staatsstreiche verlangten eine noch genauere Planung als Staatsstreiche der Gegenrevolution, so Trockij. Die Arbeiterklasse, die weder über den Staatsapparat noch über Kapital verfüge, müsse diese Mängel durch entschlossenes Handeln und präzise Planung wettmachen. Die Kommunisten dürften nicht die sozialdemokratische These vom spontanen Reifen des revolutionären Prozesses übernehmen. Eine solche abwartende Haltung sei unrevolutionär. Das bewußte Eingreifen in den revolutionären Prozeß sei Pflicht der Kommunisten. Dieses bewußte Eingreifen in den revolutionären Prozeß beinhalte auch die Festsetzung eines genauen Datums für den Umsturz. Stelle man sich ein Land vor, das für eine proletarische Revolution bereits reif sei, fährt Trockij fort, ein Land, in dem die inneren Gegensätze bis zum Äußersten verschärft seien, dann habe in einem solchen Land die kommunistische Partei keine andere Aufgabe, als die Festsetzung eines Termins für den Aufstand, um ihre ganze Kraft auf diesen letzten Schlag zu konzentrieren. Für die Auslösung des Aufstandes brauche die kommunistische Partei keineswegs eine Garantie, daß die Mehrheit der Bevölkerung oder auch nur die Mehrheit der Arbeiter bereits hinter ihr stehe. Durch entschlossenes Handeln hätten die Kommunisten eine Chance, eine Mehrheit des Proletariats entweder im ganzen Lande oder zumindest in den wichtigsten Zentren des Landes zu gewinnen. Dieser Artikel Trockijs läßt sich als eine Anleitung zum Handeln für die deutschen Kommunisten auffassen. Es fällt an dieser Stelle auf, daß diese Worte Trockijs eine verblüffende Ähnlichkeit zu einigen Thesen Lenins aufweisen, die dieser kurz vor der Oktoberrevolution 1917 in zahlreichen Briefen und Artikeln wiederholt vertrat. Lenin polemisierte damals, ähnlich wie Trockij sechs Jahre später, gegen die Gegner des sofortigen Aufstandes, diesmal innerhalb der bolschewistischen Partei. Das Argument seiner Opponenten, die Bolschewiki hätten noch keine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung, nannte Lenin pedantisch. Man dürfe nicht mit der Revolution warten, bis sich genau 51 % der Bevölkerung für sie ausgesprochen hätte. Solche Abstimmungen hätten in einer revolutionären Situation keinen Wert (V.I. Lenin, Polnoe sobranie so...inenij, Moskau 1958 ff., Bd. 34, S. 399). Der Sieg in der Revolution gehöre nicht denjenigen Parteien, die über eine parlamentarische Mehrheit verfügten, sondern denjenigen, die eine größere Entschlossenheit als andere an den Tag legten, und die in den wichtigsten politischen Zentren des Landes über starke Machtpositionen verfügten (Ebenda, S.408f., 413). An einer anderen Stelle sagt Lenin, die Theorie von der Kunst des Aufstandes sei ein Bestandteil des Marxismus und dürfe nicht als "Blanquismus" apostrophiert werden. In einer Situation, in der die revolutionäre Aktivität der Massen einen Höhepunkt erreiche und die Verteidiger der bestehenden Ordnung demoralisiert und unschlüssig seien, bedeute der Verzicht auf den Aufstand einen Verrat am Marxismus (Ebenda, S.242-247). Trockij wiederholte demnach im Jahre 1923 viele Thesen Lenins aus dem Jahre 1917 über die Kunst des Aufstandes, Wenn aber die Thesen Lenins in einer sehr engen Beziehung zur damaligen Situation Rußlands gestanden und einen durchaus realen Kontext gehabt hatten, wurden die Thesen Trockijs im luftleeren Raum entwickelt. Sie hatten auf die Situation Deutschlands im Jahre 1923 wenig Bezug. Von den Bedingungen, die Lenin im Jahre 1917 als Voraussetzungen