Nikita Petrov
 
Die wichtigsten Veränderungstendenzen im Kaderbestand der Organe der sowjetischen Staatssicherheit in der Stalin-Zeit
 
In den letzten Jahren sind Publikationen erschienen, die die eigentlichen Prinzipien der Herausbildung der leitenden Nomenklaturschicht im Partei- und Staatsapparat behandeln und hierbei die Analyse und Charakteristik dessen Kaderbestandes liefern; zugleich beschreiben sie qualitative Veränderungen in der sowjetischen Führungselite 1937-1938 als Folge der von Stalin durchgeführten "Säuberungen".[1] Auch das NKVD bildete hier keine Ausnahme, 1934-1941 wechselten sich dort mehrere Dienstgenerationen von Tschekisten in rascher Folge ab. Der Kontrast zwischen der NKVD-Leitung vor dem Großen Terror und der danach war so stark, daß zu Recht von einer Kaderrevolution gesprochen werden kann. Um die in jenen Jahren vollzogenen Veränderungen genauer zu erfassen, gilt es vor allem, einige der wichtigsten Charakteristiken des Kaderbestandes von VČK-OGPU-NKVD-NKGB-MGB in verschiedenen Abschnitten der von uns betrachteten Periode aufzuzeigen sowie festzustellen, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich die Versetzungen und Umbesetzungen in verschiedenen Dienstgenerationen der Tschekisten abspielten.
 
Zum 1. Dezember 1922 zählte der Zentralapparat der GPU 2.213 festangestellte Mitarbeiter. 1921-1923 kam es im ganzen Lande zu einer beträchtlichen Kürzung der Gesamtzahl der VČK-GPU-Mitarbeiter. Während sich die Anzahl der offiziellen VČK-Mitarbeiter Ende 1921 auf 90.000 belief, wurde zur Zeit der Bildung der GPU im Februar 1922 ein Stellenplan von 60.000 Personen festgelegt. Im Verlauf des Jahres 1922 geschah eine weitere Kürzung, so daß zum 1. November 1923 im System der GPU-Organe 33.152 Personen übrigblieben. Ähnlich war das Bild bei den inoffiziellen Mitarbeitern (Struktur von V-Leuten): Zu Beginn des Jahres 1921 betrug ihre Anzahl 60.000, Anfang 1922 sank sie auf die Hälfte (30.000), und zum 1. November 1923 zählte der Stellenplan der informellen Mitarbeiter 12.900 Personen. Ähnlich wurde die zahlenmäßige Stärke der Truppen gekürzt. Zum 1. Oktober 1922 zählten die "inneren", die Grenz- und Begleittruppen insgesamt 117.000 Personen, während es am 1. November 1923 nur noch 74.800 Personen waren; davon 24.800 - innere Truppen, 32.977 - Grenz- und 17.000 - Begleittruppen.[2]
 
In den darauffolgenden Jahren ging die Gesamtzahl der OGPU-Mitarbeiter etwas zurück. Mitte 1930 betrug sie 22.180 Personen im ganzen Lande (die OGPU-Truppen und der Grenzschutz nicht mitgerechnet).[3] Im Ergebnis einer im Juli-August 1930 vorgenommenen administrativ-territorialen Reform und einer dementsprechenden Reorganisation der territorialen OGPU-Organe stieg der gesamte Stellenplan der Organe der Staatssicherheit zum 1. Oktober 1930 auf 25.288 Personen an.[4] Selbstverständlich umfaßt diese Zahl alle Kategorien der OGPU-Mitarbeiter, darunter das Büro- und das Hilfspersonal. Was die operativen Mitarbeiter betrifft, so sind die statistischen Veränderungen dieses Bestandes den Rechenschaftsberichten der Kaderabteilung von OGPU-NKVD zu entnehmen. Die Ist-Stärke der Organe der Staatssicherheit betrug demnach:[5]
Zum 01.01.1933
20.898 Pers.
Zum 01.01.1934
25.022 Pers.
Zum 01.01.1935
25.573 Pers.
Zum 01.07.1935
23.188 Pers.

 Hierbei belief sich das Büro- und das Bedienungspersonal in den Organen der Staatssicherheit (im UGB-GUGB-System) zum 1. Juli 1935 auf 1.519 Personen.[6]
 
Die Schwankungen in der Stärke des operativen Personals von OGPU-NKVD Anfang der dreißiger Jahre erklären sich mit den damaligen wiederholten Reorganisationen. So wurde Ende 1932 den Leitern der politischen Abteilungen in den Maschinen-Traktoren-Stationen und Sowchosen ein für die OGPU-Arbeit zuständiger Stellvertreter beigegeben. Auf diese Posten kamen ausschließlich OGPU-Mitarbeiter, und sie waren mit den gleichen Befugnissen wie die Leiter der GPU-Rayonabteilungen ausgestattet. Infolgedessen stieg die Ist-Stärke der operativen OGPU-NKVD-Mitarbeiter 1933 um 4.124 und 1934 um 551 Personen.[7] Im ersten Halbjahr 1935 wurden diese Posten abgeschafft und statt dessen rd. 800 neue Rayonabteilungen und -unterabteilungen des NKVD geschaffen, was die Anzahl der operativen NKVD-Mitarbeiter um 2.385 Personen verringerte.[8]
 
Im Folgenden wird besonders auf die nationale Zusammensetzung der OGPU-Organe in den zwanziger Jahren eingegangen. Diese Frage wurde in einigen, vorläufig nicht sehr zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen bereits behandelt.[9] Die Forschung verweist auf den Umstand, daß Letten, Juden und Polen in den sowjetischen Straforganen unverhältnismäßig stark vertreten sind. Im Januar 1925 beispielsweise machten die Russen in der insgesamt 980 Mann starken Parteizelle des OGPU-Zentralapparates 66,5%, die Letten 16,7%, die Juden 7,6% und die Polen 6,1% aus.[10] Was den OGPU-Zentralapparat betrifft, so wies sein Personalbestand folgende nationale Zusammensetzung auf (zum 01.05.1924): Von den 2.402 Mitarbeitern machten die Russen 69,53%, die Letten 8,66%, die Juden 8,49% und die Polen 3,75% aus.[11]
 
Die soziale Zusammensetzung der Mitarbeiter der Staatssicherheit entsprach ebenfalls nicht der in der UdSSR Mitte der dreißiger Jahre bestehenden Relation zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen. Zu hoch war der Anteil der Tschekisten von "klassenfremder Herkunft". Und umgekehrt: zu gering der von Leuten, die aus Bauernfamilien stammten. Zum 1. Juli 1935 stammten von den insgesamt 23.188 Mitarbeitern der Staatssicherheit 44,8% aus Arbeiter-, 13,7% aus Bauern- und 41,5% aus Angestelltenfamilien.[12] Das letztere läßt sich natürlich ohne weiteres damit erklären, daß vor 1917 Kinder gut situierter Eltern eine mehr oder weniger anständige Bildung erhalten konnten; so kam es, daß Kinder von Beamten, Kaufleuten und Kleinunternehmern den am besten gebildeten Teil des operativen Bestandes ausmachten. Trotzdem ließ der allgemeine Bildungsstand der operativen Kader zu wünschen übrig. Zum 1.07.1935 besaßen immer noch nur 1,6% von ihnen Hochschulbildung und 23,8% mittlere Schulbildung, die meisten aber - 74,6% - nur Grundschulbildung.[13]
 
Besonders kraß waren solche Gegensätze in der höchsten Leitung des OGPU-NKVD-Systems. Im weiteren wollen wir die Dynamik der Veränderungen in den sozialpolitischen Charakteristiken der NKVD-Spitzen in der Zeit vor dem Großen Terror von 1937-1938, in seinem Zuge und nach ihm verfolgen.[14]
 
