Rákosis Notizen 1948 Vorgelegt und kommentiert von Csaba Szabo Eine besondere, aus mehrerer Hinsicht interessante Quelle tauchte aus dem Archiv des Institutes für Parteigeschichte vom ZK der ehemaligen Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (heute: Archiv des Institutes für Politikgeschichte - PIL) hervor. Das ist der handgeschriebene Abriß einer Rede von Mátyás Rákosi,[1] der irrtümlicherweise im Archiv so erfaßt wird, als wäre der Text zur Gründung des Kominform in Polen abgefertigt worden (vgl Anm. 46). Rákosi nahm an der Beratung in Szklarska Por"ba nicht teil, Ungarn wurde dort von József Révai und Mihály Farkas vertreten. Nach der Inhaltsanalyse ist es zu vermuten, daß Rákosi die Skizze Anfang 1948 geschrieben hat, als die zweite Zusammensetzung der Dinnyés-Regierung bereits bekannt war (vgl. Anm. 63), aber die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien noch nicht stattfand. Der Parteiführer dürfte das Referat nach dem 13. Februar 1948 in Moskau gehalten haben, als er mit Staatspräsidenten Zoltán Tildy und Ministerpräsidenten Lajos Dinnyés in die sowjetische Hauptstadt fuhr, um einen ungarisch-sowjetischen Freundschafts-, Kooperations- und Beistandsvertrag zu schließen. Die Veröffentlichung des Quellenmaterials ist auch dadurch ein aufregendes Unternehmen, weil sie exemplarisch demonstriert, welche Informationen aus dem Abriß einer geplanten Rede zu erkennen sind. Das Dokument wurde aus dem Ungarischen übersetzt, wobei die Form beibehalten wurde. Geographische Bedeutung des Landes = ein Keil[2] |
" |
Größe, Bevölkerung, Bevölkerungsdichte, Eisenbahn[3] soziale Gliederung Budapest = 1.700.000 + Prolet. Klassenverhältnisse = Großgrundbesitz + Großkapital + Kirche + Kulak + Revision[4] K. Partei 25 Jahre lang illegal hoffnungslose Opposition Einparteiensystem[5] Warum konnten wir nicht abspringen? 1. Schaukelpolitik = Horthy Kompromiß oder Sonderfrieden 2. angelsächsische Intrigen, Kriegserklärung + nicht Bombardieren + sie besetzen es + ... = aufgelöste Parteien 3. 15. 3. 1944... Lakatos = Neue Hoffnungen + nach Rom zu schicken[6] 15. 11. - Szálasi[7] Was haben wir zu Hause gefunden? Grad der Zerstörung = ausgeplündertes Land 7 Monate Krieg[8] Provisorische Nationalversammlung Debrecen[9] Ungarische Nationale Unabhängigkeitsfront[10] = Anfangsfehler = keine Masse und keine Kampforganisation; = Nationaler Ausschuß wurde durch die alte Staatsorganisation verdrängt.[11] Parteien K S.D = kein einziger Führer kam herüber Kleinlandwirte = Kulak + Bürger Nationale B.P.[12] Keine eiserne Hand = 1. Das Volk zu beruhigen, daß es um keine Rä- terepublik geht 2. Szálasi-Armee zu zerrütten Keines von beiden haben wir durchgesetzt, eine Strenge wäre besser gewesen.[13] Aufgaben Neuorganisation des Staatslebens[14] Ernährung von Budapest Bodenreform[15] Beginn des Wiederaufbaus Die Wahlen von ´45. S.D-Block[16] ihre Lehren: K. Partei hat schon Wurzeln geschlagen, aber nicht genug S.D. ist noch stark Kleinlandwirte 57%![17] |
1919! = wieder als erste in Europa sitzt es im Sattel[18] Aufgaben: zu zeigen, daß wir nicht erschrocken sind = stellvertretender Min.Präs. + Innenm.[19] 2. Demokratie weiter zu stärken = Errichtung der Demokratie 3. K.P. zu stärken. 4. Auf die Zerstückelung der Kleinlandwirtepartei abzuzielen 5. Beseitigung der Inflation II.1. Republik Ferenc Nagy anstatt Tildy.[20] Wer ist es? III. 12. = Verstaatlichung + Boden + 23 Ausschlüsse[21] Stabilisierung = steigerte die Autorität der Partei[22] [...] Verschwörung Das Doppelspiel der F.K.P. hat sich aufgedeckt. Wir haben Ferenc Nagy und seine führenden Gefährten beseitigt Wir haben die Linke zugelassen, die noch F. N. einsetzte, uns zu beirren. Keinen einzigen neuen Minister haben wir geholt; 3 Tage mit vielen dramatischen Szenen. Zerfall der FKP. begann.[23] die Wahlen von ´47[24] Rolle der S.D.; Block > hat sich als eine antikommunistische Partei aufgespielt Kolchos, Diktatur, [...][25] Wir mit einem Wahlbündnis + Fusion.[26] Wir haben 1.112.000 bekommen + 100 Abgeordnete = 22,3 = größte Partei Wir haben Fehler begangen: Ausschluß von der Liste + technische Vereinbarungen, die die S.D-en gegen uns richteten[27] 2. Partei in der Koalition[28] |
Unabh. Kleinl. = 780.000 = 68 Abgeordn. 3. S.D. = 730.000 = 67 4. Bauern = 420.000 = 36 Opposition: Barankovics 800.000 = katholisch [29] Pfeiffer = 620.000[30] Balogh = 250.000[31] 400.000. hat K. und N. Bauernp. K. Partei = in Bpest 27.5 Salgótarján 72% Nógrád 42%[32] Groß-Budapest 260 - 178[33] im Jahre ´45 40.000 S.D. jetzt umgekehrt[34] S.D. hat in den Dörfen verloren. Linksblock 50%[35] Nach den Wahlen = [...] S.D.- und Kleinlandwirte- Manöver[36] die Koalition[37] > Außenpolitik wärmste Beziehung zu der Sowj. die sowj.-en Genossen, die in Bpest gewesen waren, haben das festgestellt Zu den Nachbarn: Jugoslawien und Rumänien = Nichtangriffs. und Hilfe auch zu der Sowj. enger[38] Problem: Tschechoslowakei; sie verfolgen die Ungarn Benes will die gute Freundschaft verhindern, KPTsch. hilft ihm dabei[39] Tito + Anna Pauker = 9 Parteien Beratung in Belgrad[40] |
" |
