"Bljucher ist ein vollendeter Schuft"
 
Reden und Debatten des sowjetischen Militärrates 1935-38
 
Das erste hier vorgestellte Dokument, die Rede vom Leiter der Politischen Verwaltung, Jan Borisovic Gamarnik, stammt vom Dezember 1935. Er setzt sich mit dem moralisch-politischen Zustand der Roten Armee auseinander. Der oberste Politkommissar zeigt sich hier als jemand, der den Druck auf die Funktionäre in der Roten Armee erhöhen wollte und gerade nicht - wie manchmal angenommen[1] - als moderater, dem harten Kurs Stalins entgegenstehender Politiker. Gamarnik, der 1894 geboren wurde, trat 1916 der bolschewistischen Partei bei und leitete Anfang der zwanziger Jahre die Parteiorganisationen in Kiev und Odessa und wurde danach an verschiedenen Stellen der Parteiarbeit eingesetzt. Ende der zwanziger Jahre wurde er zum Leiter der Politischen Verwaltung der Roten Armee, wenig später zum Stellvertretenden Volkskommissar für Verteidigung. 1934 wurde er zum Kandidaten des ZK der VKP(b) gewählt. Ende Mai 1937 nahm er sich, bevor er im Zuge der Verhaftungen von Offizieren, die angeblich mit Tucha...evskij eine Spionageorganisation führten, festgenommen werden konnte, das Leben.[2]
 
Grigorij M. [Sinvcircumflex]tern, der zunächst als Sekretär Voro[sinvcircumflex]ilovs gearbeitet hatte,[3]
......
wurde 1937 Berater der republikanischen Regierung Spaniens im Bürgerkrieg. Danach wurde er 1938 in die Fernostarmee versetzt und nahm an den Kämpfen gegen die Japaner an der koreanischen und mandschurischen Grenze teil.[4]
ñ...
In diesem Zusammenhang berichtete er in der hier dokumentierten Rede über diese Kämpfe und über das Verhalten des Oberkommandierenden Bljuchers, der in der Folge der Kämpfe verhaftet und getötet wurde. [Sinvcircumflex]tern selbst wurde 1941 nach Auseinandersetzungen um die Strategie im Sowjetisch-Finnischen Krieg erschossen.[5] Die genauen Gründe sind bisher nicht bekannt. Sein Bericht über die Vorgänge am Chasan-See aus der Sitzung des Militärrates vom November 1938 ist hier auszugsweise dokumentiert.
 
Der dritte Redner ist der Volkskommissar für Verteidigung der Sowjetunion von 1925 - 1940, Kliment E. Voro[sinvcircumflex]ilov. In seiner Rede - ebenfalls aus der Sitzung des Militärrates im Jahre 1938 -, deren erster Teil bereits in Rußland veröffentlicht worden ist,[6]
ñ...
forciert er den Terror und schiebt gleichzeitig die Verantwortung für die Zustände auf andere ab.
 
Unterstreichungen im Original werden kursiv gedruckt. Einige stilistische Ungenauigkeiten im Original deuten daraufhin, daß die stenographischen Protokolle ohne Korrektur ins Archiv gelangten. Die Texte werden mit freundlicher Genehmigung des Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (RGVA), Moskau, veröffentlicht.
 
(Frank Schauff)
 
Vortrag des stellvertretenden Volkskommissars der
 
Verteidigung der UdSSR, Armeekommissar 1. Ranges, Jan B. Gamarnik vom 8. Dezember 1935, Moskau
 
"Genossen! Unsere Armee hat am Ende des Studienjahres 1935 unzweifelhafte Erfolge in der militärischen und politischen Vorbereitung aufzuweisen. Gleichzeitig mit dem Studium wurde eine beachtliche Tätigkeit bei der Bildung neuer Truppeneinheiten und beim Bau für sie entwickelt. Aber wir wären nicht würdig, die Bezeichnung Bol'[sinvcircumflex]evik oder Schüler Lenins und Stalins oder eines Mitglieds des Militärrates zu verdienen, wenn wir uns nur eine Minute lang auf dem ausruhten, was wir erreicht haben, wenn wir diese Erfolge überschätzten, oder überheblich dadurch würden, daß französische, italienische, tschechoslowakische und andere Militärmissionen über die Stärke unserer Armee positiv gesprochen haben; wenn wir die Defizite unserer Armee nicht gesehen hätten, [...] wenn wir nicht mit aller Kraft an der Überwindung dieser Fehler gearbeitet hätten, damit sich unsere Armee unermüdlich in schnellem Tempo vorwärtsbewegt.
 
Wir wissen, daß unsere Armee bei all ihrer Macht noch sehr viele große Defizite in der militärischen Vorbereitung hat. Gleichzeitig weiß jeder von uns oder ist verpflichtet zu wissen, daß unsere wahrscheinlichsten Gegner - Deutschland, Polen, Japan - starke Armeen haben und mit aller Kraft daran arbeiten, diese Armeen noch stärker zu machen. Im zukünftigen Krieg werden wir es mit einem starken Gegner zu tun haben. Das dürfen wir nicht vergessen. Das muß man einkalkulieren. Darauf muß man sich verstärkt vorbereiten. Und in diesem Licht müssen wir unsere eigene Kampfbereitschaft einschätzen.
 
Leider gibt es unter uns Genossen, die sich nur oberflächlich mit ausländischen Armeen vertraut gemacht haben. Sie beginnen anschließend zu verbreiten, daß diese Armeen 'stark zurückgeblieben`, 'schwach sind' und daß wir 'bei Ihnen nichts lernen können', daß 'wir alle überholt haben` usw. Diese Überlegungen versuchen sie oft mit dem Hinweis auf irgendeine offizielle Erklärung [...] von irgendeinem [...] General, bourgeoisen Politiker oder Journalisten zu stützen. [...]
 
Es ist klar, daß alle diese Überlegungen auf Unkenntnis ausländischer Armeen und auf schädlichstem Eigenlob beruhen.
 
Voro[sinvcircumflex]ilov. Richtig.
 
Gamarnik. Wir sind verpflichtet, mit aller Entschlossenheit gegen die Unterschätzung der Kräfte des Gegners zu kämpfen, die deswegen gefährlich ist, weil sie in unserer Armee Ruhe und Selbstzufriedenheit statt nötiger Selbstkritik und angestrengter Arbeit hervorrufen kann. Wir sind verpflichtet, den Gegner sorgfältig zu studieren, ihn zu kennen, wie es sich gehört, seine starken und schwachen Seiten zu kennen. Wir sind verpflichtet, bei ihm das zu lernen, was man im vollen Maße lernen soll und ich behaupte [...], daß es keine noch so schwache Armee gibt, bei der man nicht etwas Nützliches lernen könnte.
 
Voro[sinvcircumflex]ilov. Sogar viel.
 