Unsere Tabellen 1-9 geben Aufschluß über die Dynamik der Veränderungen nach folgenden Kriterien: Alter, soziale Herkunft, nationale Zusammensetzung, Bildungsgrad, Dienstzeit in der Tscheka, Dauer der Zugehörigkeit zur SDAPR(B) bzw. KPdSU(B), Zugehörigkeit zu anderen Parteien in der Vergangenheit, Angaben über Verhaftungen und Gerichtsverfahren im Zeitraum 1937-1941. Den absoluten Zahlen folgt in Klammern der prozentuale Anteil an der Gesamtzahl der leitenden Mitarbeiter für den jeweiligen Zeitraum.[15]
 
Tabelle 1. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach Alter
 
(absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Geb.-Jahr
10.07.34
1.1.10.36
1.03.37
1.07.37
1895 u. früher
54
 
(56,25%)
52
 
(47,27%)
49
 
(44,14%)
37 (32,74%)
1896-1900
35
 
(36,46%)
45
 
(40,91%)
48
 
(43,24%)
50 (44,25%)
1901-1905
6
 
(6,25%)
11
 
(10,00%)
12
 
(10,81%)
16 (14,16%)
1906-1910
-
-
-
-
1911 u. später
-
-
-
-
Keine Angaben
1
 
(1,04%)
2
 
(1,82%)
2
 
(1,80%)
10
 
(8,85%)
Geb.-Jahr
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
1895 u. früher
23
 
(17,97%)
23
 
(15,33%)
6
 
(3,92%)
5
 
(2,91%)
9
 
(4,95%)
1896-1900
64
 
(50,00%)
64
 
(42,66%)
25
 
(16,34%)
25 (14,53%)
29 (15,93%)
1901-1905
30
 
(23,44%)
49
 
(32,66%)
64
 
(41,83%)
77 (44,77%)
84 (46,15%)
1906-1910
-
2
 
(1,33%)
43
 
(28,10%)
52 (30,23%)
53 (29,12%)
1911 u. später
-
-
7
 
(4,58%)
7
 
(4,07%)
6
 
(3,30%)
Keine Angaben
11
 
(8,59%)
12
 
(8,00%)
8
 
(5,23%)
6
 
(3,49%)
1
 
(0,55%)

 
Wie aus Tab. 1 ersichtlich, kam es im Untersuchungs-Zeitraum zu einer erheblichen Verjüngung der leitenden NKVD-Ebene. 1937 machten die Leiter im Alter von 40 Jahren und darüber mehr als die Hälfte aus, aber schon 1939/1940 bestand die überwiegende Mehrheit von ihnen aus 30- bis 35jährigen. Dem entspricht die Verkürzung der Dienstzeit in den "Organen", die für die Dienstgenerationen der Tschekisten der Berija-Zeit charakteristisch ist (siehe Tab. 5). Das läßt sich damit erklären, daß im Dezember 1938 / Januar 1939 ein "Parteiaufgebot" aktiviert wurde, dessen Vertreter aus den jeweiligen Partei-, Sowjet- und volkswirtschaftlichen Organisationen aufgrund einer Anweisung des ZK der KPdSU(B) zur leitenden Arbeit im NKVD-System übergingen.
 
Tabelle 2. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach sozialer Herkunft (absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Soziale Gruppe
10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
Aus Arbeiterfamilien
23
 
(23,96%)
23
 
(20,91%)
26
 
(23,42%)
27
 
(23,89%)
Aus Bauernfamilien
17
 
(17,71%)
25
 
(22,73%)
25
 
(22,52%)
24
 
(21,24%)
Aus Familien v. Angestellten
24
 
(25,00%)
28
 
(25,45%)
28
 
(25,23%)
24
 
(21,24%)
Aus Familien v. Gutsherren, Kaufleuten, Unternehmern u. Kleingewerbetreibenden
27
 
(28,13%)
28
 
(25,45%)
28
 
(25,23%)
26
 
(23,01%)
Aus Familien v. Geistlichen
1
 
(1,04%)
1
 
(0,91%)
-
-
Keine Angaben
4
 
(4,17%)
5
 
(4,55%)
3
 
(2,70%)
12
 
(10,62%)
Soziale Gruppe
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
Aus Arbeiterfamilien
38
 
(29,69%)
43
 
(28,67%)
57 (37,25%)
63 (36,63%)
63 (34,62%)
Aus Bauernfamilien
22
 
(17,19%)
45
 
(30,00%)
69 (45,10%)
78 (45,35%)
82 (45,05%)
Aus Familien v. Angestellten
27
 
(21,10%)
27
 
(18,00%)
8
 
(5,23%)
12
 
(6,98%)
20 (10,99%)
Aus Familien v. Gutsherren, Kaufleuten, Unternehmern u. Kleingewerbetreibenden
26
 
(20,31%)
18
 
(12,00%)
7
 
(4,58%)
9
 
(5,23%)
9 (4,95%)
Aus Familien v. Geistlichen
2
 
(1,56%)
1
 
(0,67%)
-
-
-
Keine Angaben
13
 
(10,16%)
16
 
(10,67%)
12
 
(7,84%)
10
 
(5,81%)
8 (4,40%)
 Tabelle 3. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach Nationalität
 
(absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Nationalität
10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
Russen
30 (31,25%)
33 (30,00%)
35 (31,53%)
38 (33,63%)
Juden
37 (38,54%)
43 (39,09%)
42 (37,84%)
36 (31,86%)
Ukrainer
5 (5,21%)
6 (5,45%)
6 (5,41%)
5 (4,42%)
Polen
4 (4,17%)
5 (4,55%)
5 (4,50%)
4 (3,54%)
Letten
7 (7,29%)
9 (8,18%)
8 (7,21%)
7 (6,19%)
Deutsche
2 (2,08%)
2 (1,82%)
2 (1,80%)
2 (1,77%)
Georgier
3 (3,13%)
4 (3,64%)
5 (4,50%)
4 (3,54%)
Armenier
1 (1,04%)
1 (0,91%)
1 (0,90%)
1 (0,88%)
Aserbaidschaner
1 (1,04%)
1 (0,91%)
1 (0,90%)
1 (0,88%)
Belorussen
3 (3,13%)
2 (1,82%)
3 (2,70%)
3 (2,65%)
Sonstige
1 (1,04%)
1 (0,91%)
-
1 (0,88%)
Keine Angaben
2 (2,08%)
2 (1,82%)
3 (2,70%)
11 (9,73%)
Nationalität
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
Russen
58 (45,31%)
85 (56,67%)
102 (56,67%)
111(64,53%)
118 (64,84%)
Juden
35 (27,34%)
32 (21,33%)
6 (3,92%)
6 (3,49%)
10 (5,49%)
Ukrainer
4 (3,13%)
10 (6,67%)
19 (12,42%)
29 (16,86%)
28 (15,38%)
Polen
1 (0,78%)
1 (0,67%)
-
-
-
Letten
5 (3,91%)
-
-
-
1 (0,55%)
Deutsche
2 (1,56%)
1 (0,67%)
-
-
-
Georgier
4 (3,13%)
5 (3,33%)
12 (7,84%)
12 (6,98%)
12 (6,59%)
Armenier
1 (0,78%)
1 (0,67%)
2 (1,31%)
2 (1,16%)
2 (1,10%)
Aserbaidschaner
-
-
-
-
-
Belorussen
2 (1,56%)
3 (2,00%)
1 (0,65%)
3 (1,74%)
4 (2,20%)
Sonstige
1 (0,78%)
3 (2,00%)
1 (0,65%)
1 (0,58%)
3 (1,65%)
Keine Angaben
15 (11,72%)
9 (6,00%)
10 (6,54%)
8 (4,65%)
4 (2,20%)

 
Die in Tab. 3 dargestellten Veränderungen in der nationalen Zusammensetzung der NKVD-Spitzen 1937-1939 illustrieren eine offensichtliche Tendenz zum Wachstum des Einflusses der Titularnation (Russen) in der NKVD-Leitung. Zu sehen ist auch die Ausrichtung der Säuberungen im NKVD: Geschaßt wurden Vertreter von "ausländischen Nationalitäten" (Ausdruck von 1937-1938): Polen, Letten und Deutsche. Im Kontext der Entwicklung in den nachfolgenden Jahren ist ferner eine drastische Senkung der Anzahl der Juden in der NKVD-Leitung kennzeichnend.[16] Selbstverständlich erklärt sich die Präsenz von so zahlreichen Letten, Polen und besonders Juden in der NKVD-Leitung mit dem Charakter der vor 1917 geltenden Beschränkungen, die sie unmittelbar betroffen hatten. Das bolschewistische Regime mit seiner Romantik der Verwischung nationaler Grenzen eröffnete zahlreichen Vertretern dieser Nationalitäten alle Wege. Sie betrachteten die neue Staatsordnung zu Recht als die "ihrige", als eine, zu der sie unbedingt gehörten. Viele Vertreter der genannten Nationalitäten schalteten sich aktiv ins politische und soziale Leben ein und machten nach dem Oktober 1917 erfolgreich Karriere. Der leitende NKVD-Kader spiegelte diese Tendenz in konzentrierter Form wider.
 
