Lev Besymenski
 
Die sowjetisch-deutschen Verträge von 1939:
 
neue Dokumente[1]
 
Das Studium von I. V. Stalins persönlichem und dienstlichem Archiv, das sich in den Beständen des Archivs des Präsidenten der Russischen Föderation (AP RF) befindet, liefert nicht wenig Materialien, die mit der Vorgeschichte der sowjetisch-deutschen Abkommen von 1939 zusammenhängen. Aus diesen Dokumenten wird unter anderem klar, daß die Idee einer Normalisierung der sowjetisch-deutschen Beziehungen, die seit 1933 völlig darniederlagen, von Stalin seit langem gehegt worden war. Denn sonst ist der den Wissenschaftlern bisher unbekannte Beschluß des Politbüros des ZK der VKP(B) Nr. 67/187 vom 21. Januar 1939 nicht zu verstehen, der lautete: "Die Genossen Mikojan, L.M. Kaganovič, M.M. Kaganovič, Tevosjan, Sergeev, Vannikov und L'vov zu verpflichten, bis zum 24. Januar 1939 eine Liste von absolut notwendigen Werkzeugmaschinen und anderen Arten von Ausrüstungen, die im Rahmen eines deutschen Kredits in Auftrag gegeben werden könnten, vorzulegen."[2] Bedenkt man, daß die Rede von den Leitern von Volkskommissariaten war (L.M. Kaganovič stand dem Volkskommissariat für Verkehrswesen, M.M. Kaganovič dem für Flugzeugindustrie, I.F. Tevosjan dem für Schiffbauindustrie, I.P. Sergeev dem für Munition, B.L. Vannikov dem für Rüstungswesen und V.K. L'vov dem für Maschinenbau vor), so scheint es undenkbar, daß die für die UdSSR "absolut notwendigen" Ausrüstungen in Hitlerdeutschland bestellt werden sollten, wo doch die Konfrontation mit ihm ein Imperativ der sowjetischen Außenpolitik war. Welche realen Chancen konnte es zu Beginn des Jahres 1939 für die Ausführung der Aufträge geben, die für die Festigung der sowjetischen Landesverteidigung dermaßen notwendig waren? Noch dazu in Betrieben Deutschlands, eines Landes, das aktiv zur Entfesselung eines großen Krieges in Europa rüstete?
 
Antworten auf diese Fragen sind natürlich nicht nur im laufenden diplomatischen Briefwechsel von 1939 zu suchen, sondern in der historischen Eigentümlichkeit der sowjetisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen, die ihrerseits einen Bestandteil des ganzen Komplexes der Beziehungen zwischen der UdSSR und der kapitalistischen Welt darstellten. Dieser Komplex bildete sich in der spezifischen Situation der zwanziger Jahre heraus, da Sowjetrußland, das eben erst die Erschütterungen des Bürgerkriegs zu überwinden begann, in Handelsbeziehungen zum Ausland eine Möglichkeit für die Wiederherstellung seiner Wirtschaft sah. Die "Rapallo-Zeit" in den Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland ist ausführlich, wenn auch nicht bis zu Ende erforscht, und die Materialien aus den Archiven des Politbüros und des ZK-Sekretariats verdeutlichen, wie aufmerksam die Führung der kommunistischen Partei und des Sowjetstaates alle Nuancen in den politischen und wirtschaftlichen Kontakten zwischen Moskau und Berlin verfolgte. Davon zeugt auch die Tatsache, daß sich in Stalins persönlichem Archiv eine ausführliche Dokumentation befindet, die die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit der UdSSR mit Deutschland betrifft. Zwar besteht die Meinung, daß sich Stalin in den ersten Jahren als Generalsekretär vorwiegend mit innenpolitischen und innerparteilichen Angelegenheiten befaßte, doch verlor er die Außenpolitik, insbesondere die Beziehungen zu Deutschland, nie aus den Augen. Das erste der davon zeugenden Dokumente stammt aus dem Jahr 1921. Es handelt sich um den Briefwechsel zwischen Stalin und V.I. Lenin darüber, wie die deutschen Wirtschaftsmissionen benutzt werden konnten, um dem britischen Einfluß in Mittelasien entgegenzuwirken.[3] Auch im weiteren, lange vor Unterzeichnung des Rapallo-Vertrags, war Stalin sowohl über die Handelsgespräche als auch über die militärische Zusammenarbeit mit der deutschen Armee informiert.[4] In den darauffolgenden Jahren war Stalin ebenfalls stets auf dem laufenden. Er setzte intensiv auf Handelskontakte mit Deutschland. Am 31. Mai 1929 schrieb er dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, G.V. Čičerin:
 
"Meines Erachtens werden unsere Angelegenheiten mit den Deutschen trotz mehrerer Taktlosigkeiten, die unsere Leute den Deutschen gegenüber zugelassen haben (es gibt auch nicht weniger Taktlosigkeiten der Deutschen der UdSSR gegenüber), gut vorankommen. Sie haben große Industrieaufträge bitter nötig, unter anderem für die Reparationszahlungen. Sie, d. h. die Aufträge, liegen nicht hinter jedem Zaun, wobei bekannt ist, daß wir nicht gerade wenig in Auftrag geben könnten. Die Angelegenheiten mit den Deutschen müssen vorankommen."[5]
 
Und das schrieb kein anderer als der vorsichtige Stalin, der noch 1921 Čičerin warnend darauf aufmerksam gemacht hatte, daß "die Zeit für ernsthafte Geschäftskombinationen mit den Deutschen oder den Engländern noch nicht gekommen ist (sie ist erst im Kommen)."[6] Aber auch schon damals, 1921, empfand Stalin, wie aussichtsreich die "Geschäftskombinationen mit den Deutschen" sein könnten. Die Rapallo-Periode bereitete den Zweifeln ein Ende und bildete ein eindrucksvolles Argument zugunsten der Konzeption, Deutschland als politischen und ökonomischen Faktor zu nutzen. Um so interessanter sind Zeugnisse des Stalinschen Archivs, die von aktiven Versuchen der sowjetischen Seite zeugen, nach Hitlers Machtantritt als Minimum den Stand der Wirtschaftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und als Maximum mit dem neuen Machthaber in Deutschland einen politischen Kompromiß einzugehen. In der Fachliteratur sind diese Versuche beschrieben worden. Es handelt sich um die sogenannte Kandelaki-Mission von 1934 - 1936.[7] Aber die Politbürodokumente, die die Gespräche von David Kandelaki mit dem Reichsbankchef Hjalmar Schacht und Hermann Göring auf ein weit höheres politisches Niveau heben, waren nicht bekannt. Aus den Dokumenten geht hervor, daß Kandelaki all seine Sondierungen entsprechend den Beschlüssen des Politbüros vornahm und daß seine Mission unter Stalins persönlicher Kontrolle stand. Kandelaki, den Stalin bereits vor der Revolution persönlich kannte, übte faktisch die Funktion eines geheimen Emissärs des Generalsekretärs aus. Welch große Bedeutung Stalin der Kandelaki-Mission beimaß, bezeugt folgende Tatsache: Der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten M.M. Litvinov verwies darauf, daß Kandelaki unerfahren sei, und warf Stalin gegenüber die Frage auf, ob nicht für Kandelaki mit seinem "Eifer, uns mit Deutschland zu versöhnen", schriftliche Instruktionen vorbereitet werden sollten. Stalin erklärte sich damit einverstanden. Kandelaki erhielt von Litvinov eine ausführliche Instruktion:
 
"Geheim. 5. Mai 1935. Ich habe den Inhalt Ihres Gesprächs mit mir den Genossen, die unsere Außenpolitik leiten, übermittelt und möchte Ihnen meine Eindrücke aus meinen Gesprächen mit ihnen mitteilen. Bei keinem einzigen von ihnen habe ich auch nur die geringste Feindseligkeit gegen Deutschland und seine Interessen bemerkt. Sämtlich betonen sie, daß die Veränderung der gegenseitigen Beziehungen zwischen uns und Deutschland in beiden letzten Jahren keineswegs auf Initiative der UdSSR eingetreten ist, daß sich die Sowjetregierung nicht in die inneren Angelegenheiten der anderen Staaten einmischt und daß nicht das innere Regime dieser Staaten die Einstellung der Sowjetregierung zu ihnen bestimmt. Deshalb war sie bereit, nach wie vor zu Deutschland die besten Beziehungen zu entwickeln, besonders die Wirtschaftsbeziehungen, auf die sie sehr großen Wert legt. Leider zwangen bestimmte Drohungen an die Adresse der UdSSR, die von recht maßgeblichen deutschen Quellen ausgegangen waren, die Sowjetregierung zu Vorsichtsmaßnahmen. Wir versuchten, von der deutschen Regierung selbst Garantien zu bekommen, doch das mißlang. Daher auch der Abschluß des sowjetisch-französischen Paktes über gegenseitigen Beistand, wenn einer dieser beiden Staaten sich im Zustand der Selbstverteidigung sehen sollte. Wir beschränkten unsere Hilfe nur auf das französische Territorium. Da Deutschland keinen Überfall auf Frankreich beabsichtigt, kann der Pakt Deutschland keinen Schaden zufügen. Das zentraleuropäische Problem und andere Probleme, die Deutschland ohne direkten Nachteil für die UdSSR interessieren könnten, sind vom Pakt bekanntlich nicht tangiert. Meine Genossen sind der Meinung, daß der abgeschlossene Pakt keineswegs die Herstellung ruhigerer und möglichst korrekter Beziehungen zu Deutschland stören kann, vielmehr kann er dazu beitragen, ebenso wie zur weiteren Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen. Meine Regierung wird immer bereit sein, Vorschläge über die Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen aufmerksam zu prüfen und zu erörtern. An der Reihe ist jetzt die Frage des Abschlusses eines Östlichen Regionalpaktes über Konsultationen, Nichtangriff und Nichthilfeleistung an einen Aggressor. Die deutsche Regierung soll den Briten offiziell ihre Zustimmung zur Teilnahme an diesem Pakt bekanntgegeben haben, und wenn besagter Pakt tatsächlich zustande kommt, werden zweifellos Bedingungen für eine beträchtliche Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen in allen Bereichen geschaffen werden."[8]
 
Moskau verfolgte mit dieser Sondierung ernsthafte Absichten. Davon zeugt eine Anmerkung in Litvinovs Weisung, nach der selbst ein persönliches Treffen Kandelakis mit Hitler für möglich gehalten wurde. Bekanntlich blieb die Mission des Sondergesandten 1935 erfolglos. Hitler ging weder auf eine Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen noch erst recht auf eine politische Entspannung in den Beziehungen zu Moskau ein.[9] Sowjetischerseits ließ man jedoch in den Bemühungen nicht nach. Mit Wissen des Politbüros setzte Kandelaki seine Kontakte fort. Im Januar 1936 teilte er mit, Schacht sei
 
"einer der eifrigsten Anhänger der Entwicklung normaler Beziehungen zur Sowjetunion und großer ökonomischer Geschäfte mit ihr, er hat erklärt, ein Kreditabkommen könne zu einer gewissen Klärung des politischen Horizonts in den sowjetisch-deutschen Beziehungen führen. Später, nach einer nachdenklichen Pause, ließ Schacht folgenden Satz fallen: `Ja! Wenn ein Treffen Stalins mit Hitler zustande käme, könnte sich vieles ändern.'"
 