Kampf die Brücke + Neutralität > voriges Jahr Washington nach Moskau[41] Wirtschaftliche Lage Landwirtschaft = Anbau aus den Friedenszeiten, Trockenheit, Brotmangel[42] Industrie = 90%[43] Versuche zur Isolierung der K. Partei Versuche zur Errichtung einer rechten Führung der S.D.-en und der Kleinlandwirte. Wir haben es abgewehrt.[44] Gegenangriff. 1. Pfeiffer > gelungen[45] Warum ließen wir ihn flüchten = demoralisiert eher als eine Verhaftung 2. Verstaatlichung der Banken = 60%[46] 3. Beenden der Verstaatlichung = Alumin.[47] 4. Reaktion > in die Fabriken unterwandert Im weiteren = Fusion mit der S.D. Entweder Vereinigung oder Bruch. Falls Vereinigung, dann weiter = entweder demokratische Arbeiter - Bauernpartei, oder enges Bündnis.[48] + Kampf gegen die Kirche + Barankov.[49] Später Boden = Genossenschaft, falls die Ernte gut ist + Beenden des Dreijahresplans[50] [...] Wir zahlen die Reparation präzis = 50%[51] Mit Anbau gab es Problem, aber derzeit erholt er sich Partei Mitgliedschaft über 700.000, 4.500 Organisationen, Nur einige Dutzende von kleinen Dörfen, wo es keine Organisation gibt Zusammensetzung über 45% Industriearbeiter 30 % Bauern Frauen über 25% Kaderprobleme: illegale Partei; Fraktionskämpfe, Wir hatten Angst vor den Schwierigkeiten, Wir haben einander nicht gekannt. Die oberste Führung ist aus Moskau. Politbüro 7 aus 11. Alle waren im Gefängnis = mehr als 50 Jahre im Zuchthaus. Zusammenschmieden, erfahren. Die anderen Parteien haben sowas nicht. Nach unten gehend schwächt sich die Qualität ab. aus 700.000 sind 5.000 alte, 15.000 + Gewerksch., die anderen sind neu; Disziplin, Korruption, Schulung. Die Partei ist die Partei des Arbeitens. Wo ist sie stark. Industriearbeiter, Bpest = Kádár[52] In der Eisenindustrie ist es schwer. Bergleute. Bauern, besonders in der demokratischen Vihars.[53] Intelligenz = Ärzte 20%. Beste Schauspieler, Schriftsteller Gewerkschaft: Fachrat Kossa = [...][54] Wo sind sie stark: Bauwesen, Chemie, Holz, Textil, Boden, Eisen Wo gibt es S.D.-e Mehrheit = Druckerei, Kellner Staatsapparat 15 Minister = 5 Stellvertretender Min. Rákosi Eisenbahn Gerö zu loben Innenmin. Rajk zu loben Außenpol. Molnár Szoc. obespecs [sic!] Olt[55] |
... |
Präsident des Parlaments Imre Nagy[56] Staatssekretär 12 aus 36 Obergespanen: 10 aus 28[57] Wirtschaftlicher Generalrat = Zoltán Vas = 16 Jahre[58] Planungsamt-Hauptsekretär, Berei,[59] Domokos[60] Botschafter[61] 8 Bürgermeister aus 26 Komitatssitzen[62] Wo es keinen K Minister gibt, dort K. Staatssekretär oder andere führende Beamte. Polizei = 30 tausend; Innenmin. + Staatssekr. + Kopf der polit. Polizei + spezielle Bereitschaft + Kommandant der Bpester Polizei + ländliche Polizei[63] Armee 15 tausend Mann K. ist der General der Grenzwächter Politrazvjedka[64] K. ist der Kommand. der 1-en Division + der Bpester Garnison + der Bpester Bereitschaftsabteilung + politproszvescsenije.[65] = der Fall von Dinnyés, Péter Veres, Wer, was[66] Landwirtschaft = Bodenreform + Produktion in K. Hand Finanzwesen = die Steuerleistung und die staatlichen Monopole. Doch gibt es auch kein klares Bild über die Einbettung der Partei. Staatsbeamte Presse 4 in der Hauptstadt, 16 auf dem Lande[67] mehr als 40% liest K Zeitung Bauern-Wochenblatt mehr als die anderen insgesamt Kino 230 aus den 400[68] Sport: die besten Sportler sind K - K ist die Mehrheit des obersten Sportrats Fußballclub Vasas < Torpedo[69] Unterricht 6 Monate lang, 3-2, 3 Wochen lang, 100.000[70]; Literatur Wo sind wir schwach Jugendlichen, nicht gelungen[71] Frauen, 100-98 = 100-138[72] Konsumgenossenschaft Fehler = [...] neben Regierung und Staat vergessen wir die Partei wenn wir die Aufmerksamkeit auf eine Sache konzentrieren, bei anderer Front ist das Problem Einheitsfront = von oben her Isolierung von den anderen Parteien, Es gibt wenig große Perspektive, vor Bäumen, den täglichen Aufgaben sieht man den Wald nicht Wir machen keinen Fortschritt in der Theorie = der Zusammenschluß der 9 Parteien ist auch deswegen gut Wie wir mit den anderen Parteien = linke Fraktion. K - K Sympathisanten, anständige Demokraten Zunächst Vereinbarung mit S.D. + mit Bauernpartei danach mit der Partei der Kleinlandwirte bei S.D. manchmal umgekehrt unmittelbare Beeinflussung, wöchentliches Treffen, Einladung. Massenmobilisierung 7.3.1946[73] 6.9.1947 = 300.000 Leute[74] Jackó Verhandlung 3.000 Arbeiter[75] Er hat große Autorität Er ist ernst, er kann gut arbeiten, ehrlich + man hat Angst vor ihm Wir üben uns darin langsam ein + Stalin + 9 Parteien Es wird Schwierigkeiten geben, aber wir sind eine Partei, die sie bewältigen wird. Richtung Soz. HU PIL 274 f. 7 / 123. Skizze |
[1] Rákosi, Mátyás
(1892-1971) kommunistischer Politiker. Seit 1910 war er tätig in der
Arbeiterbewegung, während des ersten Weltkrieges trat er in russischer
Kriegsgefangenschaft in die bolschewistische Partei ein. 1918 kehrte er
zurück, war Gründungsmitglied der KMP (Partei der Ungarischen
Kommunisten). 1921 Emigration, 1924 illegale Heimkehr, Mitbeteiligung an der
Neuorganisierung der KMP. 1925 Verhaftung und Verurteilung zu
achteinhalbjähriger Haft, 1934 Verschärfung des Urteils auf
lebenslängliche Haft. 1940 Auslieferung an die Sowjetunion. Januar 1945
Heimkehr, bis Juli 1956 General- bzw. erster Sekretär der Zentralleitung
(ZL) der MKP (Kommunistische Partei Ungarns, KPU), später der MDP (Partei
der Ungarischen Werktätigen). Zwischen 1945 und 1952 stellvertretender
Ministerpräsident, 1952-53 Präsident des Ministerrates.