für einen erfolgreichen Aufstand genannt hatte, traf kaum eine auf das Deutschland des Jahres 1923 zu. Die deutsche Armee und der deutsche Staatsapparat blieben trotz der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise handlungsfähig und beinahe intakt. Man konnte sie auf keinen Fall als demoralisiert und unentschlossen bezeichnen. Die deutschen Kommunisten verfügten auch nicht über nennenswerte Machtpositionen in den politischen Zentren des Landes. Die Bolschewiki hatten unmittelbar vor der Oktoberrevolution die Vorherrschaft in den maßgeblichen Institutionen des Landes - im Petrograder und im Moskauer Sowjet und in der Armee. Die deutschen Kommunisten konnten demgegenüber höchstens mit den kaum ins Gewicht fallenden Machtmitteln der Länder Sachsen und Thüringen rechnen. (Eine Koalition der KPD mit den linken sozialdemokratischen Regierungen dieser Länder stand damals unmittelbar bevor.) Sogar wenn die These einiger bolschewistischer Führer zutreffend gewesen wäre, daß die Hälfte des deutschen Proletariats im Jahre 1923 mit der KPD sympathisierte, (diese These vertrat übrigens auch der Chronist der Weimarer Republik, Arthur Rosenberg - Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1961, S.136) wäre dies für einen Erfolg der proletarischen Revolution in Deutschland keineswegs ausreichend gewesen. Die Konfrontation dieser beinahe unbewaffneten Arbeitermassen mit einem kaum angeschlagenen deutschen Staatsapparat hätte niemals Erfolg haben können. Ein weiteres Hindernis für den Erfolg eines solchen Aufstandes bestand sicher auch darin, daß der Führungsstab, der die letzten Entscheidungen über diesen Aufstand zu treffen hatte, Tausende von Kilometern von dem eigentlichen Schauplatz der Ereignisse entfernt war. Dadurch, daß die Kominternführung aus Moskau die Revolution in Deutschland leitete, hatte sie, im Gegensatz zu den Bolschewiki des Jahres 1917, keinen unmittelbaren Kontakt mit den Massen, die sie führen wollte. Sie hinkte entweder den Ereignissen in Deutschland hinterher oder gab völlig unrealistische Befehle, die undurchführbar waren. Die Tatsache, daß Karl Radek sich ungeachtet all seiner Zweifel über die Stärke des deutschen Proletariats und der KPD mit der These Trockijs über die Festlegung eines genauen Termins für die deutsche Revolution "voll einverstanden erklärte", zeigt, daß dieser vorsichtige und nüchterne Taktiker im Grunde, ähnlich wie Trockij, auch ein revolutionärer Romantiker war. Und es waren die "revolutionären Romantiker", die in der innerbolschewistischen Deutschlanddebatte vom Herbst 1923 den Ton angaben. Stalin, der die Aussichten der deutschen Revolution wesentlich skeptischer beurteilte, konnte sich mit seinem Standpunkt damals noch nicht durchsetzen. Dennoch handelte es sich bei dem Triumph der Verfechter der Weltrevolution im Herbst 1923 eher um einen Scheinsieg. Die Moskauer Führung wollte keineswegs allzu viel für die deutsche Revolution riskieren und die Interessen des sowjetischen Staates aufs Spiel setzen, vor allem aber war sie nicht bereit, den damals bereits begonnenen Kampf um die Nachfolge des todkranken Lenin aus "Rücksicht" auf die mögliche deutsche Revolution einzustellen. Radeks dramatische Appelle an das Politbüro (Dokument 2) blieben wirkungslos. Die "russische" Frage - der Machtkampf innerhalb der engsten bolschewistischen Führung - drängte die deutsche Problematik in den Hintergrund. Radeks Plädoyer für die Einmischung der westlichen Kommunisten in die innerrussischen