Stalin schrieb auf Kandelakis Bericht: "Interessant. J. St." und ließ K.J. Vorošilov und L.M. Kaganovič in den Bericht Einsicht nehmen.[10]
 
Dokumente aus Stalins Archiv offenbaren eine weitere, für uns besonders interessante Seite der sowjetischen Sondierungen. Bereits 1935 - 1936 wurden die Möglichkeiten eines Ausbaus des Handels mit Deutschland zur Verbesserung der sowjetischen Verteidigungsfähigkeit geprüft. Als Schacht die Rede auf einen neuen, 500 Millionen Mark-Kredit brachte, erklärte ihm Kandelaki am 16. Dezember 1935, die UdSSR werde diesen Vorschlag annehmen, wenn sie für die Hälfte des Betrags militärische Aufträge unterbringen könne, darunter für Kriegsschiffe, U-Boote, Flugzeuge und Ausrüstungen für die chemische Industrie.[11] Wiederum wurde das 1936 abgelehnt. Aber welch eine verblüffende Konsequenz: Schon nach der Abberufung Kandelakis aus Deutschland und seiner Abreise in die UdSSR, wo er bald darauf Repressalien ausgesetzt war, erteilte das Politbüro im Februar 1938, als die Kreditfrage geprüft wurde, die Weisung, der zufolge alle mit der Rüstungsindustrie verbundenen Volkskommissariate bei einem erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen verpflichtet waren, "binnen 15 Tagen ein Verzeichnis der Sonderaufträge für die eventuelle Realisierung aus den Kreditmitteln vorzulegen."[12] 1938 kam es wiederum nicht zu einer "Realisierung". 1939 jedoch fielen Stalins langgehegte Absichten auf einen anderen, dankbareren Boden.
 
Seit 1938 gab die deutsche Seite klar zu verstehen, daß sie an größeren sowjetischen Rohstofflieferungen interessiert war. Davon zeugt ein kurzer Bericht des Volkskommissariats für Außenhandel vom 9. April 1938.[13] In einer Weisung vom Februar gab das Politbüro besagtem Kommissariat seine Zustimmung zum Beginn der Verhandlungen; die Handelsvertretung in Berlin wies darauf hin, daß die Bedingung der Deutschen "eine Vergrößerung des Rohstoffimports" sei und daß sie darauf bestünden, daß "wir ihren Rohstoffbedarf in Betracht ziehen."[14] Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker fragte seinerseits am 6. Juli 1938 den sowjetischen Botschafter A.F. Merekalov, ob dieser "irgendwelche konkreten Pläne und Vorschläge bezüglich einer Erweiterung der wirtschaftlichen Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland" habe.[15] So beschaffen muß jene erste Sondierung deutscherseits gewesen sein, die es dem Politbüro möglich machte, am 6. Dezember 1938 den Beschluß zu fassen, der dem Volkskommissariat für Außenhandel erlaubte, das frühere Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr zwischen der UdSSR und Deutschland für das Jahr 1939 zu verlängern.[16] Am 21. Januar 1939 folgte der erwähnte Beschluß über die Vorbereitung der Listen von "absolut notwendigen" Werkzeugmaschinen und Ausrüstungen.
 
Der Anfang des Jahres 1939 brachte ferner einige wichtige Ereignisse auch in der deutschen Politik mit sich, und sie waren unmittelbarer mit dem damals schon möglichen, aber noch nicht zustande gekommenen Wandel in den Beziehungen des Dritten Reiches zur UdSSR verbunden. In Berlin sah man, daß das Münchner Abkommen zwischen Deutschland, Großbritannien und Frankreich dem sowjetischen Kurs auf "kollektive Sicherheit" einen schweren Schlag versetzte, und das ging so weit, daß die deutsche Botschaft in Moskau im Oktober 1938 sogar den baldigen Rücktritt Litvinovs und eine Revision der sowjetischen Politik gegenüber Deutschland, Italien und Japan, namentlich die Rückkehr von Moskau zu den Traditionen der außenwirtschaftlichen Orientierung auf Deutschland, vorhersagte.[17] Zugleich sprachen sich Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums, des Amtes für den Vierjahresplan und des Reichsaußenministeriums für die Prüfung der Möglichkeit aus, größere sowjetische Rohstofflieferungen zu erhalten, um die neuen Aufgaben, die Göring im Oktober 1938 der Rüstungsindustrie bei einer Sitzung des Generalrates des Vierjahresplans gestellt hatte, erfüllen zu können.
 
Darauf folgte der deutsche Vorschlag vom 19. Dezember 1938, die Verhandlungen über die Verlängerung des Handels- und Kreditabkommens um ein Jahr wiederaufzunehmen. Am 10. Januar 1939 nahm die UdSSR diesen Vorschlag an, wobei sie gleichzeitig ihre Bereitschaft bekundete, in Moskau eine Delegation für Verhandlungen zu empfangen, was schon an sich eine Sensation war, weil eine solche deutsche Delegation zum letzten Male 1932, d.h. noch in der Rapallo-Ära, in die Sowjetunion eingeladen worden war.
 
Die grundsätzliche Entscheidung darüber, mit Deutschland ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen, kam in der Direktive des Politbüros für die Volkskommissariate für Außenhandel, Flugzeugindustrie, Verkehrswesen, Rüstungswesen, Munition, Maschinenbau und Schiffbauindustrie zum Ausdruck. Wie wir sehen, bestand das Vorhaben schon seit langem. Die Volkskommissariate hatten bis zum 24. Januar 1939 ihre Anforderungen vorzulegen. Auf deren Basis kamen zwei Listen zustande. Die Liste "A" beinhaltete Werkzeugmaschinen für 125 Mio., militärische Ausrüstungen für 28,4 Mio. und Anlagen für das System der Produktion von Fischer-Tropsch-Kunstbenzin für 13 Mio. Reichsmark. Die Liste "B" enthielt Werkzeugmaschinen für 42 Mio., Anlagen für die chemische Industrie für 10,5 Mio. und militärische Ausrüstungen für 30 Mio. Reichsmark. Die Anforderungen wurden am 11. Februar 1939, bei einem Treffen Mikojans mit dem deutschen Botschafter in Moskau, F. W. von der Schulenburg überreicht.[18]
 
Auf diese Weise begann ein kompliziertes diplomatisch-politisches Spiel, das erst Ende August 1939 seinen Abschluß fand. Rein äußerlich betraf es ökonomische Handels- und Kreditfragen und verlief vor dem Hintergrund verwickelter politischer Verhandlungen: der UdSSR mit Großbritannien und Frankreich sowie Deutschlands mit Polen und Polens mit Großbritannien und Frankreich. Bisweilen wurden die Gespräche kurzerhand abgebrochen, z. B. als Ribbentrop im Januar 1939 die Moskaureise des Leiters des osteuropäischen Referats in der Abteilung Wirtschaftspolitik des Reichsaußenministeriums K. Schnurre, der den Auftrag hatte, mit Mikojan zu verhandeln, plötzlich absagte. Doch die sowjetische Seite zeigte außerordentlich viel Ausdauer. Die Gründe dafür lassen sich begreifen, wenn man einen Zettel aus Stalins persönlichem Archiv beachtet: ein besonders bemerkenswertes, weil handgeschriebenes Dokument. Es ist nicht datiert, doch nach indirekten Anzeichen kann man annehmen, daß es am 7. oder 8. Juni 1939 geschrieben wurde:
 
"2. Unserem Geschäftsträger in Berlin oder - noch besser - Hilger in Moskau über Mikojan mitzuteilen, daß wir vor allem wissen wollen, ob Berlin mit unserem Projekt (Mikojan-Projekt) einverstanden ist, und erst nach einem solchen Einverständnis die Ankunft Schnures [so im Text - L. B.] akzeptieren könnten, denn wir können nicht zulassen, daß die Deutschen noch einmal unerwartet und aus unbekannten Gründen die Verhandlungen abbrechen."[19]
 
Wenn man von Stalins offensichtlicher Unzufriedenheit mit dem Vorfall um Schnurre absieht, ist der kategorische Charakter jener Forderungen klar, die Moskau im "Mikojan-Projekt", wie Stalin es nannte, stellte. Sie betrafen natürlich nicht die sowjetischen Lieferungen, deren Umfang Mikojan im Zuge der Verhandlungen änderte, sondern den grundsätzlichen Charakter jener Absichten, die Stalin an die deutschen Lieferungen von Ausrüstungen und Materialien direkter militärischer Bestimmung knüpfte.
 