Gamarnik. Wir sind verpflichtet, immer bedeutend stärker als unsere Gegner zu sein. Wir sind verpflichtet, deutlich besser als unsere Gegner in militärischer Hinsicht vorbereitet zu sein. Im zukünftigen Krieg sind wir vor unserer Heimat, vor der Sache des Sozialismus, vor dem internationalen Proletariat, vor unseren Führern Lenin und Stalin verpflichtet, zu siegen, unsere Feinde zu zerschlagen und dabei, wie Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov oft sagt, mit einem geringen Blutzoll. Darum dürfen wir uns jetzt auf keinen Fall auf dem Erreichten ausruhen und triumphieren, daß wir uns in diesem Jahr ein bißchen in der militärischen und politischen Ausbildung nach vorne bewegt haben. Wir sind verpflichtet, unermüdlich zu lernen. Wir sind verpflichtet, entschlossen unsere Defizite aufzudecken und angestrengt an der weiteren Festigung unserer Armee zu arbeiten. Das wäre ja noch schöner, wenn wir auf der Stelle stehengeblieben wären oder uns langsam nach vorwärts bewegt hätten! Wer würde das von uns dulden? Besonders in den Jahren stürmischen sozialistischen Wachstums unseres Landes, der gigantischen Vorwärtsbewegung aller Zweige der Volkswirtschaft, in der Periode der mächtigen Stachanov-Bewegung. Wir stellen, ja, immer neue und neue Forderungen an das Land, an die Produktion im Bereich der Rüstung. Die Flugzeuge, Panzer, die Artillerie, die noch gestern uns genügten, befriedigen uns heute schon nicht mehr. Wir verlangen hartnäckig immer wieder bessere und bessere Waffen in kurzer Frist. Wir wollen erstklassige, die besten Waffen in der ganzen Welt haben. Wir üben Druck auf unsere Industrie aus. Wir verlangen von ihr solche Waffen. Und wir machen es völlig richtig. Aber wir sind dabei verpflichtet, noch fordernder zu uns selbst, zu unserer Arbeit in der technischen und operativ-taktischen Beherrschung der Waffen zu sein. Aus dieser Perspektive, Genossen, sehe ich unsere Errungenschaften in der militärischen und politischen Ausbildung für das abgelaufene Jahr als klein und ungenügend an.
 
Wir haben noch längst nicht jenes vorbildliche, alle Waffengattungen umfassende Orchester geschaffen, das unser großer Lehrer und Führer Gen. Stalin schon vor einigen Jahren von uns forderte.
 
Ich schlage darum vor, daß wir auf diesem Plenum mit ganzer Entschiedenheit, mit ganzer Kraft und mit der Schärfe der bolschewistischen Selbstkritik, nichts vertuschend, alle unsere Fehler aufdecken und, wie es sich gehört, die konkreten Fragen für nächstes Jahr genau besprechen.
 
Die Untersuchung verschiedener Materialien und der Rechenschaftsberichte der Bezirke sowie die persönliche Beobachtung der Truppen geben mir Grund, folgende Schlußfolgerungen auf dem Gebiet der Kampfbereitschaft zu ziehen:
 
Erstens. Unsere Armee hat sich im abgelaufenen Jahr bedeutend in dem Bereich der quantitativen, massenhaften, technischen Beherrschung von Panzern, Flugzeugen, Artillerie, Unterseebooten, des Funkwesens und anderer Mittel des Kampfes weiterentwickelt. Aber diese technische Beherrschung wurde und wird noch von vielen Havarien, Zerstörungen, Katastrophen und großen Fehlern in der Ausnutzung und in der Wartung wertvoller Militärtechnik begleitet. Wir haben nicht wenige Piloten, Panzersoldaten, Artilleristen, Matrosen der Unterseebootflotte, Funker und andere Spezialisten, die wie Stachanov [Stoßarbeiter. Anm. d. Red. ] gleich dem Ausdruck des Gen. Stalin `ganz die Technik beherrschten, sie einnahmen und sie vorwärtstrieben'. Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov hat auf der Allunionsversammlung der Stachanovisten eine Reihe solcher Namen in unserer Armee genannt. [...]
 
Ihre Reihen - der Stachanovisten in der Armee - wachsen und werden zahlreicher. Das ist nur der Anfang einer mächtigen Stachanov-Bewegung in der Armee. Aber gemeinsam mit Menschen, die richtig die Technik beherrschen, haben wir eine Menge Fälle ungebildeter und barbarischer Beziehung zur Technik.
 
In 9 Monaten des Jahres 1935 hatten wir in der Luftflotte 234 Havarien und 39 Katastrophen. Eine solche Lage ist unerträglich. Kann unsere Luftflotte eine völlige Unfallfreiheit erreichen? Sie kann und muß. Es konnten doch im Jahre 1935 80 Fliegerstaffeln und 16 Gruppen ohne eine einzige Flugzeughavarie arbeiten. Im Fernen Osten gibt es eine Fliegerstaffel, die schon das 6. Jahr keine Havarien hat. Der Personalbestand der Luftflotten muß in vollem Maße die Technik beherrschen. Eiserne Militärdisziplin muß in allen Brigaden und Fliegerstaffeln herrschen, um unfallfrei zu werden.
 
Wir haben in den Panzerstreitkräften, gleichzeitig mit der Existenz einer schon großen Zahl von ausgezeichneten Panzerfahrern, die mit ihren Panzern spielend klarkommen und die keine Havarien kannten, in 9 Monaten des Jahres 1935 1.025 Havarien. Gen. Chalepskij und Genossen Kommandeure! Leider haben unsere Panzerstreitkräfte bisher noch nicht einmal ein unfallfreies Bataillon.
 
Was sagen uns die gerade von mir angeführten Zahlen und Fakten? Die Beispiele unserer Stachanovisten in der Armee, die uns zeigen, was man aus der Technik herauspressen kann, wenn man sie richtig beherrscht einerseits und anderseits - die riesige Zahl von Havarien, Katastrophen und die Zerstörung, geben uns allen Grund, die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Armee im ganzen noch bei weitem nicht, wie es sich gehört, ihre Militärtechnik beherrscht. An der Technikbeherrschung müssen wir noch viel und richtig arbeiten. [...]
 
Gen. Stalin sagte am 4. Mai diesen Jahres beim Akademieabschluß der Roten Armee:
 
`Um die Technik in Bewegung zu bringen und sie perfekt zu benutzen, brauchen wir Leute, die sich gründlich die Technik angeeignet haben, brauchen wir Kader, die fähig sind, sich die Technik anzueignen und sie nach allen Regeln der Kunst zu benutzen. Wenn es in unseren erstklassigen Werken und Fabriken, in unseren Sowchosen und Kolchosen, in unserer Roten Armee eine genügende Menge Kader gäbe, die diese Technik beherrschen könnten, - würde unser Land einen drei- und viermal größeren Effekt erzielen.'
 
Wir müssen im Jahre 1936 daran arbeiten, daß unsere Armee ihre Technik vollständig benutzt, daß unsere Armee sie operativ und taktisch klar beherrscht, damit der Effekt drei- und viermal größer wird, damit die Kampfbereitschaft unserer Armee dadurch drei- und viermal höher wird. Wie Sie sehen, ist es noch viel zu früh, sich zurückzulehnen! Die ganze Arbeit der Technikbeherrschung, der operativ-taktischen Ausnutzung steht noch vor uns. Dazu ist es notwendig, die Leute besser zu organisieren, sie besser zu erziehen, zu lehren und vorwärts zu führen.
 
Zweitens. Als eine sehr schwache Stelle bei uns erweisen sich die Fragen der Organisation des militärischen Hinterlandes. Bei vielen Kommandeuren und Politarbeitern gibt es eine schädliche, unvollständige Bewertung dieser äußerst wichtigen Bedingung der Kampfbereitschaft der Truppen. Mehrere Leiter, die im Bürgerkrieg von `Grünfutter' zu leben gewöhnt waren, stellen sich nicht ganz vor, was es bedeutet, eine moderne Armee in einem zukünftigen Krieg mit Munition, Ersatzteilen, Treibstoff, Uniformen, Versorgung und Furage zu versorgen. [...]
 
Der größte Stratege der proletarischen Revolution, Gen. Stalin, lehrte uns sowohl im Bürgerkrieg als auch heute und wird uns unaufhörlich lehren, immer an die Versorgung der Armee als wichtigster entscheidender Bedingung der Einsatzfähigkeit der Armee und des Sieges über den Gegner zu denken. [...]
 