In der Gesamtmasse der Mitarbeiter der Staatssicherheit ist die besagte Tendenz natürlich nicht so auffällig. Wie die Rechenschaftsberichte der NKVD-Kaderabteilung zum 1. März 1937 angaben, betrug die Gesamtzahl der Mitarbeiter des Systems UGB (Verwaltung der Staatssicherheit) in der ganzen UdSSR (den Zentralapparat nicht mitgerechnet) 23.857 Personen, 15.570 (65%) davon waren Russen, 2.509 (11%) Ukrainer, 1.776 (7%) Juden, 980 (4%) Belorussen, 426 (1,8%) Armenier, 363 (1,5%) Tataren, 298 (1,2%) Georgier, 256 (1%) Letten und 144 (0,6%) Polen. Der Anteil anderer Nationalitäten war noch geringer.[17]
 
Zum 1. Januar 1941, nach den Säuberungen, machten die Russen von den insgesamt 29.737 Mitarbeitern der Staatssicherheit in der ganzen UdSSR (die Mitarbeiter des Zentralapparates, der Sonder- und der Transportaufsichtsabteilungen nicht mitgerechnet) 19.528 Personen (66%), die Ukrainer 4.877 (16%), die Juden 1.273 (4%), die Belorussen 797 (2,7%), die Armenier 525 (1,8%) und die Georgier 391 Personen (1,3%) aus. Verschwindend gering war nun die Anzahl der Polen (6 Personen) und der Deutschen (10 Personen), während die Letten gar nicht mehr erwähnt waren.[18]
 
Tabelle 4. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach Bildungsstand
 
(absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Bildungsstand
10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
Grundschule
39
 
(40,63%)
38
 
(34,55%)
42
 
(37,84%)
41
 
(36,28%)
Mittelschule u. nicht abgeschlossene Mittelschule
40
 
(41,67%)
53
 
(48,18%)
49
 
(44,14%)
48
 
(42,48%)
Hochschule u. nicht abgeschlossene Hochschule
15
 
(15,63%)
16
 
(14,55%)
18
 
(16,22%)
13
 
(11,51%)
Keine Angaben
2
 
(2,08%)
3
 
(2,73%)
2
 
(1,80%)
11
 
(9,73%)
Bildungsstand
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
Grundschule
48
 
(37,50)
64
 
(42,67%)
29
 
(18,95%)
31 (18,02%)
35 (19,23%)
Mittelschule u. nicht abgeschlossene Mittelschule
56
 
(43,75%)
59
 
(39,33%)
55
 
(35,95%)
68 (39,53%)
81 (44,51%)
Hochschule u. nicht abgeschlossene Hochschule
13
 
(10,16%)
15
 
(10,00%)
58
 
(37,91%)
65 (37,79%)
62 (34,07%)
Keine Angaben
11
 
(8,59%)
12
 
(8,00%)
11
 
(7,19%)
8
 
(4,65%)
4
 
(2,20%)

 
Tabelle 4 zeigt, daß das Bildungsniveau der leitenden Tschekisten 1939 und in den nachfolgenden Jahren anstieg, während vor 1938 der Prozentsatz von Personen mit Grundschulbildung unter den leitenden NKVD-Mitarbeitern noch sehr hoch war. Es ist klar, mit wessen Händen Stalin den Massenterror verwirklichte: Er setzte auf Vollstrecker, die kaum schreiben und lesen konnten. Nach Abschluß des Großen Terrors wurden diese Menschen ebenfalls verhaftet. Bemerkenswert ist, daß zu gleicher Zeit in den NKVD-Spitzen die Zahl der Personen mit gestörter Kindheit zunahm. Die Rede ist von jenen, die in ihren frühen Jahren einen oder beide Elternteile verloren hatten, verwahrlost gewesen oder herumgestrolcht waren, die aufgrund von Konflikten mit Lehrern oder wegen böswilliger Renitenz aus Bildungseinrichtungen ausgeschlossen worden waren oder ihr Elternhaus wegen Familienkonflikte früh verlassen hatten usw. Während sie 1934-1936 nur 5-6% der leitenden Tschekistenschicht ausmachten, waren es 1937 bereits 8% und 1938 sogar 12,7%. Später, 1939-1940, ging diese Kennziffer drastisch - bis auf 6% - zurück.
 
Die schwere, ungünstige Kindheit prägte zwingend die Persönlichkeit eines künftigen Tschekisten. Mehr noch, gerade dieses soziale Umfeld mag für die Generation der 1901-1905 geborenen Tschekisten den Impuls zum Eintritt in die VČK-OGPU als Organ der sozialen Abrechnung und der "proletarischen Vergeltung" gegeben haben.
 
Die charakteristischsten Beispiele dieser Art waren der Leiter der NKVD-Verwaltung für die Region Altaj S.P. Popov, der seine Mutter früh verloren hatte und wegen Schikanen der Stiefmutter mit 17 Jahren aus dem Elternhaus geflüchtet war; der Volkskommissar für innere Angelegenheiten Belorußlands B.D. Berman, der das Elternhaus mit 11 Jahren verlassen hatte; der Leiter der NKVD-Verwaltung für das Gebiet Rjazan´ S.Ja. Veršinin, der eine Waisenschule besucht hatte; der Leiter der NKVD-Verwaltung für das Gebiet Tula S.I. Lebedev, der mit 8 Jahren verwaist war; der stellvertretende Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR L.M. Zakovskij, der mit 4 Jahren seinen Vater verloren hatte, aus einer Schule ausgeschlossen worden und unter dem Einfluß seines älteren Bruders zu den Anarchisten gestoßen war. Es könnten noch weitere ähnliche Beispiele genannt werden. Gerade auf solche Tschekisten, die als junge Leute den Dienst in Dzerinskijs Amt angetreten hatten, wurde in den Jahren der massiven Stalinschen Repressionen gesetzt.
 
Man kann vermuten, daß es ein Ziel (jedenfalls ein offensichtliches Resultat) der Säuberungen in den späten dreißiger Jahren war, das leitende Beamtenpersonal aller Ränge zu erneuern und seinen Bildungsstand zu erhöhen. Das NKVD bildete hier keine Ausnahme. Doch sei angemerkt, daß der Prozentsatz der Leiter mit Hochschulbildung in diesem Amt 1939-1940 nicht allzu hoch war (38%). Zugleich hatten, wie aus Tab. 4 ersichtlich, ca. 20% der leitenden NKVD-Mitarbeiter immer noch nur Grundschulbildung. Gerade in diesem Amt wurden Arbeitserfahrung, Treue und Ergebenheit höher als alle Bildung geschätzt.
 