Dieser Text Stalins gehört zu den wenigen erhaltenengebliebenen handgeschriebenen Dokumenten. Für ihn war es eine Voraussetzung für eine Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen, daß die Deutschen die sowjetischen Aufträge akzeptierten. Stalin entwarf auf dem Blatt Papier, wie sich die beiden Volkswirtschaften ergänzten:
 
"Im Laufe eines Jahres:
 
Wir Die Deutschen
1. Erdöl 1. Flugzeuge
2. Getreide 2.Lützow? [Kreuzer, L.B.
3. Baumwolle 3. Metalle (lt. Liste)
4. Eisenerz 4. Kleinkram
5. Schrott 5. Kohle für 20
6. Apatite
7. NE-Metalle"[20]

 Auf einem weiteren Blatt formulierte Stalin:
 
"Deutschland mangelt es an
 
1. Manganerz (gutem, georgischen)
2. Chrom
3. Kupfer (das zum Teil durch Zink ersetzt wird)
4. Zinn
5. Nickel
6. Vanadium
7. Molybdän
8. Wolfram

 Bei Deutschland ist in großer Menge vorhanden und zu kaufen
 
1. Zink
2. Magnesium (für die Flugzeugindustrie)."[21]

 
Stalins handschriftliche Notizen (aus Novaja i novejšaja istorija, 3/1998)
 
 
"Deutschland mangelt es an..."
 
Diese Dokumente sind im gesamten Kontext der Bedeutung zu betrachten, die die außenwirtschaftlichen Kontakte der UdSSR für die Erfüllung ihrer Fünfjahrpläne und die Rüstungsanstrengungen der Roten Armee hatten. Als der sowjetische Import von Industrieausrüstungen aus Deutschland nach Hitlers Machtantritt von 46% im Jahre 1932 auf 4,7% im Jahre 1938 abgesunken war, nahmen Großbritannien mit 16% und die USA mit 26% Deutschlands Platz im Handel ein.[22] Doch nach Beginn des Krieges in Europa konnte die Sowjetunion nicht mehr mit britischen und amerikanischen Lieferungen rechnen. Um so entschiedener mag auf die deutsche Industrie gesetzt worden sein, die zwar mit eigenen Militäraufträgen ausgelastet war, jedoch auf sowjetische Rohstofflieferungen angewiesen war und sich gezwungen sah, die Bedingungen der UdSSR anzunehmen. Diese Rechnung ging auf: Sofort nach Unterzeichnung des Molotov-Ribbentrop-Paktes überfluteten sowjetische wirtschaftliche und militärische Delegationen die Beamtenbüros und die Büros der größten Firmen des Reichs. Widerstrebend mußten die Deutschen die sowjetischen Aufträge akzeptieren.
 
Weitere Forschungen in den Archiven der Volkskommissariate für Schwerindustrie, Rüstungswesen, Munition, Schiffbauindustrie und Flugzeugindustrie sollten den gesamten Umfang der deutschen Lieferungen für die sowjetische Industrie und ihre militärischen Branchen feststellen helfen, und zwar sowohl den Umfang der geplanten als auch den der faktisch erfolgten Lieferungen. Einen besonderen Platz wird in solchen Forschungen wohl die Analyse des Stalinschen Programms für den Bau einer "großen Flotte" einnehmen. Ziel dieses Mammutprogramms war es, die UdSSR zur führenden Seemacht der Welt zu machen. Erstmalig 1935 erörtert, wurde das Programm 1936 offiziell formuliert, 1937 - 1938 überprüft und schon nach Abschluß des Molotov-Ribbentrop-Paktes angenommen und dann am 27. Juli 1940 bestätigt. Selbst gemäß einer "gekürzten Fassung" des Programms sollten bis 1947 mindestens 15 Schlachtschiffe, 69 Schlachtkreuzer, 2 Flugzeugträger, 28 Kreuzer, 243 Minenboote, 370 Torpedoschnellboote und über 400 U-Boote gebaut werden.[23] Heute muten diese kolossalen Zahlen phantastisch an, doch sie belegen das Ausmaß von Stalins Rüstungsplänen. Selbstverständlich mußte er davon ausgehen, daß nicht nur der sowjetische Schiffbau allein, sondern auch Aufträge im Ausland zur Verwirklichung der grandiosen Ziele beitragen könnten. Daher ist der Eifer erklärbar, mit dem der Volkskommissar für Schiffbauindustrie Tevosjan seine Verhandlungen in Berlin betrieb.
 
Die Stalinschen Dokumente bestätigen das tiefe persönliche Engagement des Generalsekretärs, um den Pakt vom 23. August 1939 zur Absicherung der sowjetischen Rüstungsprogramme zu benutzen; aber darüber hinaus liefern sie den Schlüssel zum Verständnis seiner kardinalen strategischen Fehlkalkulation bei der zeitlichen Erwartung eines Krieges mit Deutschland. Man beachte, auf welchen Zeitraum sich die sowjetisch-deutschen Wirtschaftsabkommen erstreckten: Ende 1941, Frühjahr 1942 und sogar auf das Jahr 1943.
 
Die klaren Absichten, die Stalin an die sowjetisch-deutschen Wirtschaftsabkommen knüpfte, und seine Konsequenz in dem Bestreben, von der deutschen Seite die erwünschten Vorteile zu erlangen, muß dazu führen, die traditionelle Auffassung, der Pakt von 1939 sei für die UdSSR "erzwungen" gewesen, kritisch zu überprüfen. Der Pakt war nicht erzwungen, sondern vielmehr für Stalin gerechtfertigt. Er sah darin offensichtliche Vorteile für die Politik der UdSSR, nicht zuletzt ökonomische. Es blieb allerdings offen, inwiefern dieses Kalkül Wirklichkeit wurde.
 
Heute mögen wir zu Stalins Politik unterschiedlich stehen, doch muß zugegeben werden, daß die sowjetische Diplomatie unter den damaligen überaus komplizierten Bedingungen eine Art Rekord im politischen Kunstflug aufstellte. Angesichts der europäischen Öffentlichkeit setzte die UdSSR die Politik der "kollektiven Sicherheit" fort, indem sie mit Großbritannien und Frankreich darüber verhandelte, einer künftigen Naziaggression entgegenzutreten, und zeigte sich hierbei sehr aktiv. Was Moskau an "unterschwelligen Strömungen" in der deutschen Außenpolitik feststellte, wurde als Routineverhandlungen über ökonomische Fragen geschickt verdeckt; übrigens wurde die Tatsache solcher Verhandlungen keineswegs verhehlt, ja bisweilen sogar an die große Glocke gehängt, was man in London und Paris als ein zulässiges und übliches Druckmittel des Kreml gegenüber den westlichen Partnern auffaßte.
 
M.M. Litvinov und V.M. Molotov, der am 3. Mai 1939 an seine Stelle als Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten trat - hielten sich an diese Spielregeln. Die Botschaft in Berlin - der Botschafter A.F. Merekalov und dann der Geschäftsträger G.A. Astachov - erhielten im Zusammenhang mit den wiederholten politischen Sondierungen der Deutschen keinerlei Weisungen. Die Vermutungen einiger westlicher Autoren, daß gewisse sowjetisch-deutsche Geheimverhandlungen nicht von Diplomaten, sondern von Mitarbeitern des NKVD geführt wurden,[24] besitzen keine reale Grundlage. Die Analyse der Information, die Stalin übermittelt wurde, zeigt, daß sich diese auf Merekalovs und Astachovs Berichte beschränkte, die das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten [NKID] aus Berlin erhielt. Molotov leitete sie an Stalin weiter. Außerdem war die Zusammensetzung der Berliner NKVD-Residentur Ende 1938/Anfang 1939 durch Repressalien dermaßen geschwächt, daß sie keine selbständige politische Rolle spielen konnte. Der NKVD-Resident B.M. Gordon war abberufen und Repressalien ausgesetzt worden, seine Mitarbeiter waren in ihrer Mehrheit unerfahren und beherrschten nicht einmal die deutsche Sprache.[25] Man kann vermuten, daß Stalin, der gern inoffizielle Kanäle benutzte, diesmal beschlossen hatte, die sowjetisch-deutschen Verbindungen auf den Botschaftsrahmen zu beschränken, zumal in Berlin der erfahrene und sachkundige Diplomat Astachov tätig war.[26]
 
Am 21. April 1939 sprach Merekalov, der Mitte April nach Moskau zur Berichterstattung beordert worden war, vor dem Politbüro. Er kehrte nicht mehr nach Berlin zurück. Der Beschluß, Merekalov in Moskau zu belassen, scheint wenig logisch: Ausgerechnet während der wichtigsten Sondierungen politischer Absichten bleibt der Botschafter aus dem Spiel. Doch Stalins Logik ist klar: Er wußte sehr wohl um die beschränkten Möglichkeiten seines Vertreters, der nicht einmal Deutsch sprach. Außerdem hatte Merekalov bei der Politbüro-Sitzung seine eigene Einschätzung von Hitlers Politik geäußert. Merekavlov meinte, Hitler werde die UdSSR binnen zwei oder drei Jahren überfallen. Ein Mann, der von einem nahen deutsch-sowjetischen Krieg überzeugt war, eignete sich nicht dafür, die Avancen, die die Deutschen machten, richtig einzuschätzen.[27]
 
Unter den Dokumenten, die Stalin zugeleitet wurden, nahmen die Berichte über den Verlauf der Wirtschaftsverhandlungen mit dem Deutschen Reich einen Sonderplatz ein.[28] Die Gereiztheit wegen der geplatzten Moskau-Reise Schnurres im Januar 1939 fand ihren eigenartigen Ausdruck in Stalins Reaktion auf eine in der britischen Zeitung Reynolds News veröffentlichte Notiz über eine angebliche Moskau-Reise einer deutschen wirtschaftlichen Mission. In diesem Zusammenhang erschien in der sowjetischen Presse eine Mitteilung unter dem Titel "Im Volkskommissariat für Außenhandel". Die Methode der sowjetischen Diplomatie, einen Standpunkt "indirekt", in Form eines Dementis, darzulegen, ist wohlbekannt. Doch diesmal war das Dementi von besonderer Art, nämlich von A bis Z mit der Hand von Stalin geschrieben.[29]
 