Ich muß sagen, daß wir noch bei weitem nicht alle Schlußfolgerungen aus der Sitzung des ZK der VKP(b), die sich mit dieser Frage befaßte, wie auch aus der hervorragenden und zutiefst lehrreichen Rede des Gen. Stalin zu den Fragen der Versorgung der Armee gezogen haben. Die Kommandeure und Politfunktionäre haben sich mit dieser Sache noch nicht einmal zu beschäftigen begonnen, wie es der Beschluß des ZK und des Rates der Volkskommissare und der Befehl des Volkskommissars verlangen. Noch nicht überall ist eine vorbildliche Buchführung geregelt. Wir bekommen noch Berichte über den Raub von Vermögen aus den Lagern, über seine schlechte Lagerung, über schlecht vorbereitetes Essen für die Rotarmisten. Wir haben noch bei weitem nicht unsere Armeewirtschaft vorbildlich wie ein Uhrwerk funktionierend gemacht. Wir sind verpflichtet, das in der nächsten Zeit zu machen. In dieser Sache ist kein Zurücklehnen zu dulden.
 
Drittens. Das kommandierende Personal kennt seinen wahrscheinlichen Gegner schlecht - den Schauplatz, die Organisation, die Bewaffnung, die Taktik. Mit dieser Sache verhält es sich bei uns schlecht. Das dürfen wir nicht weiter zulassen. Wie kann man richtig Truppen für den Krieg vorbereiten, wie kann man Leitungspersonal operativ-taktisch vorbereiten, ohne daß es den wahrscheinlichen Gegner kennt, wie es sich gehört? Diese Arbeit müssen und können wir auf völlig neue Höhen bringen. Der Generalstab, die Aufklärungsabteilung des Volkskommissariats für Verteidigung und die Befehlshaber der Truppen der Bezirke sind verpflichtet, im Jahre 1936 diese Arbeit richtig in Gang zu bringen.
 
Viertens. Unser Leitungspersonal in der Reserve wird schlecht vorbereitet. Es bleibt sehr stark hinter den Kadern zurück. Die Truppen bereiten es ungenügend vor. Man unterrichtet es schlecht an den zivilen Hochschulen. Man muß auf dem Plenum diese Frage genau besprechen und Maßnahmen zur gründlichen Verbesserung dieses Sachverhalts ergreifen. Insbesondere muß ich in Verbindung damit die schlechte Situation der Reservenberechnung in den Wehrersatzämtern der Rajons [russ.: rajvoenkomaty] erwähnen. Man hat mir erzählt, daß, als in Leningrad auf Grund der Überprüfung der Parteidokumente Angaben aus den Wehrersatzämtern über Personen unter den Reserveoffizieren geprüft wurden, in den Angaben viele Lügen entdeckt wurden. Ein Mensch hat über seine frühere Militärtätigkeit alles, was ihm in den Kopf kam, geschrieben und das wurde oft im Wehrersatzamt für bare Münze genommen. [...]
 
Fünftens. Im abgelaufenen Jahr hat das Kommando- und Leitungspersonal erste Schritte im Studium der Geschichte der Kriegskunst gemacht. Aber noch steht es um das Studium der Geschichte der Kriegskunst, des Imperialistischen [1. Weltkrieg] und des Bürgerkriegs äußerst schlecht. Aber diese Sache ist sehr wichtig, besonders notwendig; sie hat große praktische Bedeutung für das operativ-taktische Wachstum unseres Kommando- und Leitungspersonals. [...]
 
Sechstens. Wir haben noch eine beträchtliche Ungleichmäßigkeit der militärischen Vorbereitung zwischen den Bezirken. Die Lücke in der Vorbereitung zwischen den verschiedenen Bezirken ist zu groß. Es gibt stark zurückgebliebene Bezirke. [...] Man muß im Jahre 1936 die zurückgebliebenen Bezirke stark antreiben und sie vorwärts bewegen. Gen. Bljucher schaut fragend auf mich. Aber leider ist die militärische Vorbereitung Ihrer Besonderen Armee,[7]
...
Vasilij Konstantinovi..., immer noch nicht so, wie sie sein sollte, wenn wir die Situation im Fernen Osten betrachten.
 
Nun komme ich zu einer Reihe von Fragen über den politisch-moralischen Zustand der Armee und der Politarbeit.
 
Genossen! Im abgelaufenen Jahr ist das politische und kulturelle Niveau der Rotarmisten, Kommandeure und Politarbeiter zweifellos bedeutend gewachsen. Der Personalbestand ist um unsere Partei und unseren Großen Führer, Gen. Stalin, fest vereinigt. Man könnte eine unendliche Anzahl hervorstechender Fakten anführen, die die grenzenlose Ergebenheit unserer Armee gegenüber ihrer Heimat, der Sache des Sozialismus, der Partei Lenins und Stalins beweisen. Man könnte eine grenzenlose Anzahl von Fakten über die hervorragende Energie, Selbstaufopferung und das Heldentum einfacher Soldaten und Offiziere nennen.
 
Eine riesige Menge von Faktoren bestimmt diesen hohen politisch-moralischen Zustand der Truppe: die gigantischen Erfolge des Sozialismus in unserem Land, die Verbesserung der materiellen Lage der Werktätigen, die Abschaffung der Lebensmittelkarten, die bedeutende Steigerung des Lohnes des leitenden Personals. Das Leben der Werktätigen in unserem Land ist besser und fröhlicher geworden. Der Matrose Stepanenko entspricht Stachanov, der Unteroffizier Dem...enko entspricht seiner berühmten Schwester Marija Dem...enko [bei diesen Personen handelt es sich um Stoß- bzw. Stachanovarbeiter]. Hervorragende Leute, führende Arbeiter des Militär- und Politikstudiums - Piloten, Panzersoldaten, Matrosen der Unterseebootflotte - [...] konkurrieren mit den Stoßarbeitern-Stachanovisten der Fabriken, der Werke, Sowchosen und Kolchosen. Das ist das, was den höheren politisch-moralischen Zustand der Armee bestimmt. Das sind jene Argumente, über die Gen. Stalin auf der Sitzung des ZK über die Fragen der Militärwirtschaft gesprochen hat, mit denen unser Land, unsere Partei, unser Stalin die Politarbeiter und die Parteiorganisationen in ihrer Arbeit unter den Soldaten, dem Kommando- und Leitungspersonal bewaffnen. Die mit all diesen [Argumenten] bewaffneten Politarbeiter, Partei- und Komsomolorganisationen sollen eine hohe Stufe der militärischen und politischen Ausbildung ermöglichen, sie müssen den bolschewistischen Geist in allen Bereichen der Armeearbeit garantieren.
 
Die Politarbeiter und Parteiorganisationen haben natürlich eine Reihe von Erfolgen in der Partei- und politischen Arbeit für das abgelaufene Jahr, aber sie - diese Erfolge - sind trotzdem nicht ausreichend. Es ist noch nicht das, was wir im Moment brauchen.
 
Gen. Egorov und ich haben eine Reihe großer Defizite in der militärischen Ausbildung angemerkt. Sind die Politarbeiter, Partei- und Komsomolorganisationen daran schuld? Ja, klar. Sie sind schuld. Tragen sie die Verantwortung dafür? Natürlich verantworten sie das. Sind die Politarbeiter am schlechten Zustand der Armeewirtschaft schuld? Sie sind schuld und zwar in großem Maße. Darüber hat schon das ZK in seiner Resolution vom 9. August gesprochen. Sind die Politarbeiter daran schuld, daß es in der Armee bisher noch sehr viele verschiedene unvorhergesehene Ereignisse, Katastrophen, Havarien usw. gibt.? Natürlich, sie sind schuld. Die Politarbeiter tragen die Verantwortung für alles, sie verantworten den Zustand ihrer Truppeneinheiten in jeder Hinsicht. Sie sind verpflichtet, den bolschewistischen Kampfgeist in allen Bereichen ihrer Truppeneinheit zu garantieren. Aber leider gibt es unter den Politarbeitern noch viele Leute, die sich bürokratisch zur Arbeit verhalten, die meinen, daß sie für diesen oder jenen Arbeitsbereich `in ihrer Position' keine Verantwortung tragen; von der Masse getrennte Leute, in einer Zeit, in der als allererste Aufgabe jeder Politarbeiter immer im Gewühl der Masse arbeiten soll, teilnahmsvoller und naher Genosse und politischer Leiter, Erzieher jedes Soldaten sein soll. Die Politarbeiter sind verpflichtet, damit zu beginnen, viel besser, unermeßlich besser zu arbeiten.
 