Die radikale Auswechslung der Kader der Staatssicherheit nach Ežovs Sturz Ende 1938 führte vor allem zur Erhöhung des Bildungsniveaus auf sämtlichen NKVD-Ebenen. Während zum 1. Juli 1935 im ganzen GUGB-UGB-System der Sowjetunion Personen mit Hochschulbildung lediglich 1,6%, die mit Mittelschulbildung 23,8% und die mit Grundschulbildung 74,6% ausmachten[19], sahen die entsprechenden Kennziffern zum 1. Januar 1941 wie folgt aus: Im Zentralapparat des NKVD betrug der Anteil der Personen mit Hochschul- und nicht abgeschlossener Hochschulbildung 26,1%, und für die Personen mit Mittel- und nicht abgeschlossener Mittelschulbildung sowie die mit Grundschulbildung lagen diese Werte bei 44,6% bzw. 29,3%; die entsprechenden Kennziffern für die örtlichen Organe der Staatssicherheit beliefen sich auf 9,3% bzw. 54,2% bzw. 36,5%.[20]
 
Natürlich beschreiben die in Tab. 4 angeführten Angaben über die Zusammensetzung der Führungseliten die Situation viel deutlicher und anschaulicher, sie beziehen sich jedoch nur auf die Leitung. Besonders augenfällig ist die Zunahme der Anzahl der Mitarbeiter mit Hochschul- und nicht abgeschlossener Hochschulbildung im Zeitraum zwischen dem 1. September 1938 und dem 1. Juli 1939: von 10% auf 38%. In derselben Zeit sinkt der Anteil der Leiter mit Grundschulbildung merklich: von 42,7% auf 19%. Man kann daraus ableiten, daß die "Halbanalphabeten" mit hohen revolutionären Verdiensten und langer Tschekistendienstzeit unter den NKVD-Leitern ihre historische Mission - die Durchführung der "Massenoperationen" bei den Verhaftungen und Erschießungen - unter Ežov erfüllt hatten. Danach wurden sie nicht mehr benötigt.[21]
 
Hervorzuheben ist ferner der Trend zur Senkung des Anteils der Personen mit Hochschulbildung gegen das Jahr 1941 bei gleichzeitiger Erhöhung des Anteils der Mitarbeiter mit langer Beschäftigungsdauer bei den "Organen" (siehe Tab. 4 und 5). Es besteht also eine eindeutige umgekehrte Relation zwischen dem Bildungsniveau und der Arbeitsdauer im System der Staatssicherheit. Je höher das Dienstalter, desto niedriger der Bildungsstand, und umgekehrt. Nicht alle neuen NKVD-Leiter, die Ende 1938 / Anfang 1939 aus dem Partei- und Staatsapparat versetzt wurden, verstanden es, sich dem System der Staatssicherheit anzupassen und sich der ihnen aufgetragenen Arbeit gewachsen zu zeigen. An ihre Stelle traten also erneut Tschekisten mit langer Beschäftigungsdauer und folglich ohne Bildung. Das war der Fall einiger Leiter der Gebietsverwaltungen des NKVD, die 1940 von ihren Posten abgesetzt wurden: Genannt seien A.I. Starovojt (Gebiet Odessa), I.F. Komarovskij (Gebiet Dnepropetrovsk), I.T. Jurčenko (Gebiet Nikolaev) und einige andere. Ihre kurzfristige Ausbildung in einem einmonatigen Lehrgang der NKVD-Zentralschule genügte für eine erfolgreiche Arbeit im NKVD-System offensichtlich nicht. Möglicherweise spielten auch ihre persönlichen Eigenschaften dabei eine Rolle. Doch machten die meisten ehemaligen Parteifunktionäre, die 1938/39 auf leitende Posten im NKVD gestellt wurden, trotz minimaler Berufsausbildung eine erfolgreiche Karriere, wovon u.a. ihre baldige Beförderung zu Generalen zeugt. Das ist wohl die beste Illustration zu Lenins bekannter These, ein guter Kommunist habe ein guter Tschekist zu sein.
 
Tabelle 5. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach "tschekistischem" Dienstalter bei den VČK-OGPU-NKVD-Organen (absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Arbeitsaufnahme bei VČK-OGPU-NKVD
10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
1917-1920
68 (70,83%)
75 (68,18%)
73 (65,77%)
66 (58,41%)
1921-1925
24 (25,00%)
26 (23,64%)
26 (23,42%)
25 (22,12%)
1926-1930
3 (3,13%)
3 (2,73%)
4 (3,60%)
5 (4,42%)
1931-1935
-
-
-
-
1936-1937
-
3 (2,73%)
6 (5,41%)
6 (5,31%)
1938-1939
-
-
-
-
Keine Angaben
1 (1,04%)
3 (2,73%)
2 (1,80%)
11 (9,73%)

Arbeitsaufnahme bei VČK-OGPU-NKVD
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
1917-1920
62 (48,44%)
58 (38,67%)
8 (5,23%)
7 (4,07%)
1921-1925
36 (28,13%)
48 (32,00%)
30 (19,61%)
37 (21,51%)
1926-1930
12 (9,38%)
20 (13,33%)
19 (12,42%)
25 (14,53%)
1931-1935
-
2 (1,33%)
15 (9,80%)
19 (11.05%)
1936-1937
7 (5,47%)
11 (7,33%)
5 (3,27%
7 (4,07%)
1938-1939
-
-
67 (43,79%)
71 (41,28%)
Keine Angaben
11 (8,59%)
11 (7,33%)
9 (5,88%)
6 (3,49%)

 
Wie aus Tab. 5 hervorgeht, war 1937/38 der Prozentsatz der Personen auf leitender NKVD-Ebene recht hoch, die ihren Dienst bis Mitte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts antraten. Bisher war es üblich, die "wahren Tschekisten" (die der Dzerinskij-Zeit) jenen dunklen Elementen gegenüberzustellen, die zur Ežov- und dann zur Berija-Zeit auf den Plan traten. Demgegenüber kann man sehen, daß den Stamm der NKVD-Leiter zum 1.01.38 und zum 1.09.38 gerade Leute bildeten, die ihre Arbeit in den "Organen" 1917-1925 aufgenommen (77% bzw. 71%), d.h. unter Dzerinskijs Leitung gedient hatten. Somit dürfte der verbreitete Irrtum widerlegt sein, der die Vorstellung davon betrifft, mit wessen Händen Stalin die Massenrepressionen von 1937-1938 durchführte.
 
Tabelle 6. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach Länge der Zugehörigkeit zur SDAPR(B)-KPdSU(B) (absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Eintritt SDAPR(B) bzw. bzw. KPdSU(B)
10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
Vor 1917
20 (20,83%)
16 (14,55%)
13 (11,71%)
11 (9,73%)
1917
19 (19,79%)
30 (27,27%)
31 (27,93%)
27 (23,89%)
1918- 1920
48 (50,00%)
50 (45,45%)
54 (48,65%)
52 (46,02%)
1921- 1924
6 (6,25%)
6 (5,45%)
6 (5,41%)
4 (3,54%)
1925- 1928
1 (1,04%)
5 (4,55%)
4 (3,60%)
5 (4,42%)
1929- 1932
-
-
-
2 (1,77%)
1933- 1936
-
-
-
-
1937 und später
-
-
-
-
Keine Angaben
2 (2,08%)
3 (2,73%)
3 (2,70%)
12 (10,62%)
Eintritt SDAPR(B)
 
bzw. KPdSU(B)
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
Vor 1917
5 (3,91%)
4 (2,67%)
-
-
-
1917
21(16,41%)
18 (12,00%)
3 (1,96%)
3 (1,74%)
4 (2,20%)
1918- 1920
66(51,56%)
73 (48,67%)
22 (14,38%)
23 (13,37%)
23 (12,64%)
1921- 1924
6 (4,69%)
11 (7,33%)
9 (5,88%)
12 (6,98%)
12 (6,59%)
1925- 1928
15(11,72%)
24 (16,00%)
66 (43,14%)
71 (41,28%)
80 (43,96%)
1929- 1932
2 (1,56%)
6 (4,00%)
38 (24,84%)
45 (26,16%)
47 (25,82%)
1933- 1936
-
-
1 (0,65%)
1 (0,58%)
2 (1,10%)
1937 und später
1 (0,78%)
2 (1,33%)
3 (1,96%)
9 (5,23%)
9 (4,95%)
Keine Angaben
12 (9,38%)
12 (8,00%)
11 (7,20%)
8 (4,65%)
5 (2,75%)

 
Tabelle 7. Anzahl der leitenden NKVD-Mitarbeiter je nach ihrer früheren Zugehörigkeit zu diversen Parteien oder Bewegungen (absolute Zahlen und Anteil am Gesamtbestand in %, nach Daten aufgeschlüsselt)
Partei,
 