Seit Anfang 1939, d.h. seit Beginn der Handels- und Kreditverhandlungen, erhielt Stalin regelmäßig alle Informationen über ihren Verlauf.[30] Am 6. Februar traf ein Bericht Merekalovs über sein Gespräch mit E. Will, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im AA, ein. Es folgte eine Pause, da deutscherseits kein Wunsch gezeigt wurde, das "Mikojan-Projekt" anzunehmen. Erst Anfang Juni suchte G. Hilger, Legationsrat der deutschen Botschaft in Moskau, Mikojan auf. Offenbar gab der Volkskommissar während dieses Gesprächs zu verstehen, wie fest die sowjetische - d.h. die Stalinsche - Position war.[31] Das Resultat ließ nicht auf sich warten: In Berlin teilte Schnurre dem Handelsvertreter J.I. Babarin mit, deutscherseits sei man bereit, die sowjetischen Vorschläge vom Februar 1939 als Verhandlungsgrundlage zu akzeptieren. Am 10. Juli überreichte Hilger dieses Angebot Mikojan offiziell. Stalin konnte triumphieren. Bei einer Politbüro-Sitzung vom 14. Juli warf er die Frage des Abkommens auf, wofür unter Teilnahme des Generalsekretärs eine besondere Begründung formuliert worden war. Darin hieß es u.a., daß "die deutsche Seite am 10. Juli den sowjetischen Wünschen entgegengekommen" sei, nämlich in bezug auf die drei Hauptpunkte: Frist, Zinssatz und die "sowjetischen Auftragslisten". Ferner hieß es im Dokument: "Wir sind zum Entgegenkommen bereit." Der positive Beschluß des Politbüros wurde noch am 14. Juli 1939 von Stalin, Vorošilov, Kaganovič und Molotov unterschrieben.[32]
 
Die deutsche Seite verstand den Sinn des neuen Verhandlungsstadiums sehr gut. Am 19. Juli äußerte Schnurre in Berlin Babarin gegenüber: "Ab diesem Moment kann in den sowjetisch-deutschen Beziehungen eine neue Epoche beginnen." Die Mitteilung über diese Äußerung Schnurres wurde in einem Telegramm Astachovs wiederholt.[33] Schnurre sah, daß die neue Vereinbarung nicht nur und nicht einmal so sehr ökonomische Bedeutung hatte. Man kann sagen, daß ab Juli die direkten sowjetisch-deutschen Verhandlungen begannen, und braucht nicht mehr ihre wirtschaftlichen Komponenten zu zerlegen. Mikojan ließ dem Generalsekretär Berichte über alle Einzelheiten zukommen, auch darüber, daß Berlin die Listen "A" und "B" erhalten hatte.
 
Ein Sonderkapitel in den Handels- und Kreditgesprächen fand Anfang August statt, da sich Berlin besonders aktiv bemühte, den gesamten Verhandlungskomplex auf die politische Ebene zu heben. Die sowjetische Diplomatie dagegen wich politischen Gesprächen beharrlich aus, da Astachov aus Moskau Weisungen bekam, mehr zuzuhören als zu reden. Daraufhin unternahm Schnurre folgendes Manöver: Da die Unterzeichnung des Handels- und Kreditvertrags im Grunde beschlossene Sache war, brachte er am 3. August bei einem Gespräch mit Astachov den Vorschlag "zur Erörterung" ein, in die Präambel des Vertrages einen Satz über die Verbesserung der politischen Beziehungen aufzunehmen. Schnurre schlug sogar vor, dem Vertrag ein einschlägiges geheimes Schlußprotokoll beizufügen.[34] Wie Schnurre vermerkte, habe Astachov Interesse für den Vorschlag bekundet, jedoch keine Antwort gegeben. Am 5. August erinnerte Schnurre an seinen Vorschlag, worüber Astachov noch am selben Tag nach Moskau berichtete.[35] Molotovs Antwort kam am 7. August, und sie war negativ. Eine Erwähnung der Verbesserung der politischen Beziehungen hielt man für eine "Überstürzung" und den Vorschlag über ein Geheimprotokoll für unpassend.[36] Schnurre übermittelte Ribbentrop diese Meinung und erklärte Astachov am 10. August, er "bestehe nicht" auf seinem Vorschlag. Diese Episode ist insofern wichtig, als hier erstmalig der Gedanke an ein "Geheimprotokoll" auftauchte. Im Jahre 1986 hatte der Verfasser dieses Artikels die Möglichkeit, sich in Bad Godesberg mit Schnurre zu unterhalten. Der Veteran der deutschen Diplomatie sagte mit Gewißheit, daß später sowohl Ribbentrop als auch Stalin diesen Gedanken benutzt hatten, als die Rede darauf gekommen war, den Beziehungen die Form eines Vertrages und eines politischen Protokolls zu geben. Schnurres Vermutung war durchaus begründet.
 
Die Handelsvertretung erhielt Weisungen unmittelbar bis zur Unterzeichnung des Abkommens, die in der Nacht zum 19. August stattfand. Der Wortlaut des Kommuniqués wurde von Stalin redigiert: Er nahm einige Längen und Wiederholungen weg und ersetzte die im Abkommen enthaltene optimistische Einschätzung, dieses sei "ein ernsthafter Schritt" bei der Verbesserung auch der politischen Beziehungen durch die vorsichtige Formulierung, es "kann einen ernsthaften Schritt darstellen."[37]
 
Im Mai 1939 konnte sich Stalin aufgrund von Meldungen, die ihm zugeleitet wurden, eine Vorstellung von Hitlers neuen Absichten machen. Eine solche Meldung kam am 8. Mai über die Verwaltung Aufklärung des Generalstabs der Roten Armee [GRU] und enthielt folgende Information, die von der Residentur der sowjetischen Militäraufklärung in Warschau stammte:
 
"Laut Nachrichten, die aus deutschen diplomatischen Kreisen in Polen erhalten wurden, teilte Ribbentrop am 2. Mai Kleist mit: `Deutschland bereitet zur Zeit einen wuchtigen militärischen Schlag gegen Polen vor. Der Schlag soll im Juli oder August so schnell und unbarmherzig erfolgen, wie die Vernichtung der spanischen Stadt Guernica erfolgt war. Der deutsche Generalstab glaubt, die strategische Lage der polnischen Armee binnen 8 - 14 Tagen durchbrechen zu können. Bis zum Juli oder August soll über Polen ein Propagandasturm ausbrechen. Mit Hilfe dieser Propaganda wird man versuchen, gleichzeitig mit der überraschenden Polenaktion einen Aufstand in der Polnischen Ukraine aufzuziehen. Zu diesem Zweck werden sich Vološin[38] und Revai[39] einigen, im Rahmen des ungarischen Staates für die Karpato-Ukraine eine Autonomie von breiten Ausmaßen zu gründen, aus der Slowakei und der Karpato-Ukraine in die Polnische Ukraine Waffen und Ausrüstungen zu schicken sowie gut organisierte Formationen von Setschewiki [Kosaken - A.d.Ü.] zu entsenden. Diese ukrainische Aktion wird lediglich dann nicht stattfinden, wenn die Gefahr einer eventuellen Intervention der UdSSR bestehen würde, weil die Neutralität der UdSSR Voraussetzung für den Erfolg der Aktion gegen Polen ist.[40] Doch sprechen alle Anzeichen dafür, daß die UdSSR neutral bleiben wird.' [...] Besonders wichtig ist dank der Sowjetunion eine Neutralität der baltischen Staaten. Deshalb wird man versuchen, mit ihnen einen Neutralitätspakt abzuschließen. Diese Pakte werden die baltischen Staaten dazu anhalten müssen, die sowjetischen Hilfsangebote abzulehnen [...] Am 4. Mai erzählte Kleist, der am 3. Mai in Berlin gewesen war, daß ich [Kleist?] bei meiner Ankunft in Berlin die Lage verändert vorfand. Militäraktionen gegen Polen stünden nicht unmittelbar bevor [...] Deutschland wird die militärischen Maßnahmen gegen Polen abschließen und will zugleich seine ungünstige internationale Situation verbessern. Große Hoffnungen setzt man in Berlin in den Rücktritt Litvinovs, in diesem Zusammenhang die Hoffnungen auf eine Änderung der sowjetischen Außenpolitik in einer für Berlin erwünschten Richtung."[41]
 
Stalin las diese Mitteilung und schrieb darauf: "Eine widersprüchliche und wenig wahrscheinliche Meldung." Natürlich kann dieser Vermerk ein Argument für jene Deuter abgeben, die Stalin für einen wachsamen, den deutschen provokatorischen Avancen vorsichtig gegenüberstehenden Politiker halten. Doch selbst beim besten Willen, den notorischen Argwohn des Generalsekretärs in Betracht zu ziehen, ist diese Stalinsche Äußerung nicht eindeutig. Erstens war die Meldung wirklich widersprüchlich. Zweitens mußte die Leitung der Verwaltung Aufklärung nicht unbedingt wissen, was konkret Stalins Aufmerksamkeit in den vorgelegten Meldungen auf sich zog. Der Chef der Verwaltung Aufklärung I.I. Proskurov schickte auch im weiteren, am 4. und 11. Juli, die Information seiner Warschauer Quelle "nach oben", mit berufsmäßiger Vorsicht darauf hinweisend, daß seine Nachrichten von immer dem gleichem Personenkreis ausgingen. Ob er in dieser Weise auf Stalins oben erwähnte Äußerung reagierte, ist schwer zu sagen, auf jeden Fall kommen unter den Dokumenten aus Stalins Archiv keine Berichte der Quelle mehr vor, die mit dem deutschen Diplomaten Peter Kleist verbunden waren. Die Berichte der Verwaltung Aufklärung wurden unmittelbar Proskurovs Chef Vorošilov, Volkskommissar für Verteidigung, vorgelegt.[42] Darin entwickelte Kleist ausführlich die Mitteilungen über die deutschen Pläne und Hitlers Streben, im Falle deutscher militärischer Handlungen gegen Polen die Neutralität der UdSSR zu sichern. Diese von Kleist stammenden Nachrichten blieben Stalin nicht unbekannt: Astachov reproduzierte sie in seinen Berichten. Die Mitteilungen Kleists, der die geheimsten Aufträge des Auswärtigen Amtes, der SS und der Abwehr ausführte, waren ein unabdingbarer Bestandteil der gesamten sowjetischen Information, die 1939 aus Berlin kam.[43]
 
Was also wurde Stalin mitgeteilt? Am 9. Mai 1939 legte Molotov dem Generalsekretär die Aufzeichnung seines Gesprächs mit Schulenburg sowie eines Gesprächs Schulenburgs mit dem stellvertretenden Volkskommissar V.P. Potemkin vor; am 30. Mai traf ein Bericht über ein Gespräch Astachovs mit Weizsäcker (zuerst ein vierseitiges chiffriertes Fernschreiben, dann, am 2. Juni, ein sechsseitiger schriftlicher Bericht) ein, dem Kozyrev, der Leiter von Molotovs Sekretariat, ein spezielles Begleitschreiben beigefügt hatte. Da seit dieser Zeit nun feststand, daß die wichtigsten Mitteilungen von Astachov oder mit seiner Unterschrift kamen, bildete sich bei der Arbeit mit den Dokumenten ein bestimmtes Verfahren heraus: Zuerst machte sich Stalin mit den chiffrierten Schreiben bekannt, worin Astachov in Kürze über seine Gespräche berichtete. Nach einigen Tagen erhielt Molotov über die Kurierpost eine ausführliche Aufzeichnung, die darauf an Stalin weitergeleitet wurde. Selbstverständlich konnten sich Stalin und Molotov auch mündlich gegenseitig informieren.
 