Angelegenheiten, um "diesen Wahnsinn" zu beenden, wirkte in der damaligen Konstellation wie eine ausgesprochene Donquichotterie. Welche Mittel hatten die weitgehend entmündigten, von der Moskauer Führung abhängigen westlichen Kommunisten, um den Gang der Ereignisse in Rußland zu beeinflussen? Radek selbst - als Deutschlandbeuftragter des Exekutivkomitees der Komintern - trug sehr viel dazu bei, daß die bedeutendste nichtrussische Sektion der Kommunistischen Internationale (die KPD) zu einem Anhängsel Moskaus wurde. Als er zur Zeit des "deutschen Oktobers" versuchte, diesen bereits weitgehend vollzogenen Prozeß rückgängig zu machen, wurde sein Vorgehen von der regierenden Moskauer Trojka als Aufruf zur Meuterei aufgefaßt und entsprechend bestraft. (Leonid Luks) 1 . Brief von Karl Radek vom 1. Oktober 1923 An den Gen. Trockij Kopien an die Gen. Zinov´ev, Bucharin, Stalin. Ich sagte schon auf der Sitzung, daß ich mit der Tendenz des Artikels des Genossen Trockij über die Festlegung des Termins der Revolution, sowie [seiner Einschätzung] der Konterrevolution voll einverstanden bin. Diese Tendenz ist sehr gesund, da die deutsche Partei formlos ist. Gleichzeitig aber möchte ich einige Gedanken aussprechen, die man meines Erachtens den deutschen Kommunisten mit nicht geringerem Nachdruck suggerieren muß, als es der Gen. Trockij in seinem Artikel getan hat. Die Lage in Rußland 1917 und in Deutschland heute unterscheidet sich dadurch, daß wir in Rußland mit der vollständigen Paralyse der Macht zu tun hatten. Deswegen konnten wir, uns auf verhältnismäßig geringe aktive Kräfte stützend, den Kampf um die Macht beginnen, nachdem die Sympathien der Mehrheit der Arbeiterklasse gesichert waren. Trockij sagte in seiner Rede 1917, daß wir losschlugen, als Petrograd in tiefem Schlaf lag. Wenn unsere Deutschen im tiefsten Schlaf der größten Zentren vorgehen werden, so werden sie vollständig zerschlagen werden, weil der Gegner über größere organisierte Kräfte verfügt als wir. Unser Sieg kann nur gelingen, wenn die spontane Bewegung des Proletariats mit dem organisierten Vorgehen der Kampfgruppen der Partei zusammenfällt. Deswegen halte ich es für notwendig, den deutschen Genossen die Bedeutung des richtigen Zeitpunkts zu suggerieren, weil diese Frage genauso wichtig wie die Organisation ist. Wir werden zerschlagen werden, wenn wir organisiert zum falschen Zeitpunkt vorgehen, genau so, als wenn wir es unorganisiert zum richtigen Zeitpunkt tun. Die Garantie des deutschen Sieges liegt in der Gleichzeitigkeit unseres organisierten Vorgehens mit der spontanen Massenbewegung. Ich bitte Sie, dieser Frage in der heutigen Sitzung Aufmerksamkeit zu schenken. 1.X.23 K. Radek RCChIDNI, f. 236, o. 2, d. 1,l. 153 2. Brief von Karl Radek an das Politbüro des ZK der RKP(b) vom 16. Oktober 1923 [Briefkopf] Mitglied des Präsidiums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale An das Politbüro des ZK der RKP 16. X. 23 Verehrte Genossen! Ich habe den Brief des Genossen Trockij während meiner Vorbereitungen zur Abreise gelesen. Ich beschloß, meine Reise um einige Tage zu verschieben, um dabei sein zu können. Aber Telegramme über die Verschärfung der Lage erlauben mir nicht, weiter mit der Abreise zu zögern. Vor der Abfahrt möchte ich mich zur jetzigen Lage äußern, die ich für sehr bedrohlich für die Schicksale der russischen und deutschen Revolution halte. Ich beginne mit praktischen Vorschlägen. a. Das Politbüro verbietet die Diskussion, das Drucken