Bewegung
11 10.07.34
1.10.36
1.03.37
1.07.37
Partei der Sozialrevolutionäre
7 (7,29%)
5 (4,55%)
6 (5,41%)
6 (5,31%)
SDAPR(M) und SDAPR(I)
5 (5,21%)
6 (5,45%)
6 (5,41%)
3 (2,65%)
Anarchisten
7 (7,29%)
3 (2,73%)
3 (2,70%)
3 (2,65%)
Bund
3 (3,13%)
3 (2,73%)
3 (2,70%)
2 (1,77%)
Poalej Zion
5 (5,21%)
5 (4,55%)
5 (4,50%)
4 (3,54%)
Daschnak-cutjun
-
-
-
-
Mussavat
-
-
-
-
Weiße Bewegung
3 (3,13%)
2 (1,81%)
3 (2,70%)
4 (3,54%)
Personen mit nichtkommunistischer Vergangenheit, insges.
30 (31,25%)
24 (21,82%)
25 (22,52%)
22 (19,47%)
Partei,
 
Bewegung
1.01.38
1.09.38
1.07.39
1.01.40
26.02.41
Partei der Sozialrevolutionäre
6 (4,69%)
5 (3,33%)
-
-
-
SDAPR(M) und SDAPR(I)
-
-
-
-
-
Anarchisten
2 (1,56%)
-
-
-
-
Bund
2 (1,56%)
-
-
-
-
Poalej Zion
3 (2,34%)
1 (0,66%)
-
-
-
Daschnak-cutjun
1 (0,78%)
1 (0,66%)
-
-
-
Mussavat
-
1 (0,66%)
1 (0,65%)
1 (0,58%)
1 (0,55%)
Weiße Bewegung
3 (2,34%)
2 (1,33%)
-
-
-
Personen mit nichtkommunistischer Vergangenheit, insges.
17 (13,28%)
10 (6,67%)
1 (0,65%)
1 (0,58%)
1 (0,55%)

 
Die Angaben von Tab. 2, 3 und 7 verdeutlichen die Motivation der Repressionen gegen den leitenden NKVD-Kader. Unter den Bedingungen der einsetzenden Massenrepressionen zogen die fremde soziale Herkunft, Zugehörigkeit zu den Nationalitäten der Anrainerstaaten, die damals als feindlich galten, und schließlich die frühere Zugehörigkeit zu nichtbolschewistischen politischen Parteien und Strömungen unvermeidlich die Verhaftung nach sich oder machten sie in hohem Grade wahrscheinlich. Allerdings drängt sich hier die logische Frage auf: Wenn der Strafapparat berufen war, breitangelegte Repressionen durchzuführen, machte es dann Sinn, auch noch Säuberungen und Verhaftungen in diesem Apparat selbst vorzunehmen? Konnte die interne Säuberung im NKVD nicht die breiten Repressionen gegen das ganze Volk weniger wirksam machen? Die Antwort liegt darin, daß die Repressionen von 1937/38, anders als die früheren Kampagnen von Verhaftungen oder Ausweisungen, welche sich gegen bestimmte Kategorien der Bevölkerung gerichtet hatten, nunmehr fast ausnahmslos alle Schichten der Sowjetgesellschaft, alle Strukturen und Einrichtungen des Staats- und Parteiapparats umfaßten. Angesichts dieser Ausrichtung auf "generelle Säuberung" konnte der NKVD-Apparat keine Ausnahme bilden.
 
Die von N.I. Ežov auf dem ZK-Plenum der KPdSU vom Juni 1937 verkündete breite Kampagne zwecks Aufdeckung einer globalen "Verschwörung des rechtstrotzkistischen Blocks" gegen die stalinistische Führung erforderte Opfer auch im NKVD selbst. Das war der unvermeidliche logische Abschluß des "Falls Kirov": Der Mord an ihm wurde nun nicht mehr mit dem Pflichtversäumnis seitens einzelner Tschekisten, sondern mit dem Bestehen einer von Jagoda geleiteten breiten "Verschwörung" innerhalb des NKVD erklärt. Zugleich fand Stalin selbst den eigentlichen NKVD-Apparat als Ganzes viel zu verknöchert. Darüber hinaus beunruhigte ihn die Zusammensetzung der Tschekistenreihen. Viel zu hoch war unter den Leitern der Prozentsatz der Personen mit "nichtkommunistischem Vorleben", d.h. jener, die aus "fremden" oder "feindlichen" Klassen stammten (siehe Tab. 2), von Vertretern der "Nicht-Titularnation" der UdSSR (siehe Tab. 3) sowie von Menschen, die früher verschiedenen nichtbolschewistischen Parteien und Bewegungen angehört hatten (siehe Tab. 7), was Mitte der dreißiger Jahre als schwer kompromittierend ins Gewicht fiel.
 
Insgesamt war 1934 der Prozentsatz leitender Tschekisten, die in ihrer Jugend an sozialistischen, nichtbolschewistischen politischen Bewegungen teilgenommen oder, noch schlimmer, in der Weißen Armee gedient hatten, überaus hoch. Im Zuge der eingeleiteten Säuberung des NKVD schienen sie zu den ersten Verhaftungskandidaten zu gehören. Doch hatten die Repressionen ihre eigene Logik, und ein Teil von ihnen konnte die Ežov-Zeit mit heiler Haut überstehen. Das erklärt sich damit, daß einige die ungünstigen Momente ihrer Vergangenheit geschickt verbargen und andere von Ežov in seinen engeren Kreis einbezogen und von ihm besonders geschätzt wurden. Das Ende ihrer Laufbahn fällt in die Berija-Zeit im NKVD. Wie wir anhand von Tab. 7 sehen, blieb zu dieser Zeit nur ein einziger Mensch, der in seiner Vergangenheit an der mussavatistischen Bewegung [Mussavat - nationalgerichtete aserbaidschanische Organisation. Anm. d. Red.] teilgenommen hatte, unversehrt: L.P. Berija selbst.
 
All diese Faktoren in ihrer Gesamtheit bedingten folglich auch eine anbrechende Säuberung innerhalb des NKVD-Apparats selbst. Anzumerken ist, daß die Verhaftungen unter den Tschekisten schon an sich die erforderlichen Voraussetzungen für die angestrebte Festigung und bessere Lenkbarkeit der "Organe" schufen. Die Perspektive einer raschen Beförderung vor Augen, war die mittlere NKVD-Ebene - stellvertretende Verwaltungsleiter sowie Abteilungsleiter in den regionalen NKVD-Verwaltungen - in der Tat imstande, unbesehen, wütend und begeistert Autoritäten zu stürzen, hohe Parteifunktionäre zu verhaften, "Feuer auf die Stäbe zu führen", um es einmal bildlich auszudrücken. Sie konnten nicht jenen Zusammenhalt und jenes langjährige Zusammenspiel bei der Arbeit mit den örtlichen Partei- und Sowjetfunktionären haben, wie sie für die Leiter der örtlichen NKVD-Organe aus der Jagoda-Zeit charakteristisch gewesen waren. Das gleiche bezog sich in vollem Maße auch auf das interne NKVD-System, in welchem Stalin sich der beständigen "Clans" und Gruppierungen von Tschekisten entledigen wollte, wozu er sie zerschlug, ihre langjährigen Verbindungen zerstörte und die Spitzenschicht atomisierte.
 
Tabelle 8. Anzahl der verhafteten leitenden NKVD-Mitarbeiter (absolute Zahlen)

1934
1935
1936
1937
1938
1939
1940
Januar




4
22

Februar



1
3
4

März



4
1
2

April



5
9
7
1
Mai



4
3
2

Juni



6
5
3
1
Juli



9
5


August



17

1

September



3
12


Oktober



8
17


November


1
5
20


Dezember
1


2
24


Genaues Datum liegt nicht vor


1
7
4
16
1
Im ganzen Jahr
1
-
2
71
107
57
3
Insgesamt: 241.
 