Anschließend abgesetzt und von jeglicher Parteiarbeit entbunden. Seit
1956 lebte er in der Sowjetunion, weil ihm die Rückkehr nach Ungarn bis zu
seinem Tode verboten war. [2] Die Bezeichnung "Keil" drückt die aktuelle Angst der ungarischen Kommunisten aus, daß das Land - wie sie auf der Kominform-Gründung in Szklarska Porba formulierten - ein angelsächsischer Keil in der slawisch dominierten Region werden könne. [Vgl. Izsák, Lajos; Kun, Miklós: Moszkvának jelentjük. Titkos dokumentumok 1944-1948. (Wir berichten an Moskau. Geheime Dokumente 1944-1948.) Budapest 1994. S.230.] [3] Ungarns Territorium: 93.000 km2, Bevölkerungszahl: 9.200.000, Bevölkerungsdichte 98,9 Kopf/km2; Länge des Eisenbahnnetzes: 8.300 km. Nach dem zweiten Weltkrieg blieben im Land nur 205 funktionsfähige Dampflokomotiven und 4.900 Eisenbahnwaggons. Gliederung der Bevölkerung nach Beschäftigung: 49,8% arbeiteten in der Landwirtschaft, 21,8% in der Industrie und 28,4% in anderen Wirtschaftszweigen. Nach der Volkszählung im Jahre 1949 war die Zahl der Budapester Bevölkerung 1.590.000. [4] Die Revision der Klassenverhältnisse wurde durch die Neuverteilung der Güter erzielt: 1946 gingen die Großbetriebe, 1947 die Großbanken in Volkseigentum über. Die Bodenreform von 17. März 1945 verursachte aber noch tiefgründigere Veränderungen in der Gesellschaft. Vor dem Krieg gehörten etwa 30% des Bodens im Land wenigen Großgrundbesitzern, wie z.B. der katholischen Kirche, Graf Esterházy, Graf Festetics, usw. Nach der Bodenreform wurde auf dem Lande die Schicht der Kleinbesitzer dominant. [5] Auf der Kominform-Tagung wurde den ungarischen Kommunisten vorgeworfen, daß sie die Existenz anderer Parteien noch immer duldeten. Nun war Rákosi bereits in der Lage zu berichten, daß die oppositionellen Parteien sich in hoffnungsloser Situation befänden und die Verwirklichung des Einparteiensystems kurz bevorstehe. [6] Adolf Hitler empfing am 18. März 1944 Reichsverweser Miklós Horthy in Klessheim und teilte ihm mit, daß deutsche Truppen Ungarn besetzen werden. In der Tat marschierten die Deutschen noch am selben Tag in das Land ein. Hitler ernannte Edmund Weesenmayer zum bevollmächtigten Reichskommissar Ungarns. Horthy - den deutschen Forderungen folgend - bestellte den Berliner Botschafter Döme Sztójay zum Ministerpräsidenten. Die Judengesetze wurden verschärft, die Sozialdemokratische, die Kleinlandwirte- und mehrere bürgerlichen Parteien verboten. Am 15. Mai 1944 begann das Versammeln der Juden in Ghettos und danach die Deportation in KZ-Lager. Am 23. August 1944 brach die Rote Armee die rumänische Front durch und zwei Tage später erklärte Rumänien Deutschland den Krieg. Auf diese Nachricht hin setzte Horthy den deutschfreundlichen Sztójay ab und ernannte seinen Vertrauensmann Géza Lakatos zum Ministerpräsidenten. Am 22. September flog eine ungarische Deputation nach Italien, um dort mit den Verbündeten über einen eventuellen Waffenstillstand zu verhandeln. Die Verbündeten schlugen ihnen eine Kontaktaufnahme mit der Sowjetunion vor. Am 28. September fuhr tatsächlich eine Delegation nach Moskau mit dem Waffenstillstandsangebot und am 15. Oktober proklamierte Horthy im Rundfunk den Waffenstillstand mit der Sowjetunion. [7] Szálasi, Ferenc (1897 - 1846) Berufssoldat. Seit 1925 diente er bei dem Generalstab als Hauptmann, 1935 wurde er als Major in den Ruhestand versetzt; Von diesem Jahr an Leiter der Partei des Nationalen Willens, seit 1940 Parteichef der Pfeilkreuzler. 1937 Verhaftung, bis 1940 war er im Gefängnis. Nach der mißlungenen Waffenstillstands-proklamation von Horthy hat ihn der Reichsverweser auf deutschen Druck am 16. Oktober 1944 zum Ministerpräsidenten ernannt. Das Volksgericht hat ihn 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt; am 12. März 1946 wurde er hingerichtet. [8] Die Kriegsschäden beliefen sich auf etwa 40% des Nationalvermögens. Die Menscheverluste Ungarns im Krieg betrugen ungefähr 900.000 und die Zahl der Kriegsgefangenen wird auf etwa 600.000 geschätzt. [vgl. Stark, Tamás: Magyarország második világháborús embervesztesége. (Blutverlust Ungarns im Zweiten Weltkrieg.) Budapest 1989. S.80). Die Rote Armee betrat am 23. September 1944 ungarisches Gebiet und die letzten deutschen Einheiten verließen das Land am 13. April 1945. [9] In der ostungarischen Großstadt Debrecen (befreit durch die Rote Armee am 19. Oktober 1944) wurde aufgrund der im befreiten Landesteil (etwa in 50 Ortschaften) gehaltenen "Wahlen" am 21. Dezember 1944 die Provisorische Nationalversammlung gegründet. [10] Die Ungarische Nationale Unabhängigkeitsfront wurde am 2. Dezember 1944 im südostungarischen Szeged gegründet. Die oppositionellen Parteien des Horthy-Systems haben die Front gebildet - die Vertreter der Kommunistischen Partei Ungarns, der Partei der Kleinlandwirte, der Nationalen Bauernpartei, der Sozialdemokratischen Partei, sowie die der Gewerkschaften. Das Aktionsprogramm der Front basierte eigentlich auf dem Programm der KP. Als Ziel wurde darin die Einberufung der Verfassunggebende Nationalversammlung und die Bildung einer provisorischen Regierung benannt. [11] Auf den befreiten Gebieten des Landes, in den Städten, Dörfen bildeten sich Volks- oder Nationale Ausschüsse, die die örtliche Verwaltung übernahmen. Sie standen meist unter linkem Einfluß. Nach der vollständigen Befreiung des Landes lösten die im Rahmen der alten Verwaltung funktionierenden, aber ihrer Zusammensetzung nach völlig demokratischen Selbstverwaltungen langsam die Nationalen Ausschüsse ab. [12] Es handelt sich um die Parteien in der Ungarischen Nationalen Unabhängigkeitsfront. K - MKP. (Mitgliederzahl Mitte 1945 etwa 150.000); S.D. - Sozialdemokratische Partei; (Mitgliederzahl Mitte 1945 zirka 350 - 400.000); Kleinlandwirte - Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte (Rákosi weist auf die bürgerliche Zusammensetzung der Kleinlandwirte hin, die negativ bezeichnet wird. Mitgliederzahl der Partei Mitte 1945 zirka 900.000); Nationale B.P. - Nationale Bauernpartei (Mitgliederzahl Mitte 1945 etwa 170.000). [13] Die Bevölkerung hegte nach 1945 großen Argwohn gegen die Kommunisten. Sie konnten auch deshalb nicht einmal gegen die Kräfte, die sie als "reaktionär" bezeichneten, mit eiserner Hand auftreten. [14] Am Tag nach der Gründung der Provisorischen Nationalversammlung (22. Dez. 1944) trat die Provisorische Nationale Regierung zusammen. Ihre wichtigsten Anordnungen: Kriegserklärung an Deutschland, Waffenstillstand mit der Sowjetunion, Verbot rechtsextremistischer Parteien, Organisationen und Presse, sowie Bodenreform. [15] In Westungarn hielt der Krieg noch an, als die Provisorische Regierung am 17. März 1945 die Verordnung Nr. 600/1945. über die Bodenreform verabschiedete. Alle Grundstücke von Kriegsverbrechern, Pfeilkreuzlern, nationalsozialistischen Führern und Volksbundmitgliedern wurden beschlagnahmt, alle Großgrundbesitzer wurden enteignet. [16] Die am 7. Oktober in Budapest stattgefundenen Kommunalwahlen stellten eine Art Generalprobe für die ersten Parlamentswahlen nach dem Krieg dar. Die beiden Parteien der Arbeiterschaft der Hauptstadt, die SzDP und die KPU hatten eine gemeinsame Liste. Sie erreichten zusammen 42,7%. Die kommunistische Parteiführung interpretierte dieses Ergebnis als Mißerfolg und machte dafür die SzDP verantwortlich. Bei den Parlamentswahlen stellten die Parteien bereits eine eigene Liste. [17] Die Wahlen zur Nationalversammlung fanden am 4. November 1945 statt. Die Beteiligung war außerordentlich hoch, 92,4% der Wahlberechtigten (4.774.653 Bürger) gaben ihre Stimme ab (die Zahl der gültigen Stimmen war 4.730.409). Bilanz der Wahlen: ParteiStimmenzahlVerhältnis im ProzentPartei der Unabhängigen Kleinlandwirte 2 697 50857,03Sozialdemokratische Partei823 31417,41Kommunistische Partei Ungarns802 12216,95Nationale Bauernpartei325 2846,87Bürgerliche Demokratische Partei76 4241,62Ungarische Radikale Partei5 7570,12Quelle: Horváth, Csaba: Magyarország 1944-töl napjainkig.[Ungarn von 1944 bis heute]. Pécs 1995. S. 31. [18] In Ostmitteleuropa fanden nach dem Krieg die ungarischen Wahlen am frühesten statt. Daraus kam die kommunistische Partei als drittstärkste hervor und laut des Koalitionsabkommens erhielt sie auch wichtige Regierungsämter. 1919 war Ungarn das erste Land im damaligen Europa, in dem das russische Rätemodell nachgeahmt wurde. [19] Als Ergebnis der Wahlen von 1945 hätte die Partei der Kleinlandwirte allein eine Regierung bilden können, es wurde jedoch eine Koalitionsregierung gebildet. Rákosi schrieb darüber so: "Genosse Stalin hat uns geraten, daß wir uns bei der Zusammenstellung der neuen Regierung das Inneninisterium fordern, darüber hinaus sollten ich und Szakasits stellvertretende Ministerpräsidenten werden..." Vgl. Mátyás Rákosi: Erinnerungen. I. Budapest 1997. S.225. [Árpád Szakasits (1888-1965) war sozialdemokratischer Politiker. Zwischen 1938 und 1942 Generalsekretär der Ungarischen Sozialdemokratischen Partei. Nach den Wahlen von 1945 stellvertr. Ministerpräsident. 1948-49 Staatspräsident, danach Präsident des Präsidialrates. Nach der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien (1948) Mitglied der Zentralleitung der Partei der Ungarischen Werktätigen und des Politbüros, Präsident der Partei. 1950 wurde er verhaftet und verurteilt, 1956 rehabilitiert. Seit 1958 Präsident des Landesverbandes der Ungarischen Journalisten, des Weltbundes der Ungarn und des Landesfriedensrates. [20] Nach den Wahlen verabschiedete das Parlament schnell das Gesetz über die Republik. Die Errichtung der Republik schlug die SzDP vor, wurde aber auch von den anderen Parteien unterstützt. Das Parlament wählte Zoltán Tildy, den bisherigen Ministerpräsidenten am 1. Februar 1946 zum Staatspräsidenten der Ungarischen Republik. [Tildy (1889-1961) war reformierter Priester, Gründungsmitglied der Partei der Unabh. Kleinlandwirte, seit 1943 Parteichef. Zwischen 1933 und 1944 Abgeordneter im Parlament. Seit dem 15. November 1945 Ministerpräsident. Von 1. Februar 1946 bis 3. August 1948 Staatspräsident. 1949-1956 war er im Hausarrest, zwischen 27. Oktober und 4. November 1956 - Staatsminister in der Imre-Nagy-Regierung. Von 1956 bis 1959 war er im Gefängnis.] Zum neuen Ministerpräsidenten wurde Ferenc Nagy ernannt. [(1903-1979), Politiker der Partei der Kleinlandwirte, 1938-45 Chefsekretär, später Vorsitzender der Partei. Nach Mai 1945 - Minister für Wiederaufbau in der Provisorischen Nationalen Regierung. 