Zu den wichtigsten Gesprächen gehörte das Treffen Astachovs mit Weizsäcker am 30. Mai, bei dem der Wunsch der deutschen Seite, einen politischen Kompromiß zu erlangen, mit höchster Deutlichkeit zum Ausdruck kam: Es gebe "in unserem Laden alle Waren."[44] Das chiffrierte Fernschreiben fand sich schon am 30. Mai bei Stalin. Mit dem Vermerk "Eilt sehr!" wurde der Text am 31. Mai Potemkin, Lozovskij, Dekanozov, Molotov, Kaganovič, Vorošilov und Mikojan zugestellt. Der schriftliche Bericht traf am 2. Juni ein und wurde am 10. Juni "im Auftrag des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten" Stalin zugeleitet.[45]
 
Es gehört nicht zu den Aufgaben unseres Artikels, all die komplizierten Wendungen der sowjetisch-deutschen Kontakte von 1939 und das Verhältnis zwischen ihnen und den sowjetisch-britisch-französischen Verhandlungen zu analysieren. Wir beschränken uns lediglich auf einige konkrete Fragen, die das Finale dieser Kontakte betreffen - sie sind manchmal schwer als Verhandlungen zu bezeichnen, denn die sowjetische Seite wich geschickt den deutschen Versuchen aus, alle politischen Aspekte des Dialogs zu formalisieren. Wann und wie tauchte also die Idee auf, einen Nichtangriffspakt zu schließen? Wann und wie tauchte die Idee geheimer Vereinbarungen als Ergänzung zum Pakt auf?
 
Was den Pakt angeht, so haben die Forschungen von Ingeborg Fleischhauer in Schulenburgs Archiven gezeigt, daß der deutsche Botschafter in Moskau dafür war, den neuen Charakter der sowjetisch-deutschen Beziehungen, der auch nicht dem Neutralitätsvertrag von 1926 widersprach, in offizielle Form zu bringen. Als Anfang Mai 1939 Hitler in seinen Gesprächen mit Ribbentrop die Absicht äußerte, "eine neue Rapallo-Zeit in Szene zu setzen", und Ribbentrop seinerseits den Leiter der Rechtsabteilung im Reichsministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Friedrich Gaus, aufforderte, die entsprechenden rechtlichen Grundlagen zu untersuchen, ging Schulenburg daran, diese Idee aktiv auszuarbeiten. Der Botschafter beriet sich über besagtes Problem sogar mit seinem Vorgänger in Moskau R. Nadolny, der Zeuge der sowjetisch-deutschen Beziehungen in den Jahren 1926 - 1931 gewesen war.
 
Wann erfuhr die sowjetische Seite von dieser Absicht? Schulenburg erinnerte Molotov bei einem Gespräch mit ihm am 20. Mai 1939, bei dem der Volkskommissar erstmalig dem Botschafter sagte, für die neuen Beziehungen müsse eine "entsprechende politische Basis geschaffen werden", daran, daß "der sowjetisch-deutsche Vertrag wirksam ist und daß in Deutschland keine Absicht besteht, ihn zu kündigen". Molotov griff dieses Thema nicht auf, vielmehr beschränkte er sich auf die Bemerkung, daß über die politische Basis "sowohl wir als auch die deutsche Regierung nachdenken sollten". Der Text der Aufzeichnung dieses Gesprächs lag noch am selben Tag auf Stalins Tisch.[46]
 
Es ist nicht ausgeschlossen, daß Schulenburg den Vertrag von 1926 aus eigener Initiative erwähnte: In seine Aufzeichnung vom 22. Mai, die er nach Berlin absandte, nahm der Botschafter diesen Satz nicht auf.[47] Dennoch wurden diese Worte sowjetischerseits stark beachtet.[48] Am 21. Mai 1939 registrierte Stalins Sekretariat ein Schreiben des Generalsekretärs des NKID A. J. Bogomolov, dem der Neutralitätsvertrag zwischen der UdSSR und Deutschland vom 24. April 1926 und das Protokoll über die Verlängerung dieses Vertrages, der am 24. Juni 1931 in Moskau unterzeichnet und am 5. Mai 1933 ratifiziert worden war, beilagen. Wie es in dem Schreiben hieß, war der Vertrag von 1926 nicht gekündigt und blieb weiter in Kraft. Die Beilage enthielt alle Texte, darunter den Beschluß des Politbüros vom 25. März 1931 und den gesamten Briefwechsel zum Vertrag.
 
Demnach kann festgestellt werden, daß die Hinwendung zu der Idee, mit dem Dritten Reich einen Pakt zu schließen, für die sowjetische Seite, d.h. für Stalin und Molotov, auf Ende Mai 1939 datiert werden kann. Nicht auszuschließen ist, daß der Kreml von seinen Agenten über Schulenburgs besonderes Interesse für diese Idee informiert worden war. Zu jener Zeit war in der deutschen Botschaft in Moskau bereits Gerhard Kegel tätig, der die Verwaltung Aufklärung [GRU] ausführlich über das Vorgehen der deutschen Diplomaten unterrichtete.
 
Beim nächsten Treffen Schulenburgs mit Molotov, am 28. Juni, wurde der Botschafter deutlicher: Diesmal führte er die Unterredung nach einem Besuch in Berlin und mit Billigung von Hitler und Ribbentrop. Unter anderem erklärte er, die UdSSR und Deutschland seien durch den Neutralitätsvertrag von 1926, den Hitler 1933 verlängert hatte, miteinander verbunden. Die Aufzeichnung dieses Gesprächs wurde Stalin mit einem besonderen Begleitschreiben vom 6. Juli zugeleitet.[49] Was Schulenburg sagte, spiegelte tatsächlich die offizielle Position wider: Als Schnurre am 26. Juli mit Astachov sprach, erinnerte er diesen daran, daß die sowjetische Seite auf den Vorschlag, den Vertrag von 1926 zu verlängern oder aufzufrischen, nicht reagiert hatte. Die Aufzeichnung dieses außerordentlich wichtigen Gesprächs lag Stalin am 27. Juli vor, worauf Molotov am 29. Juli Astachov erstmalig direkt damit beauftragte, zu klären, wie "sich die Deutschen konkret eine Verbesserung der politischen Beziehungen vorstellen."[50] In Ausführung dieser Weisung teilte Astachov am 8. August mit: "Die Deutschen verstehen unter einer `Auffrischung' des Rapallo-Vertrags und anderer politischer Verträge deren Ersetzung durch einen neuen Vertrag oder deren Erwähnung in dem einen oder anderen Protokoll."[51] Als jedoch am 15. August Molotov ein deutsches Dokument überreicht wurde, worin die Grundlagen der bevorstehenden grundlegenden Veränderung der Beziehungen formuliert waren, wurde darin ein neuer Vertrag nicht erwähnt. Dafür ergriff nunmehr Molotov die Initiative: Er benutzte Mitteilungen, die er über den Botschafter der UdSSR in Italien erhalten hatte, um Schulenburg zu fragen, ob der Abschluß eines Paktes von den Deutschen tatsächlich beabsichtigt sei.[52]
 
Am 17. August 1939 wurde Schulenburg das heute wohlbekannte sowjetische Memorandum überreicht, das folgende abschließende Sätze enthielt:
 
"Die Regierung der UdSSR vertritt die Auffassung, daß der erste Schritt zu einer solchen Verbesserung der Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland der Abschluß eines Handels- und Kreditabkommens sein könnte.
 
Die Regierung der UdSSR vertritt die Auffassung, daß der binnen kurzem zu unternehmende zweite Schritt der Abschluß eines Nichtangriffspaktes oder die Bekräftigung des Neutralitätspaktes von 1926 sein könnte, mit gleichzeitiger Annahme eines Sonderprotokolls über die Interessiertheit der vertragschließenden Seiten an diesen oder jenen außenpolitischen Fragen, so daß das letztere einen organischen Teil des Paktes bilden würde."[53]
 
In Stalins Archiv hat sich jedoch ein anderer, offenbar vorläufiger Text der Erklärung erhalten, dessen letzter Absatz anders aussah:
 
"Die Regierung der UdSSR vertritt die Auffassung, daß der zweite und wichtigste Schritt, der gleich auf den ersten folgt, der Abschluß eines Nichtangriffspaktes sein könnte, dessen vorläufiger Entwurf beigelegt wird, mit gleichzeitiger Annahme eines Protokolls über die Interessiertheit der vertragschließenden Seiten an diesen oder jenen außenpolitischen Fragen, so daß das letztere einen organischen Bestandteil des Paktes bilden würde."
 