Tabelle 8 führt die wahren Ausmaße der Kadersäuberung in der NKVD-Leitung vor Augen. Von den 322 Leitern des NKVD der einzelnen Republiken, der NKVD-Verwaltungen in den Regionen und Gebieten sowie der Abteilungen des Zentralapparates, die diese Posten zu verschiedener Zeit zwischen Juli 1934 und September 1938 besetzten, wurden 241 Personen (beinahe 75%) verhaftet. Am drastischsten waren die Repressionen in den ersten Monaten der Berija-Zeit im NKVD. Dagegen wirkt die unter Ežov durchgeführte Säuberung viel bescheidener. Auffällig ist ferner eine gewisse Einschränkung der Säuberung im NKVD zu Beginn des Jahres 1938, als Ežov meinte, daß die treuesten Anhänger von Jagoda verhaftet worden seien und man die übriggebliebenen Kader als "geprüft und zuverlässig befunden" ansehen könne.
 
Betrachten wir den Anfang der breiten Kampagne von Verhaftungen im NKVD-System genauer. Kennzeichnend für den Zeitraum 1934-1936 waren, wie aus den Angaben von Tab. 8 ersichtlich, nur zufällige Verhaftungen, die noch keine zielgerichtete politische Säuberung bildeten. So wurde im Dezember 1934 der Chef der Leningrader NKVD-Verwaltung F.D. Medved´ verhaftet, dem im Zusammenhang mit dem Mord an Kirov verbrecherische Vernachlässigung von Dienstpflichten angelastet wurde. 1935 gab es unter den leitenden Tschekisten überhaupt keine Verhaftungen. Opfer von 1936 waren der Chef der NKVD-Verwaltung von Kara-Kalpakien F.D. Ul'drik, der sich angeblich des Amtsmißbrauchs schuldig gemacht hatte, und der im November 1936 der Spionage zugunsten Polens angeklagte I.I. Sosnovskij, stellvertretender Leiter der NKVD-Verwaltung von Saratov. Der letztere Fall war ein Vorbote der künftigen generellen Säuberung. Im Februar 1937 wurde der Volkskommissar für innere Angelegenheiten Belorußlands G.A. Molčanov (früher Leiter der Geheimen Politabteilung /SPO/ der GUGB) verhaftet, und ab März 1937, nach der Annahme einer speziellen Resolution des ZK-Plenums der KPdSU(B), bekam die Säuberung im NKVD einen regelmäßigen und zielgerichteten Charakter.
 
Tabelle 9. Anzahl der verurteilten NKVD-Leiter
 
(absolute Zahlen, nach Daten aufgeschlüsselt)

1937
1938
1939
1940
1941
Januar

3

30

Februar

12
30
17
1
März

3
11
2
1
April

2
1
1

Mai

2
7
4
3
Juni
4
3
3
2
1
Juli

4

3
11
August
4
11
1


September
6
3
4
1

Oktober
5

2


November
9

3
1

Dezember
3

3
3

Genaues Datum liegt nicht vor
1
2
1
1

Im ganzen Jahr
32
45
66
65
17
Insgesamt: 225.
 
Anhand von Tab. 9 lassen sich die wichtigsten Kampagnen bei der Verurteilung der verhafteten Tschekisten feststellen. Das Gesamtergebnis dieser Tabelle ist geringer als das der Verhafteten laut Tab. 8; das erklärt sich nur zum Teil mit der Unvollständigkeit unserer Angaben, eher schon damit, daß nicht alle verhafteten Tschekisten ihr Urteil noch erleben sollten. Einige von ihnen starben während der Untersuchung, beispielsweise der stellvertretende Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR M.I. Ryov, der Volkskommissar für innere Angelegenheiten Armeniens V.V. Chvorostjan, der Leiter der NKVD-Verwaltung des Gebiets Čita G.S. Chorchorin; bei anderen gedieh die Sache nicht bis zum Gericht, und so wurden z.B. der Volkskommissar für innere Angelegenheiten Kalmückiens P.G. Ozerkin, der ehemalige Leiter der NKVD-Verwaltung des Gebiets Ob´-Irtyš S.V. Zdorovcev und andere nach der Überprüfung des jeweiligen Verfahrens 1939 einfach entlassen. Kennzeichnend ist auch, daß in der Berija-Zeit weit mehr leitende Tschekisten verurteilt wurden als unter Ežov. Dabei waren einige von ihnen noch in der Ežov-Zeit verhaftet worden. Doch in den ersten Monaten seiner Arbeit in der Lubjanka beeilte sich Berija nicht, sie vor Gericht zu stellen, denn er wollte von ihnen zunächst Aussagen gegen Ežov und dessen nächste Umgebung erhalten. Daher das Fehlen von Verurteilten im Zeitraum Oktober 1938 / Januar 1939. Erst im Februar und März 1939 folgte eine Serie von Gerichtsverfahren. Mitunter lagen nur einige wenige Monate zwischen Verhaftung und Urteil. Häufiger jedoch zog sich die Untersuchung ein Jahr und länger hin. 1937/38 waren die über die leitenden Tschekisten gefällten Urteile (die absolute Mehrheit davon lautete auf Todesstrafe durch Erschießen) im voraus von Stalin und seiner nächsten Umgebung bestätigt. Das geschah mehr oder weniger ständig. Eine ebensolche Vorausbestimmtheit der Urteile kennzeichnet den Zeitraum 1939-1941, wenn auch die Verurteilungen in dieser Periode eher den Charakter von Kampagnen hatten. Die beeindruckende Anzahl der Anfang 1939 und im Jahre 1940 Verurteilten ist auf die direkte Anweisung Stalins und des Politbüros zurückzuführen, Gerichtsverhandlungen des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR in Sachen leitender NKVD-Mitarbeiter nicht öffentlich abzuhalten (das bezieht sich auch auf den Juli 1941).
 
Die Kennziffern der Repressionen im NKVD-System als Ganzes bedürfen ebenfalls einer speziellen Untersuchung. Wieviel Tschekisten insgesamt fielen der Stalinschen Säuberung zum Opfer? Laut Angaben der internen NKVD-Statistiken wurden zwischen dem 1. Oktober 1936 und dem 15. August 1938, d.h. unter Ežov, im ganzen Lande 2.273 Mitarbeiter des UGB-Systems verhaftet, dabei nur 1.862 von ihnen wegen konterrevolutionärer Verbrechen, die restlichen aber wegen krimineller Delikte (Desorganisation der Arbeit, Diskreditierung der Organe, moralischer Verfall).[22] Natürlich sind hier gerade die Mitarbeiter des Systems der Staatssicherheit gemeint. Zu dieser Gesamtzahl der Verhafteten gehören nicht die im selben Zeitraum von Repressalien betroffenen Mitarbeiter des Grenz-, des Innen- und des Feuerschutzes, der Miliz, des Gulag und der anderen Hilfsdienste. Ein Vergleich dieser Zahl (1.862 Verhaftete) mit der annähernden Ist-Stärke der Mitarbeiter der Staatssicherheit (25.000 nach dem Stand vom 1. März 1937) ergibt, daß wegen konterrevolutionärer Verbrechen nur 7,5% aller Mitarbeiter der Staatssicherheit im Lande verhaftet wurden. Im Grunde nicht sehr viel, besonders angesichts der Tatsache, daß Ende der achtziger Jahre die Zahl der verfolgten Tschekisten offiziell mit 20.000 angegeben wurde.[23]. Diese Ziffer fand später auch in der historischen Fachliteratur eine gewisse Verbreitung. Sie bedarf jedoch einer Erläuterung. Es war gewiß kein Zufall, daß während der Gorbačev-Perestrojka die Aufmerksamkeit auf die von den Repressionen in Mitleidenschaft gezogenen Tschekisten konzentriert war. Auf diese Weise sollte die These bewiesen werden, daß die Stalinschen Repressionen, der Natur der Sowjetordnung angeblich wesensfremd, auch im NKVD-Apparat auf Widerstand gestoßen seien, und zwar seitens der Tschekisten der Dzeržinskij-Zeit, weshalb sich Stalin gezwungen gesehen habe, sie zu unterdrücken.
 