des Schreibens. Der Brief des Gen. Trockij wird nicht einmal den Mitgliedern des ZK zugeschickt. Nur im Falle der Einberufung eines Plenums erhalten die Mitglieder des ZK die Möglichkeit, mit dem Brief im Geheimdossier bekannt zu werden. b. Das Politbüro ernennt den Gen. Trockij zum Vorsitzenden des Rates der Kriegsindustrie. c. Das Politbüro beordert den Gen. Rakovskij aus London zurück (unter Einhaltung aller Maßnahmen, die vom diplomatischen Standpunkt notwendig sind). d. Das Politbüro schlägt dem Gen. Trockij vor, dem ZKK [Zentrale Kontroll-Kommission] Hilfe bei der Feststellung zu leisten, ob es Fälle nicht richtiger Versetzung von Genossen gegeben hat, die als seine Gesinnungsgenossen gelten. Falls solche Fälle aufgedeckt werden, sollen die Fehler korrigiert werden. Zur Begründung meines ersten Vorschlages werde ich nicht viele Worte verlieren müssen. Ich hätte diesen Vorschlag auch dann gemacht, wenn ich alle Ansichten des Gen. Trockij zur allgemeinen und innerparteilichen Lage teilen würde. Das Plenum des ZK hat eben bei aktiver Teilnahme des Gen. Trockij entschieden, die internationale Lage als sehr ernst zu betrachten, und die Partei in Kampfbereitschaft zu versetzen. Wir wissen nicht, ob wir zur Ausführung dieser Entscheidung des Plenums über Wochen oder Monate verfügen. Sogar wenn die Partei heute Radikalreformen benötigt, sind wir augenblicklich nicht in der Lage, diese durchzuführen. Die Krise der Partei hätte unter anderen Bedingungen keine tödliche Gefahr für die Partei bedeutet, jetzt aber bedeutet sie eine tödliche Niederlage für Sowjetrußland und die deutsche Revolution. Welche Mängel die Partei auch hat, sie muß so in den Kampf gehen, wie sie ist, möglicherweise verstärkt durch Umgruppierungen zur Hebung der Einheit. Das bestimmt die Form der Überwindung des Konflikts. Ich bezweifle nicht, daß das Plenum des ZK und der ZKK Maßnahmen für die Lösung des Konflikts getroffen hätte, aber an diesem Plenum nehmen Dutzende von Genossen teil; eine Diskussion in einem so großen Kreis ist eigentlich eine öffentliche Diskussion, deswegen müssen wir Zekisten [Mitglieder des ZK - Anm. des Übersetzers], Nicht-Mitglieder des Politbüros auf die uns vom Parteikongreß gegebenen Rechte verzichten, und vom Politbüro eine Beilegung des Konfliktes in den vier Wänden des Politbüros fordern. Umsomehr muß das ZK kategorisch die Hinzuziehung von Genossen, die Nicht-Zekisten sind, zur Erörterung des Konflikts ablehnen. Das Politbüro muß den Konflikt lokalisieren und liquidieren. Ich zweifle nicht daran, daß es möglich ist. Wie groß die Widersprüche auch sind, kein einziges Mitglied der Partei kann die Verantwortung für einen innerparteilichen Kampf im gegebenen Augenblick übernehmen. Deswegen muß man eine Diskussion über die grundlegenden Fragen ablehnen und sich auf die brennenden Probleme konzentrieren. Die Annäherung des Revolutionären Kriegsrates an die Kriegsindustrie ist derzeit eine Notwendigkeit, die vom Plenum des ZK anerkannt wurde. Das Plenum verstärkte durch einen Sonderbeschluß den Revolutionären Kriegsrat, um seine Kontakte zur Kriegsindustrie zu erleichtern. Der Genosse LaÓevi... oder der Gen. VoroÓilov werden sicher auf diesem Gebiet alles nötige tun, aber es kann der Sache nur dienen, wenn der Vorsitzende des Revolutionären Kriegsrates sich an der Erörterung aller Pläne der Kriegsindustrie beteiligt und auch verfolgen kann, wie sie erfüllt werden. Ist die Weigerung, die Dokumente des Gen. Trockij zu erörtern, eine