Der Text weist von Stalin mit der Hand eingetragene Korrekturen auf; so schrieb er am Rande: "Nicht gut formuliert" und unterstrich im Text die Worte "wichtigste Schritt, der gleich auf den ersten folgt." Offenbar mißfielen sie ihm und wurden also gestrichen. Ferner fügte Stalin den Worten "dessen vorläufiger Entwurf beigelegt wird" hinzu: "Das [...] [ist] zu streichen." Selbstverständlich wurden die Worte gestrichen, was davon zeugt, daß Stalin nicht beabsichtigte, gleich all seine Karten auf den Tisch zu legen, und den sowjetischen Entwurf nicht bekanntgeben wollte. Dafür erschien im endgültigen Text der Hinweis auf den Neutralitätspakt von 1926. In dieser Fassung wurde die Erklärung der deutschen Seite überreicht. Auf dem Dokument steht der Vermerk: "An Sch-g am 17.VIII. übergeben."[54]
 
Die Schlußrunde bei der Erörterung der Idee eines Paktes fand statt, als Schulenburg, der sich um 14.00 Uhr des 19. August beim Volkskommissar einstellte und Molotov die deutschen Vorstellungen vom Pakt übergab, die er einen Tag zuvor von Ribbentrop erhalten hatte. Der Vertrag sollte kurz sein und nur zwei Punkte enthalten:
 
"1. Deutschland und die UdSSR werden unter keinen Umständen in einen Krieg gegeneinander eintreten und keine Maßnahmen treffen, die Gewaltanwendung vorsehen;
 
2. der Vertrag tritt ab seiner Unterzeichnung in Kraft und wird 25 Jahre wirksam sein."
 
Molotov brachte einiges Staunen zum Ausdruck und erinnerte Schulenburg daran, daß es geschichtliche Präzedenzfälle gab, nämlich die 1932 abgeschlossenen Nichtangriffsverträge der UdSSR mit Lettland und Estland. Nach allem zu urteilen, war der sowjetische Entwurf zu dieser Zeit schon fertig. Am 19. August wurde Schulenburg um 16.30 Uhr erneut in den Kreml eingeladen; wo er den Text des sowjetischen Entwurfs erhielt, den Stalin zwei Tage zuvor nicht hatte erwähnen wollen. Der Text wurde in der Nacht zum 20. August nach Berlin abgesandt (eingetroffen um 03.15 Uhr). Die Deutschen hatten die Übersetzung schon in Moskau besorgt, und so wurde der Entwurf am Morgen des 20. August an Hitler auf den Berghof sowie an Ribbentrop nach Fuschl und an Weizsäcker nach Berlin weitergeleitet.[55] Der Wortlaut des Entwurfs ist ebenfalls wohlbekannt.
 
Stalin widmete dem in Vorbereitung befindlichen Dokument viel Aufmerksamkeit. Selbst nachdem der sowjetische Entwurf am 19. August nach Berlin abgesandt worden war, arbeitete der Generalsekretär daran weiter. Im Archiv hat sich ein nicht datierter Text des Entwurfs erhalten, in den Stalin eigenhändig folgende Änderungen eintrug: Erstens wurde die Überschrift hinzugeschrieben: "Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion"; zweitens wurden an Artikeln des Entwurfs wesentliche Korrekturen vorgenommen. Der Artikel 1 wurde durchgestrichen. Was damit gemeint war, läßt sich schwer sagen, da er in der endgültigen Fassung erhalten geblieben ist. Der Artikel 2 blieb im Text, doch wurden bei der Numerierung arabische Ziffern durch römische ersetzt. Die Worte "Gewaltanwendung oder Überfall" wurden durch die Worte "militärische Handlungen" ersetzt. Des weiteren wurden die Worte "ähnliche Handlungen einer solchen Macht" gestrichen und durch die Worte "dieser Macht" ersetzt.
 
Der Artikel 3 wurde durchgestrichen. Im Artikel 4 ist diese Ziffer durch eine andere, nämlich VI ersetzt. Die Gültigkeitsdauer wurde nicht mit 5, sondern mit 10 Jahren angegeben. Am Rande wurden die Texte von Artikeln 4 und 5 in neuer Fassung eingetragen. Leider sind sie schwer zu lesen.
 
Der Artikel 7 (ursprünglich 5) ist wie folgt formuliert: "Der vorliegende Vertrag bedarf baldigster Ratifizierung. Der Austausch der Ratifikationsurkunden soll in Berlin stattfinden. Der Vertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft."
 
Das Postskriptum über die Notwendigkeit eines politischen Abkommens wurde gestrichen. Der Autor der Änderungen setzte seine Unterschrift darunter: "St." Doch direkt unter dieser Unterschrift wurde noch ein Satz hinzugeschrieben: "Zu Urkunde dessen unterzeichneten die befugten /unleserlich/..." Die Änderung wurde nicht beendet, weil weiter von Stalins Hand als neuer Absatz folgender Satz eingetragen ist: "Ausgefertigt in zwei Originalexemplaren, in deutscher und russischer Sprache, am 24. August 1939 zu Moskau."[56]
 
Der Charakter der von Stalin vorgenommenen Korrekturen läßt annehmen, daß sie in der Nacht vom 23. zum 24. August in den Text eingetragen wurden, als sich Ribbentrop in Moskau aufhielt. Offenbar kam eben damals die Idee auf, das "Postskriptum" in ein zusätzliches Geheimprotokoll umzuwandeln, wobei alles darauf hinweist, daß Stalin, wie wir auch angenommen haben, den früher von Schnurre geäußerten Gedanken an ein Geheimprotokoll aufgriff, das jener dem Handels- und Kreditabkommen hatte hinzufügen wollen. Am 7. August hatte Molotov diesen Vorschlag für ungeeignet befunden. Am 23. August hingegen war es schon durchaus logisch, alle politischen Bedingungen des Paktes in das Geheimdokument zu übertragen, das nunmehr einen organischen Bestandteil des Vertrags bildete.
 
Leider gibt es in Stalins Archiv keine Rohentwürfe und keine Übersetzungen des Wortlauts des Geheimprotokolls. Ebensowenig sind sie im Archiv des Auswärtigen Amtes zu finden, auch nicht in jenem geheimen "Filmbestand", den Ribbentrop anzulegen befahl, als die Bombenangriffe auf Berlin einsetzten. In Andor Henkes Aufzeichnungen sind keinerlei Einzelheiten von Formulierungen des Vertrages enthalten. Wie jedoch aus den sowjetischen Dokumenten klar wird, wurde am 23. und 24. August eine sehr umfangreiche Arbeit geleistet. Schon bei seinem ersten Treffen mit Stalin übergab Ribbentrop der sowjetischen Seite seinen eigenen redigierten Text, den er aus Berlin mitgebracht hatte. Diese Variante war bisher unbekannt, aber die Materialien aus Stalins Archiv geben die einzigartige Möglichkeit, sie nach jener (sehr ungeschickten, offenbar in großer Eile besorgten) dreiseitigen Übersetzung aus dem Deutschen ins Russische zu rekonstruieren, die Stalin und Molotov überreicht wurde.[57] Bemerkt sei, daß der Vertrag auch in dieser deutscher Fassung keinen offiziellen Titel hatte, er hieß lediglich "Vertrag zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken", was die Urheberschaft Stalins bezüglich der Überschrift einmal mehr bestätigt:
 
"VERTRAG
 
zwischen der Deutschen Regierung und
 
der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
 
Jahrhundertealte Erfahrungen haben bewiesen, daß zwischen dem deutschen und dem russischen Volk eine angeborene Sympathie besteht. Die Lebensräume unserer beiden Völker berühren sich, doch sie verflechten sich nicht in ihren natürlichen Bedürfnissen.
 
Die ökonomischen Bedürfnisse und Möglichkeiten unserer beiden Länder ergänzen einander in allem.
 
In Anerkennung dieser Tatsachen und der hieraus zu ziehenden Schlußfolgerungen, daß es zwischen ihnen keine einander real widersprechenden Interessen gibt, haben das Deutsche Reich (Reich) und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken beschlossen, ihre gegenseitigen Beziehungen auf neue Art aufzubauen und sie auf eine neue Basis zu stellen. Damit kehren sie zu der Politik zurück, die in den früheren Jahrhunderten für unsere beiden Völker von Vorteil war und ihnen nur Nutzen brachte. Sie sind der Meinung, daß jetzt wie auch früher die Interessen unserer beiden Staaten eine weitere Vertiefung und freundschaftliche Regelung der wechselseitigen Beziehungen erfordern und daß nach einer Zeit der Trübung nunmehr in der Geschichte unserer beiden Nationen eine Wendung eingetreten ist.
 
Um hier und jetzt dieser natürlichen Entwicklung in den gegenseitigen Beziehungen unserer beiden Völker klaren Ausdruck zu geben, haben beide Regierungen beschlossen, miteinander einen Konsultativ- und Nichtangriffspakt abzuschließen, und zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt: der Deutsche Reichskanzler den Reichsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Herrn Joachim von Ribbentrop [im Text ist freier Platz für den Namen des sowjetischen Bevollmächtigen gelassen - L.B.], die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbarten:
 
Artikel I
 
Beide Vertragschließenden Seiten verpflichten sich, und zwar sowohl einzeln als auch gemeinsam mit anderen Mächten, sich jeder Gewalt, jeder aggressiven Handlung einander gegenüber und jedes Überfalls aufeinander zu enthalten.
 
Artikel II
 
Falls eine der Vertragschließenden Seiten in einen militärischen Konflikt mit einer dritten Macht eintritt, wird die andere Vertragschließende Seite die dritte Macht in keiner Weise unterstützen.
 
Artikel III
 
Die Regierungen beider Vertragschließenden Seiten bleiben in Zukunft in ständigem Kontakt miteinander, um einander über alle Fragen, die ihre gemeinsamen Interessen betreffen, zu informieren.
 
Artikel IV
 
Keine der Vertragschließenden Seiten wird an einer wie auch immer gearteten Gruppierung von Mächten teilnehmen, die sich direkt oder indirekt gegen die andere Seite richtet.
 