1946-47 Ministerpräsident. Am 2. Juni 1947 setzte man ihn während einer Auslandsreise ab. Er kehrte nie mehr nach Ungarn zurück. [21] Im Interesse der Sicherheit der Republik verabschiedete das Parlament den Gesetzartikel VII/1946 (am 12.3.1946) über die Sicherheit der demokratischen Staatsordnung und den strafrechtlichen Schutz der Republik. Die im Volksmund nur als "Henkergesetz" genannte Verordnung wurde von den Kommunisten zur Gleichschaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft ausgenutzt. Am 11. März gab die Kleinlandwirtepartei dem Druck nach und schloß 23 Abgeordnete aus der Partei aus. [22] Die KPU arbeitete das Stabilisationsprogramm aus. Am 24. November wurde der Wirtschaftsgeneralrat (mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze) errichtet, dessen Hauptaufgabe die Lenkung des Wirtschaftslebens war. Die Inflation wollte man aus eigener Kraft beseitigen. Zum Erfolg des Pogramms trugen auch der Aufschub der Reparationszahlungen an die Sowjetunion und die nach dem Abzug der "Bearbeitungs-kosten" erfolgte Rückgabe der nach Deutschland verschleppten Goldreserven der Ungarischen Nationalbank im Wert von 40 Mio. Dollar durch die USA bei. Der am 1. August 1946 eingeführte Forint setzte der Hyperinflation ein Ende. [23] Die Staatssicherheitsdienstabteilung (ÁVO) der Polizei und die Militärpolitische Abteilung der Armee ermittelten aufgrund des "Henkergesetzes" nach republikfeindlichen Tätigkeiten. Durch erpreßte falsche Geständnisse wurde gegen den Generalsekretär der Kleinlandwirtepartei, Béla Kovács, später sogar gegen den Ministerpräsidenten Ferenc Nagy ermittelt. Die Immunität von Béla Kovács als Parlamentsmitglied ermöglichte die Einleitung des Verfahrens theoretisch nicht, und auch das Parlament hob seine Immunität nicht auf. Sowjetische Militärbehörden vehafteten ihn am 25. Februar 1947 und verschleppten ihn in die Sowjetunion, von wo er erst 1956 schwerkrank zurückkehrte. Bis Frühling 1947 verlor Ferenc Nagy seinen Einfluß und Autorität sowohl in seiner eigenen Partei als auch im politischen Leben. Nach der Entlarvung der "Verschwörung" traten 50 Abgeordnete aus der Kleinlandwirtepartei aus. Rákosi rief am 28. Mai 1947 in Kenntnis des "Untersuchungsmaterials" Ferenc Nagy - der eben in der Schweiz Urlaub machte - auf, zurückzukehren und sich der Untersuchung zu stellen. Nagy unterschrieb am 30. Mai seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten, kehrte aber nicht mehr nach Ungarn zurück. [24] Die zweiten Wahlen nach 1945 fanden am 31. August 1947 statt. [25] In der SzDP gab es zwei Flügel. Neben den "Linken" vertraten auch die "Rechten" beträchtliche Kräfte. Eine der Hauptfiguren der letzteren war Anna Kéthly (1889-1976). [Sie war von 1922 bis 1948 Mitglied der Landesführung der Partei und des Parlaments. 1950 wurde sie gesetzwidrig verhaftet und zwischen 1954 und 1956 im Hausarrest gehalten. Nach der Neugründung der SzDP am 31.9.1956 Präsidentin der Partei, seit 3. November Staatsministerin. Nach der Niederschlagung der Revolution von 1956 flüchtete sie ins Ausland.] Die Rechten der SzDP kritisierten von Anfang an kräftig die antidemokratischen Bestrebungen der Kommunisten. [26] Die Parteien der Koalition (Kommunisten, Sozialdemokraten, Kleinlandwirte und die Bauernpartei) gründeten am 29. Juli 1947 ein Wahlbündnis. [27] Bei den Wahlen kam es zu schwerem Wahlbetrug. Vorerst wurden etwa 10% der Wahlberechtigten - ausschließlich oppositionelle Wähler - von den Wahlen ausgeschlossen. Die KP hatte etwa 18,5% der auf sie abgegebenen Stimmen dem Mißbrauch mit den sog. "blauen Zetteln" zu verdanken: Es wurden falsche Stimmzetteln gedruckt, mit denen ein Wähler in mehreren Ortschaften wählen konnte. Neben Anna Kéthly zweifelten auch andere SzDP Führer die Gesetzmäßigkeit der Wahlen an. Als Zeichen des Protestes betraten die sozialdemokratischen Minister ihr Büro nicht. [28] Das Ergebnis der Parlamentswahlen von 1947 [die oppositionellen Parteien sind kursiv gesetzt - Cs. Sz]: ParteienStimmenzahlVerhältnis der Stimmen (%)MandatenzahlKommunistische Partei Ungarns1 113 05022,3100Demokratische Volkspartei820 45316,460Unabhängige Kleinlandwirtepartei769 76315,468Sozialdemokratische Partei Ungarische Unabhängigkeitspartei744 641 670 54714,9 13,467 49Nationale Bauernpartei415 4658,336Unabhängige Ungarische Demokratische Partei260 4205,218Ungarische Radikale Partei84 1691,76Christliche Frauenvereinigung69 5361,44Bürgerliche Demokratische Partei50 2940,73Quelle: Horváth, Csaba, S. 48. [29] István Barankovics (1906-1974) Journalist, katholischer Politiker. Seit 1943 Chefredakteur der Tageszeitung "Magyar Nemzet". Seit 1945 Generalsekretär der Demokratischen Volkspartei, nach den Wahlen von 1947 Parlamentsabgeordneter. 1949 emigrierte er in die USA. [30] Pfeiffer, Zoltán (1900-1981) Anwalt, Politiker der Kleinlandwirtepartei, seit 1931 Mitglied der Partei, seit 1945 Parlamentsabgeordneter. Nach dem linken Angriff gegen die Kleinlandwirtepartei - nachdem die Russen Béla Kovács verschleppt hatten, - trat er auf die Bitte Ferenc Nagys aus der Partei aus und gründete die Ungarische Unabhängigkeitspartei, in der er Präsident wurde. Pfeiffer emigrierte im November 1947. [31] Balogh, István (1894-1976) katholischer Priester. Über seine angeblichen Korruptions- und Frauenaffären sammelten die Kommunisten zahlreiche Angaben. 1944 Gründer und Präsident der Organisation der Kleinlandwirtepartei in Szeged. Als Staatssekretär des Ministerpräsidiums nahm er an der Vorbereitung der Provisorischen Nationalversammlung teil. Am 20. Januar 1945 beteiligte sich an den Friedensverhandlungen in Moskau; zwischen März und Juni 1947 Generalsekretär der Kleinlandwirtepartei, im Juli trat er aus der Partei aus und gründete die Unabhängige Ungarische Demokratische Partei (Balogh-Partei). Zwischen 1949 und 1951 Mitglied des Präsidialrates, nach 1951 wieder als Priester tätig. [32] Die Kommunistische Partei erzielte das beste Wahlergebnis im nordungarischen Industriezentrum, dem Komitat Nógrád und in dessen Hauptstadt Salgótarján. [33] Zu Groß-Budapest gehörten vor 1950 auch die Vororte der Hauptstadt. Ohne die Randstädte hatte Budapest nur 14 Bezirke. In Groß-Budapest bekamen die Kommunisten 261 000 Stimmen, und im kleineren Verwaltungsgebiet von Budapest 170 000 Stimmen. [34] 1945 stimmten in Budapest etwa 40 000 Wähler mehr für die Sozialdemokratische Partei als für die Kommunistische Partei Ungarns. 