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine Reihe wesentlicher Fragen unserer Politarbeit lenken:
 
1. Über die Überprüfung des Kommando- und Leitungspersonals, über seine Aufzucht, über seine bolschewistische Erziehung. Das ist es, woran die Politorgane und Parteiorganisationen unermüdlich arbeiten sollen. Man muß den Personalbestand genau untersuchen, jeden Menschen, wie es sich gehört, kennen. Man muß zur richtigen Zeit die Feinde - Spione, Trotzkisten-Zinov'evisten, Diebe, die sich in die Armee gedrängt haben, entdecken und ausschließen. Man muß mit Liebe jeden wertvollen, wissenden, der Partei treuen Funktionär bewahren, lehren, erziehen und fördern, wie es uns Gen. Stalin lehrt. Haben die Armeekommunisten, die Politarbeiter gelernt, diese Arbeit zu verrichten, wie es sich gehört, die Befehle des Gen. Stalin zu verwirklichen? Nein, das haben sie noch bei weitem nicht gelernt.
 
Die Überprüfung der Parteidokumente, eine enorme Arbeit in ihrer organisatorisch-politischen Bedeutung, die auf Initiative des Gen. Stalin ausgeführt wurde, hat uns nochmals gezeigt, daß wir die Menschen noch schlecht, manchmal nur formal, kennen, daß wir oft versäumen, die Feinde - Spione, Trotzkisten-Zinov'evisten, Diebe zu erkennen und sehr oft entdecken wir, befördern wir, ziehen wir nicht wirklich der Partei treue, fähige und wertvolle Menschen heran. Es ist wahr, daß die Überprüfung der Parteidokumente in der Armee [diesen Erkenntnisprozeß] deutlich verbesserte, sie hat feindliche Menschen aufgedeckt, die aus der Partei und der Armee herausgeworfen wurden, sie hat die Sorge um wertvolle Menschen erhöht. Insgesamt wurden während der Überprüfung bis zum jetzigen Zeitpunkt in der ganzen Armee 4.042 Parteibücher konfisziert, was 2,94% der Untersuchten ausmacht. Es wurden 4.727 Parteibücher zur weiteren Klärung festgehalten, was 3,44% der Zahl der Untersuchten darstellt. [...]
 
Aber es besteht, Genossen, die Gefahr, daß nach der Überprüfung der Parteidokumente viele Politorgane und Parteiorganisationen in ihrer Arbeit der Erforschung der Menschen nachlassen könnten. Wer das zuläßt, der begeht die größten Verbrechen vor der Partei, vor der Armee und wird sich dafür kräftig verantworten. Der Politarbeiter, der nicht die Menschen seiner Einheit gut kennt, der nicht eng mit ihnen verbunden ist, ist unzulässig als Politarbeiter.
 
Die Überprüfung der Parteidokumente hat ohne Zweifel die ganze Parteiarbeit auf die Beine gebracht, hat der Labilität der Parteiorganisation einen kräftigen Schlag versetzt. Das muß man nicht nur verstärken, diese Erfolge muß man tatkräftig weiterentwickeln. Die Parteiorganisation in der Armee muß vorbildlich sein. Dafür hält jeder Politarbeiter den Kopf hin. [...]
 
Aber, Genossen, es gibt in der Armee außer den Parteibolschewiken noch viele parteilose Bolschewiken, hervorragende Kommandeure, die völlig unserer Partei treu sind. Für den Menschen, den wir nicht zu den Partei- oder parteilosen Bolschewiken rechnen können, kann es jetzt in unserer Armee keinen Platz geben. Wir müssen unbedingt unsere Arbeit unter den parteilosen Bolschewiken verbessern. Sie ist in der letzten Zeit in Verbindung mit der Überprüfung der Parteidokumente in einigen Einheiten schwächer geworden. Das ist unzulässig. Wir sind verpflichtet, unser parteiloses Leitungspersonal nicht schlechter als das in der Partei zu kennen. Die Politorgane und Parteiorganisationen sollen es analysieren, eng mit ihm verbunden sein, sollen an seiner bolschewistischen Erziehung arbeiten. Die Besten von ihnen für die Aufnahme in die Partei vorbereiten.
 
Wir müssen auch unsere Politarbeit unter Familien des Leitungspersonals verbessern, was für die Armee, für ihre militärische und politische Bereitschaft äußerst wichtig ist. Wir wissen, wieviel für die erfolgreiche Arbeit des Kommandeurs eine gesunde Familiensituation bedeutet, wenn die Ehefrau ein Freund und Genosse ist, ein Mensch, der unserer Heimat und Partei treu ergeben ist. Diese Arbeit ist bisher noch nicht gut genug.
 
Also, wir müssen unermüdlich, im bolschewistischen Kampfgeist, deutlich besser als bisher den ganzen Personalbestand der Armee erziehen. Es ist notwendig, sehr wachsam zu sein, in die Armee keine Feinde - Spione, Trotzkisten, Zinov'evisten und alle möglichen anderen Schufte zu lassen und die heimlich eindringenden Feinde rechtzeitig aufzudecken und aus der Armee auszuschließen. [...]
 
Man muß eine solche Lage erreichen, daß unser ganzes Kommando- und Leitungspersonal die grundlegenden Werke der Gen. Lenin und Stalin studiert und kennt. Jeder Kommandeur in unserer Armee, darunter auch der parteilose Bolschewik, soll der politische Führer der Soldaten sein, aber dafür muß man politisch gebildeter Mensch sein, muß man die Lehre von Lenin und Stalin kennen. Darum lassen wir der marxistisch-leninistischen Vorbereitung unseres Kommando- und Leitungspersonals eine solche Aufmerksamkeit zukommen. [...]
 
Unsere ganze Politarbeit muß die Helden und Patrioten unserer Heimat, die aufopferungsvollen Kämpfer des Sozialismus erziehen, die das Militärwesen ausgezeichnet kennen, die politisch ausgebildet sind, die unsere große Partei lieben, die bereit sind, für sie und für unseren geliebten Stalin das Leben hinzugeben. [...]
 
Genossen! Erlauben Sie, hiermit meinen Auftritt zu beenden. Ich zweifle nicht daran, daß Sie die ganzen Mängel unserer Armeearbeit einer scharfen Kritik unterwerfen werden, und daß wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen werden, um unsere Armee im Jahre 1936 entscheidend vorwärts zu bewegen und sie noch stärker zu machen.
 
Ich bin davon überzeugt, daß wir unter der Leitung des Genossen Stalin und Genossen Voro[sinvcircumflex]ilov im Jahre 1936 deutlich besser, deutlich organisierter arbeiten werden und daß wir, wie dies Gen. Stalin verlangt, ein richtiges, vorbildliches, alle Waffengattungen umfassendes Orchester schaffen werden. Wir werden es erreichen, daß der ganze Organismus der Armee und darunter auch unsere Militärwirtschaft, wie dies Gen. Stalin verlangt, wie eine gute Uhr arbeiten werden. (Beifall)"
 
(Quelle: Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (RGVA) Fond 4/opis' 18/delo 52/S. 9r - 14v)
 
Bericht des Stabsleiters der 1. Fernostarmee Grigorij M. [Sinvcircumflex]tern über die Auseinandersetzungen mit den japanischen Streitkräften vor dem Militärrat in Moskau
 
"26. November 1938 (Abendsitzung).
 