Artikel V
 
Die Regierungen beider Vertragschließenden Seiten werden sofort in Verhandlungen treten, um auf breitester Grundlage und auf weite Sicht ihre gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen über den Rahmen des am 19. August 1939 unterzeichneten Wirtschaftsabkommens hinaus zu intensivieren.
 
Artikel VI
 
Bei Entstehung von Streitigkeiten oder Konflikten zwischen den Vertragschließenden Seiten über Fragen dieser oder jener Art werden beide Seiten diese Streitigkeiten oder Konflikte ausschließlich durch freundschaftlichen Meinungsaustausch oder nötigenfalls durch Bildung von Kommissionen zur Beilegung eines Konfliktes schlichten.
 
Artikel VII
 
Der vorliegende Vertrag bedarf baldigster Ratifizierung. Der Austausch der Ratifikationsurkunden soll in Berlin stattfinden. Beide Seiten sind sich darüber einig, daß der Vertrag sofort nach seiner Unterzeichnung in Kraft tritt.
 
Die Vertragsgültigkeit wird im Laufe von 25 Jahren nicht aufgehoben.
 
Zu Urkund dessen unterzeichneten die befugten Vertreter den Vertrag und versahen es mit ihren Siegeln.
 
Ausgefertigt in zwei Originalexemplaren, in deutscher und russischer Sprache, am 24. August 1939 zu Moskau."[58]
 
Die sowjetische Seite hatte gründlich am Wortlaut gearbeitet: Die Präambel war abgelehnt worden. Im Text ist sie von Stalins Hand durchgestrichen.
 
Das war jedoch nicht die einzige Änderung, die Stalin vorgenommen hatte. Mit seiner Hand wurde Artikel I auf seine eigene Fassung zurückgebracht; neben dem Artikel II schrieb er: "Anders" und "Anderer Text". Den Artikel V nahm er weg, neben dem Artikel VII machte er die Bemerkung: "And. Text". Im neuen Text wurde der deutsche Vorschlag abgelehnt, den Pakt nicht im Laufe von 25 Jahren zu kündigen. Mehrere Artikel wurden auf die früheren sowjetischen Formulierungen zurückgebracht. Auch die Gültigkeitsdauer des Vertrages wurde abgeändert und betrug nunmehr 10 Jahre: Ursprünglich hatte die UdSSR beabsichtigt, fünf Jahre vorzuschlagen, aber schon im Entwurf vom 19. August stand die Ziffer 10.[59]
 
Wie der Übersetzer V.N. Pavlov bezeugt, begannen alle Unterredungen Stalins mit Ribbentrop damit, daß der Generalsekretär zum Ausdruck brachte, er sei nicht mit dem deutschen Wunsch einverstanden, eine Trennlinie zwischen den "Sphären der staatlichen Interessen" an der Westlichen Dwina zu ziehen. Damit wären nämlich die Häfen Libau (Liepaja) und Windau (Ventspils), die Stalin zu sowjetischen militärischen Marinestützpunkten ausbauen wollte, in der deutschen Sphäre geblieben. Ribbentrop beriet sich darauf mit Hitler und erhielt seine Zustimmung.[60] Der endgültige Text wurde in der Nacht, um 2.30 Uhr des 24. August, unterzeichnet, doch als Datum des Paktes wurde der 23. August belassen, was die Möglichkeit gab, ihn sofort in der sowjetischen Presse zu veröffentlichen. Den Text des Kommuniqués über die Unterzeichnung des Vertrags verfaßte Stalin. Ein archivalisches Kuriosum ist die Tatsache, daß in der entsprechenden Archivmappe des ZK der VKP(B) nicht die Originale, sondern Ausschnitte aus den Zeitungen Izvestija und Pravda mit dem Vertragstext aufbewahrt wurden.
 
Welche sind die wichtigsten Schlußfolgerungen, die sich nach dem Einblick in Stalins Archiv aufdrängen?
 
Zu unserer Verwunderung wurden die sowjetisch-deutschen Beziehungen 1939 nicht oft bei Politbürositzungen direkt oder indirekt erörtert.[61] So wurde am 7. Januar beschlossen, Ungarn eine Vorhaltung aus Anlaß des vermutlichen Beitritts dieses Landes zum "Antikomintern-Pakt" zu machen. Am 21. Januar folgte ein Beschluß im Zusammenhang mit dem möglichen Erhalt eines deutschen Kredits. Im Februar wurden die uns interessierenden Fragen überhaupt nicht erwähnt. Im März ging die Mission von B. J. Štejn nach Finnland, sie sollte der Verstärkung des deutschen Einflusses auf Helsinki entgegenwirken. Am 23. März faßte das Politbüro den Beschluß, die sowjetische Vertretung in Prag zu schließen und sie in ein sowjetisches Generalkonsulat umzuwandeln. Dieser Beschluß hatte einen direkten Bezug auf Deutschland, weil die deutschen Truppen am 15. März in die Tschechoslowakei einmarschiert waren und der tschechoslowakische Staat liquidiert wurde: Auf seinem Territorium wurden das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren sowie die "unabhängige" Slowakei gegründet, wobei diese letztere um deutsche Protektion ersuchte. Der erwähnte Politbüro-Beschluß ist um so bemerkenswerter, als die Sowjetregierung am 18. März in einer speziellen Note gegen die deutschen Handlungen protestiert, sie aggressiv genannt und die Eingliederung Tschechiens ins Reich sowie die Gründung der Slowakei nicht anerkannt hatte. Nichtsdestoweniger gab Litvinov in einem Brief an das ZK der VKP(B) im voraus zu, daß die UdSSR trotz der negativen Einstellung zur Aktion vom 15. März doch gezwungen sein werde, "in den tschechischen Angelegenheiten in Kontakt mit den deutschen Behörden zu treten". Um so wichtiger war der Beschluß des Politbüros vom 23. März, der einen Schritt zur faktischen Anerkennung der deutschen Aktion bedeutete. Später, im September 1939, wurden diplomatische Beziehungen zur Slowakei aufgenommen. Man kam den deutschen Wünschen auch insofern entgegen, als man die Besetzung des Memelgebiets durch Deutschland faktisch anerkannte: Am 14. April beschloß das Politbüro, das sowjetische Generalkonsulat in Memel (Klaipeda) aufzulösen.
 
Das sowjetische Interesse für Tschechien hatte einen unmittelbar ökonomischen und militärökonomischen Charakter, denn die Škoda-Werke führten Rüstungsaufträge der UdSSR aus. Auf diese Frage kam das Politbüro am 21. Mai und am 8. August zurück und bestätigte die Notwendigkeit der Ausführung besagter Aufträge. Bemerkt sei, daß die deutsche Seite die sowjetische Interessiertheit erkannt hatte und im Mai/Juni die Škoda-Frage zum direkten Anlaß nahm, auf der Verlängerung der Verhandlungen zwischen den beiden Ländern zu bestehen. Nach dem Beschluß über die Škoda-Werke wandte sich das Politbüro den deutschen Angelegenheiten nicht mehr zu; erst im Juli wurde dann das Handels- und Kreditabkommen erörtert, wovon der betreffende Beschluß vom 14. Juli 1939 zeugt.
 
Was die politischen Beziehungen zu Deutschland betrifft, so wurden sie nicht vor das Politbüro gebracht. Nicht einmal das Vorgehen der sowjetischen Mission bei den Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich im August wurde offiziell erörtert. Am 2. August bestätigte das Politbüro lediglich die Zusammensetzung der sowjetischen Delegation. Nach den Protokollen der Beschlüsse zu urteilen, trat das Politbüro in den für den Frieden kritischen Augusttagen nur zweimal - am 11. und 16. August - zusammen. Wenn wir uns den Aufzeichnungen von Stalins Sekretären zuwenden,[62] so wird dort ein gleichzeitiger Aufenthalt der Mitglieder des Politbüros beim Generalsekretär lediglich am 10. August vermerkt; am 11. waren nur Vorošilov und Molotov bei Stalin; am 16. Molotov, Berija und Dekanozov; am 19. Molotov, Mikojan und Gorkin, erneut Molotov und Škvarcev. Die Anwesenheit des stellvertretenden Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Dekanozov und des künftigen bevollmächtigten Vertreters in Deutschland Škvarcev zeugt unbedingt davon, daß in Stalins Arbeitszimmer die Beziehungen zu Deutschland erörtert wurden. Allerdings können die Aufzeichnungen der diensthabenden Sekretäre nicht als erschöpfend gelten, weil darin die Treffen Stalins auf seiner Datsche nicht fixiert wurden.
 
Wie dem auch sei, als Wissenschaftler sieht man sich einer enttäuschenden Tatsache gegenüber: Während das Politbüro es für nötig hielt, Beschlüsse über das Abwerben von Fußballspielern aus dem FC "Traktor" oder über die Anlegung eines Filmvorrats für Kriegszeiten zu fassen, wurden im Politbüro Fragen wie der Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit Deutschland oder der Abbruch der Verhandlungen der militärischen Missionen nicht aufgeworfen. Unseres Erachtens kam das nicht deshalb, weil solche Fragen nicht als wichtig gegolten hätten. Im Gegenteil, sie waren viel zu wichtig, als daß man sie aus der Kompetenz eines engen Kreises von Politbüro-Mitgliedern hätte weggeben können. Inoffizielle Dreier- und Fünfergruppen trafen Entscheidungen über das Schicksal des Landes - doch geschah das genau nur nach dem Willen des Generalsekretärs. Diese Besonderheit des Stalinschen Regimes hatte sich seit Ende der dreißiger Jahre schon durchgesetzt, und in Übereinstimmung mit ihr wurden Entscheidungen getroffen, darunter zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen.
 
Die in den persönlichen Archiven von Stalin und Molotov enthaltene Dokumentation ist eine außerordentlich wichtige, doch nicht erschöpfende Quelle. Erstens enthalten die heutigen Bestände von AP RF und von RCChIDNI nicht unbedingt alle 1939 aufgesetzten Dokumente. Die Archive können einer "Säuberung" ausgesetzt gewesen sein, und das zu verschiedener Zeit, sowohl zu Lebzeiten der genannten Personen als auch nach deren Tod. Die Bestände der "Allgemeinen" Abteilung des ZK wurden mehr als nur einmal umgebildet. Zweitens können Stalin und Molotov mehrere Fragen persönlich, bei ihren fast täglichen Treffen oder telefonisch, miteinander besprochen haben. Doch trotz dieser Vorbehalte sind die entdeckten Dokumente von sehr hohem wissenschaftlichen Wert.
 