1947 war es umgekehrt. [35] Der Linke Block wurde am 5. März 1946 mit der Beteiligung der KPU, SzDP, Nat.Bauernpartei und der Gewerkschaften gegründet. Die Zahl 50% weist also auf das gemeinsam erzielte Ergebnis der drei Parteien und der Gewerkschaften bei den Wahlen von 1947 hin. [36] Auf der Ausschußsitzung der SzDP am 8. September 1947 schlugen einige Mitglieder den Austritt der Partei aus der Koalition vor. Auf der Vorstandssitzung der Kleinlandwirtepartei versuchte die Rechte der Partei ergebnislos, die Führung zu ergreifen. Der Ausschuß entschied für die Aufrechterhaltung der Koalition. [37] Die Abgeordneten der vier Parteien der Ungarischen Nationalen Unabhängigkeitsfront beschlossen auf der Sitzung am 18. September die Bildung einer Koalitionsregierung. [38] Um die Beziehungen zu Rumänien zu normalisieren schloß man das ungarisch-rumänische kulturelle Abkommen am 25. November 1947; zu der Unterzeichnung des Kooperations-, Freundschafts- und Beistandsvertrags kam es am 24. Januar 1948. Am 6. Dezember 1947 traf eine jugoslawische Regierungskommission mit Staatspräsidenten Josip Broz Tito an der Spitze in Budapest ein. Am 8. Dezember wurde der ungarisch - jugoslawische Kooperations- und Beistandsvertrag unterzeichnet. Am 15. Juli 1947 wurde der ungarisch - sowjetische Handelsvertrag geschlossen. [39] Die Vertreter Ungarns und der Tschechoslowakei unterzeichneten am 27. Februar 1946 in Budapest das Abkommen über einen Bevölkerungsaustausch. Laut Abkommen siedelten die tschechoslowakischen Behörden zwangsweise nur so viele Ungarn aus, wie Slowaken freiwillig Ungarn verließen. Am 17. Juni selben Jahres wurde in der Tschechoslowakei die "Reslowakisierungsmaßnahme" des Slowakischen Nationalrates kundgemacht. Die ungarische Bevölkerung in der Slowakei wurde aufgefordert, die Genehmigung der "Rückkehr in das slowakische Volk" schriftlich zu beantragen. Die ungarische Regierung protestierte bei dem Außenministerrat der Verbündeten gegen die Verordnung (28. Juni). Nach dem 19. November begann die Deportation der ungarischen Bevölkerung aus der Großen Schütt-Insel (Südwestslowakei) in das Sudetenland in Tschechien. Diese Zwangsumsiedlung dauerte bis zum 25. Februar 1947. Zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei hörten die Um- und Aussiedlungen erst am 10. April 1948 auf, und betrafen etwa 200.000 Menschen. [40] Pauker, Anna (1893-1960) kommunistische Politikerin in Rumänien. 1935-36 Mitglied des ZK der KPR, 1936 Verhaftung, 1940 Freilassung und Emigration in die Sowjetunion, Mitarbeiterin des Komintern. 1944 Rückkehr nach Rumänien, Mitgliedschaft im PB der KP. Außenministerin zwischen 1947 und 1952. 1952 wegen Verletzung der kollektiven Führung, Fraktionsbildung und rechter Abweichung Auschluß aus der Partei. Zwischen 22. und 27. September 1947 wurde das Informationsbüro der Kommunistischen- und Arbeiterparteien (Kominform) in Szklarska Porba in Polen durch die KPs der Sowjetunion, Jugoslawiens, der Tschechoslowakei, Rumäniens, Ungarns, Bulgariens und der polnischen Gastgeber, sowie durch die französischen und die italienischen Kommunisten gegründet. Belgrad wurde zum Sitz des Kominform gewählt. Die jugoslawischen Kommunisten standen noch in größtem Ansehen in Osteuropa. [41] Zwischen 9. und 18. April 1946 verhandelte eine ungarische Regierungsdelegation (ohne Rákosi) in Moskau. Die Reparationen wurden umgeschuldet und auch eine Untersuchung der Frage der ungarischen Kriegsgefangenen wurde versprochen. Zwischen 8. und 25. Juni nahm auch Rákosi in der Vertretung der Ungarischen Regierung an den Verhandlungen in den USA und England teil, die in erster Linie wirtschaftlicher Natur waren. [42] Nach den schlechten Ernten 1945 und besonders 1946 erwartete die Regierung für 1947 endlich eine gute Ernte, und plante demgemäß eine Linderung der Belastung der Bauern. Nachdem aber infolge einer Dürreperiode die Ernte wieder schlecht geworden war, setzte man noch strengere Maßnahmen in Kraft. [43] Nach dem Abschluß der Verstaatlichungen war 90% der Industrie tatsächlich in der Hand des Parteienstaates. [44] Vgl. Anm. 36. [45] Vgl. Anm. 30. [46] Das Parlament verabschiedete am 21. November 1947 den Gesetzartikel XXX/1947. über die Verstaatlichung der Banken. Vor dem Krieg hielten die verstaatlichten Banken 72% des Gesamtkapitals der Geldinstitute und mehr als 60% des industriellen Aktienkapitals unter ihrer Kontrolle. Ende 1947 entsprach die Angabe Rákosis der Realität. (Vgl. Petö, Iván; Szakács, Sándor: A hazai gazdaság négy évtizedének története 1945-1985. I. Az újjáépítés és a tervutasításos irányítás idöszaka. [Die Geschichte der vier Jahrzehnte der ungarischen Wirtschaft. Bd. I. Der Wiederaufbau und die Periode der Planwirtschaft]. Budapest 1985. S. 95). [47] Bereits am 8. April 1946 wurde ein Bauxitabkommen geschlossen und Anfang Juni errichtete man die Ungarisch-Sowjetische Bauxit-Aluminium AG. Die Verstaatlichung wurde am 29. April 1948 abgeschlossen, als das Parlament das Nationalisierungsgesetz XXV/1948. über die Verstaatlichung von Betrieben mit mehr als hundert Mitarbeitern verabschiedete. Danach ging in Ungarn der Großteil der Industrie in staatlichen Besitz über. [48] Die politische Zusammenarbeit der beiden Arbeiterparteien (SzDP und KPU) war immer enger geworden. Der 36. Kongreß der SzDP vom 5.