Vortrag des Genossen [Sinvcircumflex]tern vor dem Militärrat im Kreml.
 
Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. Wir werden nun den Vortrag des Militärrats der 1. Besonderen Rotbannerarmee über die Ereignisse im Bezirk des See Chasan hören.
 
Wieviel Zeit brauchen Sie, Genosse [Sinvcircumflex]tern, um uns zu erzählen, was dort geschehen ist und was nicht?
 
Gen. [Sinvcircumflex]tern. Mein Vortrag ist auf drei Stunden berechnet.
 
Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. Kann man die Zeit bis auf eine Stunde kürzen, damit für die anderen Referenten Gen. Semenov, Ry...agov und Mechlis auch Zeit übrigbleibt?
 
Gen. [Sinvcircumflex]tern. Ich muß meinen Vortrag sehr stark kürzen.
 
Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. Also, wir geben Ihnen eine Stunde und noch ein paar Minuten dazu.
 
Gen. [Sinvcircumflex]tern. Ich glaube, daß außer den internationalen und politischen Hauptbeweggründen der japanischen Provokation am See Chasan, über die Gen. Molotov auf der feierlichen Sitzung vom 6. November und Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov in seiner Rede vom 7. November gesprochen haben, einige zusätzliche Beweggründe existierten und zwar die Informationen, die die Japaner über den schlechten organisatorischen Zustand der fernöstlichen Front und ihrer Truppen und besonders über den Zustand der Kader und den Zustand der militärischen Vorbereitung hatten. Nicht zufällig war die Auswahl der Richtung - der Pos'etskij Bezirk. Dieser Pos'etskij Bezirk stellt in der Tat eine Schwachstelle unseres fernöstlichen Schauplatzes dar. Diese relative Schwäche war offensichtlich den Japanern bekannt. Wahrscheinlich hatten sie Informationen darüber, daß die in der Richtung des Pos'etskij stehende 40. Infanteriedivision in politischer Beziehung eine der schwächsten, wenn nicht die schwächste Division der fernöstlichen Front war.
 
Ich meine, daß man keine richtige Vorstellung darüber erhalten kann, wie die Dinge in der Operation am Chasan liefen, wenn man nicht die Situation, die in der Anfangsperiode der Ereignisse am Chasan in der Leitung der Fernostfront entstand, genauer in Betracht zieht. [...]
 
Die besondere Sorge der Partei- und Regierungsführer für unseren Fernen Osten und seine bewaffneten Kräfte äußerten sich im Aufbau einer großen Menge von Truppen und zahlreicher Technik, die dort in den letzten Jahren konzentriert wurden. Kurz gesagt,- im Fernen Osten wurde eine gewaltige militärische Macht geschaffen. Man muß sagen, daß die erdrückende Masse dieser Menschen hervorragende Menschen der Stalingeneration, bemerkenswerte Patrioten sind. Über unsere Technik, die dort in einem ungewöhnlichen Ausmaß konzentriert wurde, muß man sagen, daß es eine hervorragende, die beste Kriegstechnik der Welt ist. Aber ich muß ehrlich den Partei- und Regierungsführern berichten, daß es in diesem ungeheuren und kolossalen Organismus und in dieser gewaltigen Militärmacht, die von der Partei und der Regierung in unserem Fernen Osten geschaffen wurde, am Ausgangspunkt der Ereignisse sehr große Unzulänglichkeiten gab. Viele davon sind bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beseitigt. Bedeutende Unzulänglichkeiten gibt es in der Vorbereitung des Kriegsschauplatzes. Der Bezirk ist sehr schwach bevölkert und die Landwirtschaft geht, das muß man Ihnen, Gen. Stalin, direkt sagen, in den letzten ein, zwei Jahren deutlich in ihrer Entwicklung zurück.
 
Große Unzulänglichkeiten in der Vorbereitung des Schauplatzes gibt es in Fragen des Straßenbaus, der materiellen Versorgung. Bedeutend schlechter als in den anderen Einheiten der Rote Armee ist die materielle Lage der Truppen, die im Fernen Osten stationiert sind.
 
Aber ich meine, daß man die grundsätzliche und wichtigste Schwierigkeit nicht auf diese Fragen beziehen darf, sondern die Hauptschwierigkeit, die wir während der Ereignisse am Chasan erlebten, besteht im Grunde im Zustand der Kader des Kommando- und Politpersonals in dieser Periode. Das Heer der Fernöstlichen Rotbannerfront [DKF: Dal´nevosto...nyj Krasnoznamennyj Front] war vom Kopf der Front her mit den boshaftesten Volksfeinden - japanischen Spionen und anderen Spitzeln - stark verschmutzt. Gleichzeitig mit der Entfernung dieser Feinde wurde eine große Menge Menschen aus den Einheiten der Fernöstlichen Rotbannerfront trotz des Befehls des Volkskommissars ausgeschlossen und entlassen, gegen die es nicht genügend Beweise gab. Wegen jeder kleinen Kleinigkeit, die der eine oder andere Kommandeur hatte, wurde er aus dem Dienst entlassen. Und es wurden sehr, sehr viele solche Leute entlassen. Die Masse der Kommandeure wurde auf persönliche Anordnung Bljuchers entlassen. Von Bljucher wurden solche Verhältnisse in der Armee geschaffen, daß schon der kleinste Versuch oder die kleinste Anmerkung über die grundlose Entlassung dieses oder jenes Kommandeurs als Andeutung diente, daß man die Feinde verteidigt. Bljucher konnte sehr gut und geschickt den Eindruck einer besonderen ungeschriebenen Vollmacht vermitteln, daß er der wichtigste Vertreter von Partei und Regierung im Fernen Osten und nicht nur in Militärangelegenheiten als Kommandeur der Front sei.
 
In den ersten Wochen meines Aufenthalts in der Besonderen Fernostarmee (OKDVA) und meiner Inspektion einiger Einheiten der Fernöstlichen Front (DKF) bekam ich den Eindruck, daß die Kader in der Armee der Fernostfront buchstäblich vor den Augen vernichtet werden. Trotz aller Bitten wurde keiner als Ersatz für die Entlassenen bestimmt.
 
Ich erzähle kurz über mein persönliches Verhalten auf den Sitzungen des Militärrates der ehemaligen Fernostfront. Auf den Sitzungen des Militärrates riefen die Fragen in Verbindung mit der Entlassung von Kommandopersonal richtige Szenen hervor. Ich muß direkt berichten, daß ich auf den Sitzungen des Militärrates in diesen Fragen nicht unterstützt wurde. Ich trat allein mit Erklärungen gegenüber dem ehemaligen Kommandeur der Front auf, über sein grundloses Mißtrauen gegenüber den Kadern, über die Vernichtung der Kader. [...] Ich war oft gezwungen, die Unterschrift von Befehlen über den Personalbestand zu verweigern, solange mir keine begründeten Anlässe für die Entlassung eines Menschen vorgelegt wurden.
 