Niemals wurde jedoch mitgeteilt, in welche Zeit genau diese Repressionen fallen und wer von ihnen eigentlich betroffen worden war. In Wirklichkeit bezieht sich diese Ziffer (20.000) laut Archivangaben auf den Zeitraum 1933-1939 und umfaßt nicht nur alle Kategorien der Mitarbeiter des OGPU-NKVD-Systems (von den Grenzsoldaten bis zu den Lagerwächtern und selbst Menschen, die in den NKVD einberufen worden waren), sondern auch alle Arten von Verbrechen, bis hin zu kriminellen Kapitaldelikten. Die Zahl der verhafteten Mitarbeiter des OGPU-NKVD-Systems belief sich in den genannten Jahren: 1933 auf 738 Personen, 1934 auf 2.860, 1935 auf 6.249, 1936 auf 1.945, 1937 auf 3.837, 1938 auf 5.625, 1939 auf 1.364 Personen. Insgesamt also 22.618 Personen im Zeitraum 1933-1939.[24]
 
Wie wir sehen, betrug die Gesamtzahl der verhafteten NKVD-Mitarbeiter in den Jahren 1937/38 9.462. Die überwiegende Mehrheit von ihnen waren Mitarbeiter der Miliz und des Feuerschutzes, Angehörige der NKVD-Truppen, darunter Mannschaften (ihre Zahl war recht hoch, und sie gehörten sehr wohl zum NKVD-Kader), Gulag-Mitarbeiter, Mitarbeiter von Standesämtern usw. aus (demnach gar nicht jene Mitarbeiter der Staatssicherheit, die den Terror unmittelbar verwirklichten). Die meisten von ihnen wurden zudem nicht aus politischen Motiven, sondern wegen krimineller Delikte bestraft.
 
Wie oben bereits gesagt, zählte das Staatssicherheitssystem GUGB-UGB in den Ežov-Jahren ca. 25.000 Personen. In diesem Lichte wirkt ein Ausmaß der Repression im Umfang von 20.000 Personen absurd. Schließlich können sie nicht fast durchweg Opfer von Repressionen gewesen sein, es sei denn, sie hätten sich selbst solchen ausgesetzt.
 
Planmäßigen Charakter nahm die Säuberung der operativen Tschekistenkader 1939 an. Aber auch diese von Berija initiierte Säuberung, die bereits im Herbst 1938 begann und zu ihrer Aufgabe die "Wiederherstellung der sozialistischen Gesetzlichkeit" deklarierte, ist wohl kaum als politische Unterdrückungsmaßnahme gegen "ehrliche Tschekisten" anzusehen. Im Grunde war das die erste Kaderrevolution in den Organen der Staatssicherheit, mit dem Ziel einer radikalen Erneuerung der personellen Zusammensetzung. Es ist kein Zufall, daß die Hauptmethode der Säuberung die Entlassung aus den NKVD-Organen war; 1939 wurden insgesamt 7.372 Mitarbeiter (22,9% der Ist-Stärke des operativen Tschekistenkaders) entlassen. Verhaftet wurden im selben Bestand 973 Mitarbeiter Ežovs, die odiösesten Vollstrecker des Massenterrors.[25] Rechnet man auch die Verhaftungen von Ende 1938 hinzu, so ergibt sich im Ganzen, daß die Zahl der Ende 1938 und im ganzen Jahr 1939 unter Berija verhafteten Mitarbeiter des Staatssicherheitssystems 1.364 betrug. Was die letzten Dienstgenerationen der Ežov-Zeit (1.01.38 und 1.09.38) angeht, so belief sich die Zahl der Verhafteten im zweiten Halbjahr von 1938 auf 34% bzw. 35% und im ersten Halbjahr 1939 auf 20% bzw. 29%. Demnach handelte es sich um die überwiegende Mehrheit. Mit der leitenden NKVD-Schicht räumte also Berijas Säuberung viel gründlicher auf als die von Ežov.
 
Ergebnis des Großen Terrors war beinahe eine Verdoppelung der Anzahl der Mitarbeiter der Staatssicherheit. Zum 1. Januar 1941 belief sich die Anzahl der operativen Mitarbeiter im Zentralapparat des NKVD der UdSSR auf 3.656 Personen, die in den örtlichen Organen auf 29.737, die in den Sonderabteilungen des NKVD (militärische Gegenaufklärung) auf 7.901, die in den Transportaufsichtsorganen des NKVD auf 3.804 und schließlich die im System der Hochschule und der interregionalen Schulen des NKVD auf 1.118 Personen. Summa summarum waren es 46.216 Personen.[26]
 
Wie die statistischen Berichte der NKVD-Kaderabteilung zeigen, hatten zum 1. Januar 1941 die meisten der neu hinzugekommenen Tschekisten (53,7%) in den Organen ein Dienstalter von nicht mehr als 3 Jahren, waren also ins Volkskommissariat für Inneres an der Wende von 1938 zu 1939 eingetreten.[27] Ende 1938 veränderten sich die Prinzipien für die Herausbildung des Kaderbestandes der Staatssicherheit, besonders seines leitenden Teils, wesentlich. Die meisten der zu Leitern des NKVD auf der Ebene der Republiken, Regionen und Gebiete Beförderten besetzten diese Posten auf Beschluß des ZK der KPdSU(B), nachdem sie früher zur mittleren Leitungsebene im Partei- und Sowjetapparat gehört und studiert oder in der Industrie gearbeitet hatten.
 
Die neuen Prinzipien für den Aufbau des Kaders der Staatssicherheit sowie die Ausmaße der Veränderungen selbst sind augenfällig. Insgesamt wurden 1939 in allen NKVD-Apparaten 14.506 Personen (45,1% der gesamten Ist-Stärke) auf operative Tschekistenposten beordert. Davon stammten:
 
11.062 (76,3%) aus den Partei- und Komsomolorganen und NKVD-Schulen;
 
1.332 (9,7%) aus anderen (nicht operativen) Abteilungen und Verwaltungen;
 
1.129 (7,7%) aus den Büro- und Hilfsdiensten.[28]
 
Die generelle Schlußfolgerung, die aus den Etappen der Säuberung des NKVD-Kaders und ihren quantitativen Kennziffern zu ziehen ist, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen und den fest eingewurzelten Vorstellungen widersprechen. So herrschte bisher die Meinung vor, die radikale NKVD-Säuberung habe sofort nach Ernennung Ežovs zum Leiter der "Organe" begonnen. In der Tat fiel der Beginn der Verhaftungen von Tschekisten aus der Jagoda-Generation bereits ins erste Halbjahr 1937; das änderte jedoch die sozialpolitischen Charakteristiken des Kaderbestandes nicht nennenswert. Alle Kennziffern (in Prozent) veränderten sich in den chronologischen Querschnitten von 1937/38 nur allmählich, gleichsam evolutionär. Zugleich ist ersichtlich, daß mit Berijas Antritt beim NKVD sich infolge der von ihm vorgenommenen Säuberung faktisch alle entsprechenden Kennzahlen drastisch veränderten. Das bedeutet, daß sich diese Zeit durch tiefgreifende Veränderungen im leitenden Kaderbestand auszeichnet. Man braucht nur auf die Ausmaße der Veränderung im Leitungskader unter Berija hinzuweisen, als zwischen dem 1. September 1938 und dem 1. Juli 1939 faktisch alle Leiter des NKVD der Republiken und der Gebiete in der ganzen Sowjetunion ausgewechselt wurden. Eine Ausnahme bildeten T.M. Borščev, Volkskommissar für innere Angelegenheiten Turkmeniens, der im Juli 1938 auf diesen Posten beordert worden war, und V.A. Tkačev, Volkskommissar für innere Angelegenheiten der Burjatisch-Mongolischen ASSR, wobei der letztere nur wegen eines Mißverständnisses unversehrt blieb, denn schon bald danach sollte er abgesetzt, verhaftet und 1941 erschossen werden. Einzig T.M. Borščev, der in den zwanziger Jahren in den OGPU-Organen Transkaukasiens tätig gewesen war, war ein "echter" Berija-Mann, aber gerade dieser Umstand wurde ihm später zum Verhängnis. Nach dem Sturz Berijas wurde er erschossen.
 