-7. März 1948 war ein Meilenstein auf dem Weg zur Vereinigung, wobei die rechte Flügel der Partei verurteilt und aus der Partei ausgeschlossen wurde. Der Kongreß erteilte darüber hinaus der Parteiführung die Befugnis, Verhandlungen mit der KP über die Errichtung einer einheitlichen Arbeiterpartei zu beginnen. Am 10. März wurde in der Kontaktkommission der beiden Parteien der Beschluß gefaßt, daß die Vereinigung bis zum 1. Juli durchgesetzt werden sollte. Der erste Kongreß der Partei der Ungarischen Werktätigen (PdUW) wurde zwischen 12-14. gehalten. Generalsekretär der neuen Partei wurde Mátyás Rákosi. [49] Am 10. Januar 1948, auf der Tagung der Budapester Funktionäre der KPU kündigte Rákosi an, daß "der kirchlichen Reaktion" ein Ende gemacht werden müsse. Zu Barankovics vgl. Anm. 30 [50] Die Wiedervereinigung der 1945 verteilten Grundstücke in Produktionsgenossenschaften tauchte erstmals konkret im August 1948 auf. Die Verordnungen vom Dezember 1948 zeigten bereits ganz offen, daß die KP in der Landwirtschaft das sowjetische und bulgarische Genossenschaftsmodell einführen wollte. Die massenhafte, gewaltsame Bildung von Produktionsgenossenschaften nahm im Herbst 1949 ihren Anfang. Über den Dreijahresplan entschied der Gesetzartikel XVII/1947. Der Plan, der vornehmlich von politischer Bedeutung war, enthielt zunächst gemäßigte Ziele. [51] Die wirtschaftliche Exekutivgewalt vereinigte sich nach 1945 in den Händen des Spitzenorgans der kommunistischen Wirtschaftspolitik, des Wirtschaftlichen Generalrats. Es ist ein charakteristisches Beispiel, daß das Recht auf Bewilligung des Budgets dem Parlament völlig aus den Händen glitt. Laut des am 10. Februar in Paris unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens sollte Ungarn 300 Million Dollar Reparation zahlen - an die Sowjetunion (200 Mio), an Jugoslawien (70 Mio) und an die Tschechoslowakei (30 Mio). Die Betonung der präzisen Reparationszahlungen hielt Rákosi deshalb für wichtig, da die KPU-Führung von sowjetischer Seite sogar des Nationalismus beschuldigt worden war, als sie in Hinsicht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Reparationen zu annullieren suchte. [52] Kádár, János (1912-1989) kommunistischer Politiker. Seit 1932 Generalsekretär der kommunistischen Jugendorganisation. Zwischen 1937 und 1940 saß er im Gefängnis. Nach 1942 Mitglied des ZK, seit 1943 Sekretär des ZK. Nach dem Krieg kam er ins Politbüro, stellv. Generalsekretär der KPU. Seit 1948 Innenminister, organisierte die Verhaftung und Verurteilung vom Kardinalprimas Mindszenty und László Rajk. 1951 Verhaftung wegen Titoismus und Verrat. In der Revolution von 1956 stand er anfangs an der Seite Imre Nagys, dann rief er die Rote Armee zur Hilfe und bildete eine Gegenregierung. Zweimal war er Ministerpräsident: zwischen 1956-58 und 1961-65. Zwischen 1956 und 1988 erster Sekretär der KPU. [53] Viharsarok ("Windloch") genannt ist die südöstliche Region Ungarns, die bereits in der Zwischenkriegszeit wegen ihrer Agrarbewegungen bekannt war. [54] Kossa, István (1904-1965) kommunistischer Politiker. Seit 1923 Mitglied der SzDP. 1942 geriet in russische Gefangenschaft, absolvierte die Schule der antifaschistischen Kriegsgefangenen. Zwischen 1945 und 1948 Generalsekretär des Gewerkschaftsrates. Der ehemalige Straßenbahnschaffner leitete nach 1948 mehrere Ministerien (Finanz-, Hüttenwerk- und Maschinenbau-, Postministerium). [55] Es geht um die zweite Dinnyés-Regierung (24. Sept. 1947 - 5. Aug.1948). Vgl. Anm. 73. Aus den 15 Ministern - samt Rákosi als stellv. Ministerpräsidenten - waren fünf Kommunisten in der Regierung. Gerö, Ernö (1898-1980) schaltete sich 1919 in die Arbeit der KP ein. Nach der Zeit der Räterepublik lebte in Wien und Bukarest, 1922 kehrte illegal nach Ungarn zurück; Verhaftung und Verurteilung zu 15 Jahren Gefängnis, 1924 jedoch Freilassung und Emigration in die Sowjetunion durch einen Gefangenenaustausch. In den 30-er Jahren arbeitete in zahlreichen europäischen Ländern als Komintern-Beauftragter; nahm an dem Bürgerkrieg in Spanien teil. Nach 1945 Minister für Handel und Verkehr in der Provisorischen Nationalregierung, bis 1949 Verkehrsminister, 1948-49 gleichzeitig auch Finanzminister. 1953-54 Innenminister, bis 1956 stellv. Präsident des Ministerrates, vom Juli bis 25. Oktober 1956 erster Sekretär der KP. Von 1956 bis 1960 lebte in der Sowjetunion, 1962 Ausschluß aus der USAP. Rajk, László (1909-1949) kommunistischer Politiker. Mitglied der KPU seit 1931. Zwischen 1937 und 1939 politischer Kommissar der ungarischen Abteilung der Internationalen Brigade in Spanien, bis 1941 interniert in Frankreich. Auf Parteianweisung kehrte nach Ungarn zurück, wo er im gleichen Jahr verhaftet wird. Nach dem Krieg Mitglied der ZL der KPU und des PB. Innenminister, 1948 Außenminister. Anfang Juni 1949 Verhaftung und Todesurteil in einem Schauprozeß, Hinrichtung am 15. Oktober. Rehabilitierung 1956. Molnár, Erik (1894-1966) Historiker, kommunistischer Politiker. Von 1924 bis 1944 Anwalt, bis 1947 Wohlfahrtsminister, 1948 Außenminister, (auch 1952-53), 1950-52 und 1954-56 Justizminister. Social'noje obespeenie [soziale Versorgung]. Olt, Károly (1904-1985) Seit 1946 Mitglied der ZL der KPU bzw. der PdUW. Wohlfahrtsminister zwischen 1947 und 1949, Finanzminister von 1950 bis 1956. [56] Nagy, Imre (1896-1958) kommunistischer Politiker. Im ersten Weltkrieg geriet in rus-sische Gefangenschaft. Arbeit bei dem Internationalen Agrarinstitut in Moskau; nach 1944 Rückkehr nach Ungarn mit der Roten Armee. Mitglied des ZK und des PB. Landwirtschaftsminister (1944), Innenminister (1945-46), Parlamentspräsident (1947-49), stellv. Ministerpräsident (1952), Ministerpräsident (1953). Absetzung wegen "weicher Linie", Ausschluß aus der PdUW. Während der Revolution von 1956 wieder Ministerpräsident. Nagy erklärte Ungarns Austritt aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität des Landes. Nach der Niederwerfung des Aufstandes verhaftet, geheime Hinrichtung 1958. [57] Bis 1950 basierte die Landesverwaltung auf den sog. Obergespannschaften. Laut dieser Angabe konnten 10 aus den 28 Obergespanen KPU-Mitglieder sein. [58] Nach den Wahlen von 1945 errichtete die KPU eine zentrale wirtschaftliche Organisation - den Wirtschaftlichen Generalrat (5. Dezember 1945). Die Mitglieder des Generalrates waren der Ministerpräsident, der Verkehrsminister und der Wirtschaftsminister. Die organisatorische Arbeit wurde in Wirklichkeit durch das Sekretariat geführt, an dessen Spitze Zoltán Vas stand. [59] Berei, Andor (1900-1979) Nationalökonom, kommunistischer Politiker. 