Zur richtigen Zeit kam die Ankunft des Gen. Mechlis, der uns in sehr vielen Fragen bedeutend geholfen hat. Gen. Mechlis hat uns große Hilfe bei der Führung der Kriegsoperation geleistet. Seine Ankunft hat eine herausragende Rolle bei Fragen der Säuberung der Armee und bei der Beschleunigung der Bestimmung neuer Leute für viele noch unbesetzte Stellen gespielt. Im Stab der Armee war z.B. nicht mehr als 15-20 % des Personalbestandes vorhanden und trotzdem wurden (die Lücken) im Stab [...] nicht gefüllt. Ich persönlich hatte, als Leiter des Stabs, keinen Stellvertreter und keinen einzigen Abteilungsleiter. Ungefähr der gleiche Zustand ließ sich im 39. Infanteriekorps finden, wo es auch keinen Leiter des Ingenieurdienstes, des Veterinärdienstes, keinen Leiter der Aufklärungsabteilung usw. gab. Eine solche Lage gab es auch in der 40. Infanteriedivision. Bei der Entstehung der Chasanereignisse mußte die Leitung der Sanitätsabteilung der 40. Infanteriedivision dem Feldscher gegeben werden. Zum Zeitpunkt der Entwicklung der Ereignisse mußte man die Verstärkung und Bestimmung des Personalbestandes ad hoc in die Wege leiten. Die Kompanieführer wurden während des Jahres 1938 im Durchschnitt fünfmal ersetzt. In der 40. Infanteriedivision gab es eine Situation, in der die Kompanieführer ihre Rotarmisten nicht nur nicht nach dem Nachnamen kannten, sondern auch das Gesicht noch nie gesehen hatten. In der Mehrzahl der Kompanien gab es keine Personallisten, sie sind verschwunden, was sehr große Schwierigkeiten bei der Bestimmung unserer Verluste gebracht hat.
 
Gemeinsam mit der Liquidierung und Reinigung der Reihen der Armee der damaligen Front von Volksfeinden wurde eine große Menge der bis zum Ende unserer Partei Lenins und Stalins und dem Sowjetvaterland treuen Kommandeure ungesetzlich, trotz aller Befehle und Anordnungen, aus der Armee entlassen. Unter diesen Voraussetzungen entstanden bei den Kämpfern Ansätze des Mißtrauens gegenüber unserem Kommandopersonal. Während ich die Übersicht der Briefe von Rotarmisten über die ersten Tage der Operation kontrollierte, habe ich festgestellt, daß einige von ihnen ihr Mißtrauen gegenüber dem Kommandopersonal aussprachen, bis dahin, daß ein Soldat geschrieben hat, daß er seinem Gruppenführer nicht vertraue. Diese Stimmung ist sofort verschwunden, nachdem die Organisation verbessert worden war. Ich muß dazu sagen, daß unser Kommando- und Politpersonal stark und der Heimat treu ergeben ist und seine Aufgabe klar versteht. Das Kommando- und Politpersonal der 40. Infanteriedivision, das früher als in politischer Hinsicht unzuverlässig eingeschätzt wurde, hat nach der Verbesserung der Organisation seine Treue, Tapferkeit und seinen Heldenmut bei der Chasan-Operation gezeigt. Die Elemente des ungesunden politischen und moralischen Zustandes sind ganz verschwunden.
 
Ich muß aber auch sagen, daß diese sehr großen organisatorischen Schwierigkeiten und besonders die Schwierigkeit mit den Kadern Elemente der Unordnung und des Durcheinanders hervorgerufen haben. Wir mußten sehr viel und kräftig daran arbeiten. Frühere Vorträge des ehemaligen Frontkommandeurs in den Fragen der Kampfvorbereitung und des Kaderzustandes waren vollständiger Betrug. Die Menschen beschäftigten sich kaum mit der Kampfvorbereitung. Diese Nachlässigkeit kann man einigermaßen mit unumgänglichen und lebenswichtigen Bedürfnissen der Front erklären. Ich muß berichten, daß diese mangelnde Kampfvorbereitung noch nicht ganz überwunden ist. Aber früher rissen sich die Menschen von der Kampfvorbereitung los und verschwanden nach und nach, weil hier Nachlässigkeit herrschte.
 
Man kann noch ein solches Beispiel anführen. Als das Regiment antritt, das war vor den Ereignissen, treten alle seine Vertreter, buchstäblich bis zum letzten Mann [...] an - die Batterie des Regiments, die Panzerabwehr-, Pionierkompanie, die Verbindungskompanie, der Regimentsstab, die Verkehrseinheit, aber die Schützen sind abwesend, sie wurden zu verschiedenen Arten der Nebentätigkeit benutzt. Diese Nachlässigkeit ging in der Hauptsache auf das Konto der Infanterie und darum hat die Infanterie sehr schlecht gelernt. Sehr schlecht waren auch die Panzerregimenter vorbereitet. Es reicht, wenn ich berichte, daß in der 1., 2. und 21. Mechanisierten Brigade kein einziges Bataillon jemals mit der Infanterie geübt hat. Die Panzerabteilungen schmorten in ihrem eigenen Saft.
 
Gen. Stalin. War damals schon die Armee eingerichtet?
 
Gen. [Sinvcircumflex]tern. Ja, der Kommandeur war der Divisionskommandeur Podlas. [...]
 
Kurz zu der Chronologie der Entwicklung des Konflikts: [...]
 
Seit dem 23. Juli war der verstärkte Übergang japanischer Truppen in den Bezirk Zaozernaja zu bemerken. Nach der Instruktion des Volkskommissars wurde dem ganzen 39. Infanteriekorps die Anordnung zur Überführung in Kampfbereitschaft gegeben. In Kampfbereitschaft gebracht waren die 40. Infanteriedivision, die 92. Infanteriedivision, die 32. Infanteriedivision, die 2. Motorisierte Brigade, das 121. Kavallerieregiment und die Einheiten der Luftflotte der 1. Armee. Danach wurden das verstärkte Bataillon des 118. und 119. Regiments in den Bezirk Sandokancz geführt. Es wurde der Befehl erteilt, eine Reihe der Verbände nicht nur der 1. Armee, sondern auch anderer Einheiten der Front in Kampfbereitschaft zu versetzen. Der Luftflotte wurde befohlen, Landeplätze zu finden und vier Fliegerstaffeln [...] zu landen.
 
Es hat uns viel Mühe gekostet, um Bljuchers Unterschrift für diesen Befehl, die Armee in Kampfbereitschaft zu setzen, zu bekommen. Diese Unterschrift mußten wir sozusagen mit Gewalt herausholen. Eine kleine Geschichte über dieses Dokument: du kommst zu Bljucher und forderst, den Befehl zu unterschreiben, aber er beginnt mit dir Gespräche zu führen und sucht diejenigen, die schuld am Konflikt sind. Ich muß sagen, daß alle diese Befehle von ihm mit sehr geringer Lust unterschrieben wurden. Jeder kleine Grammatikfehler war für ihn ein Vorwand, den Befehl nicht zu unterschreiben.
 
Am 25. Juli wurde auf gesteigerte Bewegung japanischer Truppen in die Richtung der Linien der 1. Armee hingewiesen.
 
Am 29. Juli in der Nacht unternahmen die Japaner aktive Operationen im Bezirk des Sees Chasan. [...]
 
Am 31. Juli stürmten die Japaner die Höhe Zaozernaja und nahmen sie ein.
 
Vom 31. Juli bis 1. August wurden die 40. Infanteriedivision und das 39. Kavallerieregiment im Bezirk Zare...enskij konzentriert.
 
Am 2. August fand der erfolglose Sturm der Höhe Zaozernaja statt.
 
Am 3. August sind wir aus dem Kampf herausgegangen. [...]
 
Bljucher war der Meinung, daß wir an diesem Konflikt schuld sind. Er meinte, daß es Provokateure in der 59. Grenzschutztruppe gab, die den Konflikt provozierten. Der Pionier Vinevitin, der einen Japaner getötet hatte und einen [anderen] beim Überqueren der Grenze verwundet hatte, wurde von ihm als Hauptschuldiger dieses Konfliktes angesehen.
 