Prinzipienlosigkeit oder Opportunismus, ein Versuch, sich aus den Schwierigkeiten herauszuwinden. Die Erörterung der Kritik des Gen. Trockij hätte in der augenblicklichen internationalen Lage nicht zur Stärkung der Planmäßigkeit unserer Handlungen geführt, wenn diese Kritik auch in allen Punkten richtig wäre. Die Lage zwingt uns zu einer Reihe konzentrierter Maßnahmen und zu organisatorischen Veränderungen, die durch die Kriegsgefahr entstanden sind. Was die Summe der Personalfragen betrifft, so muß man sagen, daß in breiten Kreisen der Partei die Meinung herrscht, daß eine ganze Reihe von Umsetzungen durch den Kampf mit dem Gen. Trockij hervorgerufen wurden. Es wäre lächerlich, jetzt im ZK eine Diskussion darüber anzuzetteln, ob dies stimmt. Legenden können nicht weniger Wirkung haben als Tatsachen. Die Partei kann es sich jetzt nicht erlauben, daß sich irgendeine Gruppe von Genossen an die Wand gedrückt fühlt, falls es sich nicht um bekanntermaßen parteifeindliche Gruppen handelt, solche, wie die Gruppe der Arbeiterwahrheit, die gegen die Partei konspiriert. Umso weniger kann sich die Partei den Luxus erlauben, dem Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrates das Gefühl zu geben, daß das ZK ihm nicht vertraut und gegen ihn Maßnahmen ergreift. Das Politbüro muß dem Gen. Trockij in diesen Fragen entgegenkommen und dann werden sich auch die Probleme seiner gemeinsamen Arbeit mit einer Gruppe von Mitgliedern des ZK, die in der Armee tätig sind, lösen lassen. Falls das Politbüro nicht imstande ist, den Konflikt mit dem Gen. Trockij zu lokalisieren und mit eigenen Kräften zu lösen, falls es zum Kampf innerhalb der Partei kommt, der die Kräfte der Partei nach außen binden wird, wird das ein solcher Schlag gegen die deutsche Revolution sein, daß ich unfähig bin, ihn zu beschreiben. Mein ganzes bewußtes politisches Leben war der Verknüpfung der russischen und deutschen Arbeiterbewegung gewidmet. Jetzt begebe ich mich auf den verantwortungsvollen Posten, auf den mich das Politbüro schickt und ich sehe vor mir alle die unerhörten Folgen des Parteikampfes in Rußland. Unter diesen Umständen muß ich meiner Zurückhaltung entsagen, die ich bewußt gegenüber den Fraktionsgruppierungen in der russischen Partei gezeigt habe, weil ich erst seit 1917 unmittelbar in ihren Reihen bin. Ich erkläre dem Politbüro, daß es gelingen muß, den Zwist im Politbüro, schlimmstenfalls im Rahmen des ZK zu lokalisieren, falls der Zwist publik wird, so werde ich mich an die führenden Genossen der westeuropäischen kommunistischen Parteien wenden, mit der Forderung ihrer sofortigen Einmischung mit dem Ziel, diesen Wahnsinn zu beenden. Die kommunistischen Parteien einer ganzen Reihe von westeuropäischen Ländern sind erfahren genug um zu verstehen, daß es um die russische und deutsche Revolution geht. Das russische ZK sagt sich von seiner führenden Rolle in der Komintern los, wenn es jetzt nicht imstande ist, mit eigener innerparteilicher Disziplin und der Politik des notwendigen Nachgebens den fatalen Konflikt zu verhindern. Falls das so ist, haben die westeuropäischen Bruderparteien das Recht und die Pflicht, sich einzumischen, ebenso wie sich die russische Partei in ihre Angelegenheit eingemischt hat. Ich bin überzeugt, daß keines der Mitglieder des ZK mir das Recht, dies zu tun, absprechen wird, weil es eine Negierung der Internationale bedeuten würde. Mit komm. Gruß K. Radek RCChIDNI, f. 326, o. 2, d. 1, l. 154-160. (Übersetzung: Peter Krupnikow) |