1921 wurde er zu 15 Jahren verurteilt, aber durch einen Gefangenenaustausch 1922 kam in die Sowjetunion, wo er an der Internationalen Lenin-Schule und beim Komintern arbeitete. 1934-36 Tätigkeit in der kommunistischen Bewegung Belgiens, seit 1947 Generalsekretär des Planungsamtes; Nach 1948 Staatssekretär, später stellv. Außenminister. Zwischen 1954 und 1956 Präsident des Planungsamtes. [60] Domokos, József (1890-19??) Jurist, seit 1913 in der Arbeiterbewegung tätig. 1922-25 Emigration in Wien, Mitarbeiter der Wiener Ungarischer Zeitung. 1945-53 Oberstaatsanwalt, 1954-58 Präsident des Obersten Gerichtes. [61] Vom Sommer 1948 an sind sämtliche Botschafter Mitglieder der KP. [62] Im damaligen Ungarn gab es 26 Verwaltungseinheiten, Komitate. [63] Viele Polizisten sowie die ganze Führung der Polizei rekrutierten sie aus den Reihen der KP. [64] Russisch: politische Aufklärung (Rákosi dürfte hier auf die militärpolitische Abteilung der Armee hindeuten, die anfangs größere Erfolge im Kampf gegen die "Reaktion" errang als die Staatssicherheitsdienstabteilung der Polizei - ÁVO). [65] Russisch: politischer Unterricht. [66] Obwohl es den Kommunisten zunächst nicht gelang, die Führung der Armee an sich zu reißen, konnten sie dennoch wichtige Posten in der Leitung erhalten. Auf Péter Veres wollte Rákosi deswegen hinweisen, da der Bauernpartei-Angehörige Veres als linker, kommunistenfreundlicher Politiker das Kriegsministerium in der Dinnyés-Regierung leitete. Dinnyés, Lajos (1901-1960) Politiker der Kleinlandwirtepartei. Seit 1931 Mitglieder des Parlaments, später der Provisorischen Nationalversammlung. Zwischen März und September 1947 Kriegsminister. Von 31. Mai bis 10. Dezember 1948 Ministerpräsident. Veres, Péter (1897-1970) Mitbegründer der Nationalen Bauernpartei, von 1945 an bis zu seinem Tode Parlamentsabgeordneter. Zweimal Minister: März-September 1947 Minister für Wiederaufbau und Gemeinwerk, von September 1947 bis November 1948 Kriegsminister. Danach zog er sich aus der Politik zurück und war als Schriftsteller tätig. [67] Die KP hatte damals 4 täglich erscheinende Zentralorgane [Szabad Nép (Freies Volk), Szabadság (Freiheit), Magyar Nép (Ungarisches Volk) und Friss Újság (Frische Zeitung)] mit insgesamt 270.000 Exemplaren, und 16 regionale Zeitungen für die einzelnen Komitate. [68] Im Besitz der kommunistisch geleiteten Firma "MAFIRT" gab es 230 Kinos. [69] Vasas Sport Club wurde 1911 mit dem Namen "Sport Club der Eisen- und Metallarbeiter" gegründet, nahm 1942 den Namen "Kinizsi" auf, 1945-1956 funktionierte als "Budapester Vasas Sportverein". Bis heute eine der populärsten Fußballmannschaften des Landes. Neben dem Fußball hat der Verein Turnen-, Wasserball- und Athletikabteilung. Torpedo Moskau war die Fußballmannschaft der Gewerkschaft der Stalin Autofabrik. Zwischen 24. und 19. August 1947 spielte die Moskauer Fußballmannschaft dreimal in Ungarn, auch gegen Vasas. Die Ungarnreise von Torpedo Moskau war ein großer sportdiplomatischer Erfolg. [70] Es geht um die Heranbildung kommunistischer Kader. Die KPU organisierte in allen Komitaten dreiwöchige Kurse, dreimonatige Schulen, und an der Zentralen Parteischule konnten die jungen Kommunisten ein sechsmonatiges Seminar absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt besuchten etwa 100.000 Kommunisten die durch die Partei organisierten Lehrveranstaltungen. [71] Sowohl die KPU selbst, als auch die sowjetischen Berater waren mit der Jugendarbeit der Partei unzufrieden. In den aufgedeckten Verschwörerorganisationen war der Anteil der Jugendlichen hoch, so waren viele Parteiführer mißtrauisch der Jugend gegenüber oder hatten einfach Angst vor ihr. Rákosi war vor den Wahlen von 1947 deshalb bemüht, die Altersgrenze der Wählbarkeit von 20 auf 24 Jahre zu erhöhen, der Widerstand der Sozialdemokraten vereitelte aber seine Bestrebung. [72] Die kommunistische Propaganda war unter den Frauen ebenso erfolglos: Auf 100 Männerstimmen kamen 98 Frauenstimmen bei der KP, bei der Barankovics-Partei hingegen war es anders: 100 Männer- 138 Frauenstimmen. Eine Ursache dafür, daß viele Frauen - in erster Linie auf dem Lande - unter dem Einfluß des katholischen Klerus standen. [73] An diesem Tag organisierten die KPU, SzDP, Nat. Bauernpartei und die Gewerkschaften auf dem Budapester Hösök tere (Heldenplatz) eine gemeinsame Massendemonstration mit hunderttausend Teilnehmern. Es wurde die Entfernung "reaktionärer Elemente" aus der Kleinlandwirtepartei gefordert. [74] An diesem Tag fand eine prokommunistische Massendemonstration mit mehreren hunderttausend Mann auf dem Heldenplatz statt. [75] Jaczkó, Päl (1916- ) Jurist, Politiker der Kleilandwirtepartei seit 1944. Am 15. Januar 1947 wurde er aus der Partei ausgeschlossen, verhaftet und in einem Schauprozeß zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Während des Prozesses fanden große Arbeiterdemonstrationen statt. |