Bljucher hat Instruktionen gegeben, daß unsere Artillerie so lange nicht schießen durfte, bis die japanische Artillerie auf unserer Seite auftauchte. Durch diese verräterische Anordnung und dank der schlechten und unentschuldbaren Organisation erklärt sich das Verhalten der Artilleriedivision, die Feigheit, die sie bei dem Treffer eines japanischen Geschosses [...] gezeigt hat.
 
Die zweite Etappe der Operation. Die zweite Etappe, das ist die Attacke auf die Höhe Zaozernaja durch die Einheiten der 40. Infanteriedivision. Zu dieser Zeit war die 40. Infanteriedivision in Marsch. Die Einheiten der Division bewegten sich mit großer Mühe über den schlammigen Boden und gerieten in den Zare...enskij Kessel. Der Kopf der Kolonne war in Zare...'e. Als ich in Novokievskoe ankam und die Situation klärte in dem Wissen, daß unsere Regierung die Absicht hat, diesen Konflikt so schnell wie möglich zu beenden, war ich gezwungen, Bljucher folgendes zu berichten (liest). [Der Text ist in dem Protokoll nicht wiedergegeben.] [...]
 
Am 2. August kam Bljucher an die Front. Nachdem er dort die Lage geklärt hatte, hat Bljucher befohlen, die Einheiten der 40. Infanteriedivision aus dem Kampf herauszuführen.
 
Einige Worte über die Leitung. Als es klar geworden war, daß die Japaner Zaozernaja genommen hatten und das war am frühen Morgen des 31. Juli klar geworden, wurde mir befohlen, nach Voro[sinvcircumflex]ilov und von dort nach Kraskino zu fliegen und die Leitung aller sich dort befindenden und dorthin kommenden Einheiten zusammenzuschließen. Ich bin nach Kraskino mit Semenovskij und noch fünf Stabskommandeuren der Front geflogen. Ich habe Bljucher gebeten, die Anbindung dieser Truppen an die 1. Armee genauer zu definieren. Ich meinte, daß man diese Einheiten unter die Leitung der 1. Armee stellen und dadurch eine Südgruppe der 1. Armee bilden mußte. Bljucher hat versprochen, es zu tun, aber er hat in dieser Frage (nichts unternommen) und ich habe später keine Befehle (von ihm) gefunden. [...]
 
In dieser Zeit war es ganz klar - man muß den Kampf organisieren und wichtige Fragen in der Kampfleitung lösen. In diesem Zusammenhang hat Bljucher gar nichts gemacht. Darf ich Ihnen mein Gespräch mit Bljucher nach dem Erhalt des Befehls des Volkskommissars vorlesen (liest Telegrafenbericht vor) [nicht im Protokoll enthalten]. Die Einmischung unseres Zentralkomitees und der Regierung in der entstandenen Situation war das entscheidende Moment. Wir haben den Befehl bekommen, die Luftflotte der Front zu benutzen. Nur dank dem genauen und klaren Befehl des Volkskommissars, der aufgrund der Instruktion der Gen. Stalin und Molotov gefaßt worden war, war der Sieg gesichert worden. Unsere Truppen zerschlugen die Japaner und besetzten die Höhe Zaozernaja am 6. August.
 
Die Kampffähigkeit der Truppen, die an der Chasan-Operation teilnahmen, war außergewöhnlich hoch. Die 40. Infanteriedivision hatte die Beurteilung als schlechteste Division der Fernostfront und hatte eine politische Beurteilung als unsichere Division. Aus dieser Division wurden mehr als 100 Volksfeinde ausgeschlossen. Der mißlungene Kampf am 31. Juli und danach am 2. August, diese ganze Situation stellte für die Division schwere Bedingungen dar, aber trotzdem und trotz bis zu 50 % Verlusten an Schützen und MG-Schützen hat das Personal dieser Division im Kampf um Zaozernaja ausgezeichneten Mut, Standhaftigkeit, Treue gegenüber der Sache der Partei Lenins und Stalins gezeigt. [...]"
 
(Quelle: Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (RGVA) Fond 4/opis' 18/delo 47/S. 73 - 89)
 
Abschlußrede des Volkskommissars der Verteidigung der Sowjetunion Kliment E. Voro[sinvcircumflex]ilov vor dem Militärrat am 29. November 1938
 
"Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. [...] Genossen, ich weiß nicht, ob ich einige Worte über die Ereignisse in Bezirk des Sees Chasan sagen soll. Darüber wurde schon viel gesagt. Aber ich möchte Sie nur ganz kurz mit Dokumenten bekanntmachen, die darüber berichten, welche gemeine und geradezu verbrecherische Rolle Bljucher von Anfang an spielte und wie unzulässig abstoßend Gen. Podlas und sein Stab sich benahmen.
 
Schon am 22. Juli habe ich aufgrund einiger Angaben gewußt, daß die Japaner sich zum Angriff auf unser Territorium vorbereiteten. Ich habe Bljucher ein Telegramm [...] zur Information vorab zugeschickt: die Japaner haben vor, unsere Grenze zu verletzen, den Bezirk des Sees Chasan zu erobern, ergreifen Sie alle Maßnahmen, mobilisieren Sie die Einheiten, werden Sie nicht unvorbereitet getroffen. Einige Tage gehen vorbei. Bljucher gibt formal den Befehl: sich vorbereiten, bereitsein usw. usw. Und einige Zeit später beginnt, er `zu untersuchen' [...]. Seiner Meinung nach zeigt es sich, daß unsere Grenzschützer Territorium der Japaner erobert haben. Darum kämpfen die Japaner zu Recht um ihr Territorium gegen unsere sowjetischen Eroberer. Ohne jemandem etwas zu sagen, obwohl dort die Gen. Mechlis und Frinovskij waren, obwohl neben ihm sein direkter Stellvertreter Gen. [Sinvcircumflex]tern als Stabsleiter saß, organisiert dieser Herr durch den Stab des Gen. Podlas eine spezielle Expedition zur unheilvollen Höhe Zaozernaja zur Bestimmung der Grenzlinie und zur genauen Festsetzung der Grenze. Der Stabsführer von Podlas, PomoÓ...nikov und noch zwei Genossen fuhren hin und bestimmten, wo die Grenze verläuft.
 
Bljucher schickt ein Telegramm [...] hierher an die Genossen Stalin, Molotov und mich: Ich bitte Sie, Oberst Fedotov und Vinevitin sofort vom Dienst zu suspendieren und vor Gericht zu stellen, weil sie japanisches Territorium erobert und uns dadurch zu militärischen Handlungen provoziert haben. Aber um diese Zeit hatte Litvinov [Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten] mit [dem japanischen Außenminister] Sigemizu ein Gespräch und erklärte ihm im Auftrage der Regierung, daß wir kein Stück Erde abtreten werden. Er forderte, sofort die japanischen Truppen abzuziehen. Bljucher wußte dies, schickte aber nichtsdestoweniger ein solches Telegramm.
 