Der erste bedingungslose, keinem Zweifel unterliegende Schluß, der zu ziehen ist, besteht darin, daß sie die maßgebende Rolle Stalins im Prozeß der außenpolitischen Entscheidungen der UdSSR verstehen helfen. Der Generalsekretär beschäftigte sich mit ihnen bis in die geringsten Details hinein. Es gibt keine einzige Weisung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten, der nicht eine vorherige Erörterung und Abstimmung mit dem Generalsekretär vorausgegangen wäre. Litvinov faßte selbst in Personalfragen keinen einzigen Beschluß ohne Stalins schriftliche Bestätigung. Als Molotov zum Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten ernannt wurde, bildeten er und Stalin ein einträchtiges Tandem, wobei Molotov eine keineswegs zweitrangige Rolle zufiel. Die wichtigsten Dokumente wurden von Stalin und Molotov gemeinsam durchgearbeitet, in ein und demselben Text kann man Änderungen beider Männer entdecken, ganz zu schweigen davon, daß sie gemeinsam unterzeichneten. Für einige ausländische Wissenschaftler sei bemerkt, daß sie vergeblich jene Entscheidungen hervorzuheben versuchen, die ihrer Meinung nach von Stalin oder unter seiner Teilnahme getroffen wurden. Die Teilnahme des Generalsekretärs an allen außenpolitischen Entscheidungen der UdSSR war eine Conditio sine qua non.
 
Ein zweiter Schluß, der sich aufgrund der Erforschung der Dokumente ziehen läßt, betrifft das Gewicht des ökonomischen Faktors bei der Wendung von 1939. Im Unterschied zur spärlichen Information über eine eventuelle politische Annäherung sind die Materialien über die Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland recht umfangreich. Solche Dokumente lagen schon Ende 1938/Anfang 1939 auf Stalins Tisch. Unsere Vermutung über die "Eisbrecher" des ökonomischen Faktors bedarf noch einer zusätzlichen Untersuchung, doch ist sie auch schon jetzt bei der Beurteilung der Argumente bezüglich der "Erzwungenheit" der Vereinbarungen von 1939 in Betracht zu ziehen.
 
Die dritte Feststellung betrifft Stalins faktische Rolle bei der Formulierung und Verwirklichung des Nichtangriffsvertrags selbst. Wir klammern hier die juristische Bedeutung von Stalins Korrekturen am Vertrag einmal aus. Aber auch so hat man das deutliche Gefühl, daß der Abschluß des Molotov-Ribbentrop-Paktes für den Generalsekretär keine rein formelle Handlung war. Stalin war sich über die weitgehenden Folgen des Vertrages durchaus im klaren. Das Argument, Stalin habe die ganze Gefährlichkeit der Entscheidung, die er damit traf, "nicht erkannt", ist wohl kaum als begründet anzusehen. Nein, er wußte, was er tat, und wollte für die UdSSR einen maximal hohen Vorteil daraus ziehen: Davon zeugen die Dokumente aus der Zeit vom 23. August 1939 bis zum 22. Juni 1941. Was daraus wurde, ist ein Thema, das für sich behandelt werden sollte.

[1] Die russische Fassung dieses Aufsatzes wurde in der Zeitschrift Novaja i novejšaja istorija, Moskau 1998, Heft 3, veröffentlicht.
 
[2] Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation [im weiteren: AP RF], Bestand 45, Inventurliste 1, Akte 665, Blatt 137.
 
[3] Ebenda, Akte 766, Bl. 1 - 3.
 
[4] Ebenda, Akte 676.
 
[5] Russisches Zentrum der Aufbewahrung und Erforschung von Dokumenten der neuesten Geschichte [im weiteren: RCChIDNI], Bestand 558, Inventurliste 2, Akte 48, Bl. 23.
 
[6] Ebenda, Akte 4641, Bl. 1.
 
[7] Siehe die Publikation David Kandelakis Sondermission, die N.A. Abramov aufgrund der Materialien der "Kandelaki-Mission" aus dem Archiv der Außenpolitik der Russischen Föderation [im weiteren: AVP RF] vorbereitete. - Voprosy Istorii, Heft 4-5/1991.
 
[8] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 663, Bl. 1 - 3.
 
[9] Nach der negativen Antwort der deutschen Seite auf die Vorschläge des Handelsvertreters beschloß das Politbüro am 25. April 1935, darüber die Franzosen zu informieren, um die Absage der Deutschen für die Festigung der sowjetisch-französischen Beziehungen zu nutzen und den Abbruch der Verhandlungen als einen Beweis für die Treue der UdSSR zu ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag mit Frankreich auszuspielen. - AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 570, Bl. 1; ebenda, Akte 663, Bl. 31.
 
[10] Ebenda.
 
[11] Archiv der Außenpolitik der RF, Bestand 010, IL. 11, Mappe 68, Akte 36, Bl. 131.
 
[12] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 665, Bl. 3.
 
[13] Ebenda, Bl. 15.
 
[14] Ebenda, Bl. 11 - 12.
 
[15] Ebenda, Bl. 18 - 19.
 
[16] Ebenda, Bl. 23.
 
[17] Akten zur deutschen auswärtigen Politik. Baden-Baden 1956 [im weiteren: ADAP], Serie D, Bd. 4, Dok. 476.
 
[18] Schwendemann, H: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941. Berlin 1993, S. 39.
 
[19] AP RF, Bestand 45, IL. 1, Akte 28, Bl. 26. Der erste Punkt im Text des Dokuments ist im Original nicht erhalten geblieben.
 
[20] Ebenda, Bestand 3, IL. 64, Akte 668, Bl. 124, Rückseite. Datum: 21.1.1940.
 
[21] Ebenda, Bl. 93. Auf der Rückseite der Vermerk des Sekretariats: 11.X.1941, doch ist dieses Datum wohl kaum als das Datum der Abfassung des Dokuments anzusehen.
 
[22] Schwendemann, H.: op. cit., S. 25.
 
[23] Siehe: Rohwer, J., Monakow, M.: The Soviet Union´s Ocean-Going Fleet, 1935 - 1946. In: The International History Review. XVIII., November 1996, p. 858.
 
[24] Gordievskij, O., Andrew, Ch.: KGB. München 1990, S. 313.
 
[25] Ocerki istorii rossijskoj vneznej razvedki [Abriß der Geschichte der Auslandsaufklärung Rußlands]. Bd. 3, Moskau 1997, S. 329.
 
[26] Siehe: Sokolov, V.: G.A. Astachov: Das tragische Schicksal eines Diplomaten. - Novaja i novejšaja Istorija, Heft 1/1997.
 
[27] Der Verfasser verwendete A.F. Merekalovs unveröffentlichte Erinnerungen, die seine Angehörigen übergeben haben. Siehe darüber: Novoe Vremja, Heft 7/1996.
 
[28] AP RF, Bestand 3, IL 64, Akte 665, Akte 667.
 
[29] Ebenda, Akte 665, Bl. 32 - 33.
 
[30] Ebenda, Bl. 26.
 
[31] Ebenda, Bl. 34 - 38.
 
[32] Ebenda, Bl. 39 - 41.
 
[33] Ebenda, Bl. 42.
 
[34] ADAP, Serie D, Bd. VI, Dok. 781; AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 673, Bl. 53 - 59.
 
[35] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 673, Bl. 67.
 
[36] Ebenda, Bl. 70.
 
[37] Ebenda, Akte 665, Bl. 76 - 80.
 
[38] Voloin war der Vorsitzende der autonomen Regierung der Karpato-Ukraine; die Regierung existierte von Oktober 1938 bis März 1939.
 
[39] Revai war Minister der autonomen Regierung der Karpato-Ukraine.
 
[40] Unterstrichen von Stalin.
 
[41] AP RF, Bestand 45, IL. 1, Akte 454, Bl. 106 - 108.
 
[42] Russisches Staatliches Militärarchiv, Bestand 33987, IL. 3, Akte 1235, Bl. 53. In der Publikation God krizisa [Das Krisenjahr] wird der Bericht der Verwaltung Aufklärung vom 8. Mai 1939 in einer etwas anderen Fassung angeführt und ist vom 2. Mai 1939 datiert. - Das Krisenjahr 1938/39. Bd. 1, Moskau 1990, Dokument 311, S. 419.
 
[43] Ebenda, Dok. 182, 311, 324, Bd. 2, Moskau 1990, Dok. 414.
 
[44] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 673, Bl. 10 - 14.
 
[45] Ebenda, Bl. 15 - 21.
 
[46] Ebenda, Bl. 6 - 7.
 
[47] ADAP, Serie D, Bd. VI, Dok. 424.
 
[48] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 670.
 
[49] Ebenda, Akte 673, Bl. 43.
 
[50] In der Archivakte Nr. 673 fehlt dieses Telegramm. Zitiert nach: Das Krisenjahr, Bd. 2, Dok. 511.
 
[51] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 673, Bl. 71.
 
[52] Ebenda, Bl. 87 - 93.
 
[53] Ebenda, Bl. 95 - 103.
 
[54] Ebenda, Bl. 103.
 
[55] ADAP, Serie D, Bd. VII, Dok. 133.
 
[56] AP RF, Bestand 3, IL 64, Akte 673, Bl. 129 - 130.
 
[57] Rückübersetzung. Alle Texte liegen im Original nur in russischer Sprache vor.
 
[58] Ebenda, Bl. 70, Bl. 131 - 133.
 
[59] AP RF, Bestand 3, IL. 64, Akte 673, Bl. 131 - 133.
 
[60] ADAP, Bd. VI, Dok. 205, 210.
 
[61] RCChIDNI, Bestand 17, IL. 3, Akte 1005.
 
[62] Istoričeskij Archiv, Heft 5 - 6/1995, S. 48.