Dann sagte ich ihm im Auftrage der Genossen Stalin und Molotov: [...] `Beenden sie sofort diesen ganzen Unsinn und ergreifen sie alle Maßnahmen, damit die Armee zum Widerstand bereit wird, weil die Japaner uns angreifen werden.' Er sendet mir statt dessen noch ein Telegramm [...] darüber, daß `Sie nicht wissen, was passiert'. Mit einem Wort, er entwickelt weiter den Gedanken, daß wir fremdes Territorium erobert haben und daß wir kein Recht haben, dies zu tun. Wir haben nicht verstanden, worum es geht. Dort sitzt Mechlis. Ich schicke ihm ein Telegramm [...], mit der Bitte zu klären, was sich hinter diesem Unfug verbirgt. Sie wissen es doch aus den Zeitungen, daß wir gegen die frechen und unverschämten Aktionen japanischer Grenzschützer und dazugehöriger Einheiten öffentlich protestierten. Gen. [Sinvcircumflex]tern hat sich auch in diese Sache eingemischt. Man stellte fest, daß weder Mechlis, noch Frinovskij, noch [Sinvcircumflex]tern davon wußten, daß irgendeine Kommission geschickt wurde, um zu bestimmen, wer (in der Grenzfrage) Recht hat, wer schuld ist. Wir schicken Bljucher wieder ein Telegramm [...] mit Instruktionen. Bljucher gibt der 1. Armee eine entsprechende Anordnung, aber nichts bewegt sich. Der Gegner sammelt Kräfte und erobert unser Territorium [...].
 
Dann kommen Genosse Stalin und Molotov in dieses Gebäude.
 
Wir rufen über die direkte Verbindung Bljucher an. Ich lese Ihnen jetzt das Gespräch mit diesem Herrn vor [...].
 
(Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov liest die Dokumente vor) [nicht im Protokoll enthalten]
 
Bljucher flog für mehr als zwei Tage weg, verschwand aus dem Blickfeld für zweieinhalb Tage. Boris Michailovi... [[Sinvcircumflex]apo[sinvcircumflex]nikov] und ich haben die Augen nicht zugemacht und die ganze Zeit telefoniert, wir haben ihn gesucht und konnten ihn nicht finden. Ich war gezwungen, am 1. August Podlas über die direkte Verbindung herauszurufen und zu fragen:
 
`Informieren Sie uns kurz darüber...'
 
Die 40. Division befand sich in schändlichstem Zustand, Menschen hatten keine Kleidung, waren ohne Gewehre, [...] die 40. Division verschleuderte ihre Leute. Die Lage war sehr schlecht, die Desorganisation hatte ihren Höhepunkt erreicht. Podlas berichtet dem Volkskommissar und durch mich Gen. Stalin - Gen. Stalin ist mit mir direkt verbunden [...], erzählt die altbekannte Lüge. Er spricht nicht davon, daß bei ihm die 40. Division auseinandergefallen ist, daß das 39. Korps sich in einem schrecklichen Zustand befand. [...]
 
Wie erfüllt er [Podlas] die Anordnungen? Überhaupt nicht. Er hat keinen Finger gerührt.
 
Gen. Ry...agov. Ich habe einen Vorschlag an den Militärrat zu Podlas' Benehmen. Ihm wurde die ganze Armee anvertraut und das Korps ging führungslos zu den Hügeln. Während der ersten Kämpfe wurden sehr viele Menschen getötet. Wir stellen Piloten und Panzersoldaten wegen Pannen an ihren Maschinen vor Gericht, hier wurden aber fast zwei Regimenter vernichtet. Ich denke, daß man Podlas wegen Sabotage vor Gericht stellen muß [...]. Er hat sich auf Bljucher [...] berufen, aber selbst ergriff er keine Maßnahmen (Ausrufe der Zustimmung).
 
Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. Ich denke, daß Gen. Ry...agov vollkommen recht hat, diese Frage muß der Militärrat anhören. (Er liest die Dokumente weiter vor).
 
Frinovskij stimmt zu, daß der Militärrat der 1. Armee im Laufe der ersten Tage überhaupt nichts Zusammenhängendes berichten konnte. Die Führung glitt ihm völlig aus der Hand. Und Herr Bljucher, als er dort ankam, machte alles, um die ohnehin schlecht organisierte Abwehr zum Erliegen zu bringen. Er hat sich für zweieinhalb Tage versteckt. Als [Sinvcircumflex]tern ihn fragte: wem obliegt das Kommando: Bljucher oder ihm und was solle man unternehmen, sagte Bljucher weder ja noch nein. Und nur dank unserer Einmischung, nur dank ständiger Gespräche über eine direkte Verbindung, nur dank dem ständigen und ununterbrochenen Druck auf [Sinvcircumflex]tern, der jetzt endlich dort das Kommando übernommen hat, wie es sich für einen Kommandeur der Roten Armee gehört, nur dadurch haben wir keinen Zusammenbruch erlitten, haben wir uns nicht in eine peinliche Lage gebracht.
 
Ich habe hier noch sehr viele interessante Belastungsmaterialien über die Gemeinheit und den Verrat Bljuchers, ich kann nicht alles nennen. Ich habe Gespräche mit Podlas geführt. Ich habe [...] ihn darauf hingewiesen, was man machen muß, habe von ihm [energische] Einmischung gefordert. Podlas hat [nichts unternommen]. Und das Resultat war, daß wir dort barfüßige, hungrige Leute ohne Gewehre hatten. Deshalb brauchten wir letztlich länger, um den Japanern eine Abfuhr zu erteilen, als dies nötig gewesen wäre, wenn alles besser organisiert gewesen wäre.
 
Ich meine, daß das, was hier Gen. Ry...agov gesagt hat, die Meinung der Mehrheit der hier anwesenden Genossen ist ([Zwischenruf:] Richtig). Podlas sollen wir [...] vor Gericht stellen. Es ist gut, daß Gen. Ry...agov mit einem solchen Vorschlag öffentlich aufgetreten ist. So soll jeder Bol'[sinvcircumflex]evik handeln. Ich denke, daß man zu Podlas [...] auch die gesamte Leitung der 1. Armee hinzufügen und wegen Untätigkeit aburteilen muß (Stimmen: Richtig). Zumindest haben sie gar nichts getan.
 
(Stimme: Ich schlage vor, auch Bljucher vor Gericht zu stellen).
 
Gen. Voro[sinvcircumflex]ilov. Zu ihrer Kenntnis, er befindet sich schon am entsprechenden Ort und hat schon einige Male versucht, sich umzubringen. Ihn hat sein eigener Bruder entlarvt. Jetzt bekennt sich Bljucher schuldig, daß er ein Feind und Verschwörer ist. Sein Bruder sagt, daß Bljucher nicht nur Verschwörer und Feind der Sowjetmacht ist, sondern daß er, als wir ihn zu uns gerufen haben, im letzten Moment versucht hat, mit dem Bruder zu den Japanern zu fliegen. So ist er, Bljucher. Das ist ein vollendeter Schuft."
 
(Quelle: Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (RGVA) Fond 4/opis' 18/delo 47/S. 134 -138)
 
(Übersetzung: Victoria Schauff)

[1] Vgl. z. B. Conquest, Robert: The Great Terror. Stalin's Purge of the Thirties. Harmondsworth 1971, S. 283, 304. John Erickson: The Soviet High Command. A Military-Political History 1918 - 1941. London 1962, S. 452. Rapoport Vitaly / Alexeev Yuri: High Treason. Essays on the History of the Red Army, 1918 - 1938. Durham 1985, S.181.
 
[2] John Erickson, S. 839.
 
[3] "Nevol'niki v rukach Germanskogo Rejchsvera". Re' I. V. Stalina v Narkome oborony. In: Istonik, Nr. 3, 1994, S. 83.
 
[4] Pobedat' vraga maloj krov'ju. Vystuplenie K. E. Voro[sinvcircumflex]ilova na zasedanii Voennogo Soveta pri narkome oborony SSSR. 1938g. In: Istorieskij archiv, Nr. 4, 1997, S. 73, Fn 15.
 
[5] Vgl. Conquest, S. 652. Rapoport/Alexeev, S. 328, 417 Fn 12.
 
[6] Pobedat' vraga. In: Istorieskij archiv, Nr. 4, 1997, S. 64 - 74.
 
[7] OKDVA: Osobaja Krasnoznamennaja Dal´nevostonaja Armija [Besondere Fernöstliche Rotbannerarmee].