Das nachfolgende Jahrzehnt 1941-1951 war, was die sozialpolitische Charakteristik der leitende Kader der Staatssicherheit betrifft, mehr oder weniger stabil. Es kam zu keinen jähen Veränderungen, beträchtlichen Säuberungen oder einem sonstigen ins Gewicht fallenden Ausscheiden von Mitarbeitern. Im Gegenteil: der Trend, den Einfluß der Strukturen der Staatssicherheit auszudehnen und die zahlenmäßige Stärke des (zentralen wie peripheren) Apparats zu erhöhen, trat voll zutage.
 
Im Februar 1941 wurde aus dem NKVD das Volkskommissariat für Staatssicherheit (NKGB) als selbständige Struktur ausgegliedert. Die Organe der militärischen Gegenaufklärung gehörten nicht zum NKGB, sie wurden vielmehr dem Volkskommissariat für Verteidigung unterstellt. Eben damit erklärt sich die relativ geringe Anzahl der operativen Kader des NKGB zur Zeit seiner Bildung. Zum 21. Mai 1941 zählte z.B. der Stellenplan der Leitungsebene des NKGB der UdSSR (von den Gehilfen der Leiter der selbständigen Abteilungen bis zu den Leitern der Verwaltungen und den Volkskommissaren für Staatssicherheit) bei allen territorialen Organen (den Zentralapparat nicht mitgerechnet) 6.722 Posten. Das NKGB existierte nicht lange und wurde bereits im Juli 1941 mit dem NKVD zusammengelegt.
 
Eine zweite Aufteilung des NKVD wurde im April 1943 vorgenommen. Auch diesmal wurden die Organe der militärischen Gegenaufklärung (Sonderabteilungen) nicht dem NKGB angeschlossen, sondern Stalin persönlich unterstellt und zur Hauptverwaltung der Gegenaufklärung (GUKR) des Volkskommissariats für Verteidigung der UdSSR umgebildet. Dennoch lag die Stärke des neu gebildeten NKGB laut Stellenplan 1943 weit über dem Stand von 1941 und betrug ursprünglich 67.050 Personen.[29] Im weiteren wurde der Stellenplan des NKGB-MGB noch erweitert und zählte zum 1. Mai 1946 bereits 115.664 Personen. Nicht alle Posten waren jedoch besetzt. In den Kriegsjahren machte sich ein akuter Kadermangel bemerkbar, und 1943 war der Stellenplan des NKGB zu lediglich 30,1% besetzt; bis zum 1. Mai 1946 verbesserte sich die Situation zwar, aber der gesamte Kadermangel betrug im MGB immer noch 10,5%.[30]
 
Im Bildungsniveau der NKGB-MGB-Mitarbeiter kam es zu Veränderungen gegenüber der Vorkriegszeit. Zu bemerken ist der Trend zu einer gewissen Verminderung des Anteils von Personen mit Hochschulbildung, was sich möglicherweise damit erklärt, daß in den Kriegsjahren junge Leute hinzugekommen waren, die keine Möglichkeit hatten, sich aus- oder fortbilden zu lassen. Aber das waren bereits Vertreter einer Generation, die unter der Sowjetmacht eine Mittelschulbildung (10-Klassen-Schule) bzw. eine nicht abgeschlossene Mittelschulbildung hatten erhalten können. Daher der gleichzeitige allgemeine Trend zur Verringerung der Anzahl von Personen mit Grundschulbildung.
 
Tabelle 10. Bildungsniveau der Mitarbeiter der Organe der Staatssicherheit[31]
Bildungsstand
1.07.1935
1.01.1938
1.01.1940
1.05.1946
Hochschule
1,6%
1,4%
6,3%
3,7%
Nicht abgeschlossene. Hochschule
Keine Angaben
Keine Angaben
2,8%
2,2%
Mittel- u. nicht abgeschlossene. Mittelschule
23,8%
28,3%
36,2%
60%
Grundschule
74,6%
70,3%
54,7%
34,1%

 
Im Bildungsniveau der Leitungsebene des Zentralapparates der Staatssicherheit trat in den Kriegsjahren allerdings keine nennenswerte Veränderung ein. Zwar war die Kadererneuerung in besagtem Zentralapparat in den Kriegsjahren erheblich (das ersieht man z.B. aus dem prozentualen Verhältnis zwischen der Anzahl der Personen mit Mittelschulbildung und der mit nicht abgeschlossener Mittelschulbildung, was mit der Auffüllung durch Nachwuchskräfte zu erklären ist), aber zu einer merklichen Erhöhung des Bildungsniveaus im Zentralapparat kam es in jenen Jahren nicht.
 
Tabelle 11. Bildungsniveau der leitenden Mitarbeiter
 
des Zentralapparates von NKVD-MGB der UdSSR[32]
Bildungsiniveau
1.01.1941
1.05.1946
Hochschule
20,6%
29,7%
Nicht abgeschlossene. Hochschule
5,5%
6,3%
Mittelschule
38,9%
26%
Nicht abgeschlossene. Mittelschule
5,7%
13,8%
Grundschule
29,3%
24,2%

 
Von Veränderungen, die in den Kriegsjahren eintraten, zeugt auch ein gewisser Rückgang des Anteils der Parteimitglieder an der Gesamtzahl der Mitarbeiter des MGB-Systems.
 
Tabelle 12. Parteizugehörigkeit der Mitarbeiter des MGB der UdSSR.
 
Stand vom 1.05.1946[33]

Sämtliche MGB-Organe
Leitender Bestand
 
des MGB-Zentralapparates
Mitglieder der KPdSU(B)
45%
98%
Kandidaten der KPdSU(B)
11,7%
1,2%
Mitglieder des VLKSM
23,7%
-
Parteilose
19,6%*
0,4%*
* Hauptsächlich Mitarbeiter von Wirtschaftsverwaltungen.
 
Hier sind allerdings im Bestand aller MGB-Organe auch die Büroangestellten und Mitarbeiter der Wirtschaftsverwaltungen erfaßt (was in den Berichten der Vorkriegszeit nicht der Fall war), deshalb wäre ein direkter Vergleich zwischen diesen Kennziffern und den oben angeführten für 1939-1941 nicht zulässig.
 
In den Nachkriegsjahren war ein bestimmtes Bildungsniveau eine unerläßliche Bedingung für eine Aufnahme in die MGB-Organe. Gemäß einem Beschluß des ZK der KPdSU(B) vom 20. August 1946 wurden allgemeinbildende Schulungsmaßnahmen von MGB-Mitarbeitern "ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit" in die Wege geleitet. Tschekisten ohne Mittelschulbildung mußten die Mittelschule im Abendunterricht bzw. als Externe absolvieren. Nunmehr sollten Anwärter auf eine Tätigkeit beim MGB zumindest Mittelschulbildung vorweisen können. Im Ergebnis machten Ende 1950 die MGB-Mitarbeiter mit Mittelschulbildung 75,2% der Gesamtzahl der operativen Mitarbeiter aus, und diejenigen mit Hochschulbildung 19,9%.[34]
 
Die Parteizugehörigkeit der Tschekisten war nach wie vor Gegenstand einer besonderen Aufmerksamkeit. Hier kam es gegenüber 1946 zu erheblichen Veränderungen, zu einer merklichen Erhöhung des Anteils der Parteimitglieder. Nach dem Stand vom November 1950 gab es unter den MGB-Mitarbeitern bereits 78,5% Mitglieder der KPdSU(B), 6,2% waren Kandidaten der KPdSU(B), 12,7% Mitglieder des Komsomol und nur 2,6% parteilos (in dieser Kategorie waren hauptsächlich Mitarbeiter der operativ-technischen Hilfsabteilungen vertreten).[35] Zugleich trat die bereits erwähnte Tendenz zur Veränderung in der nationalen Zusammensetzung des Kaders der Staatssicherheit deutlich zutage. Gemäß einem Bericht aus dem MGB über die Kaderarbeit, der am 30. November 1950 G.M. Malenkov, Mitglied des ZK der KPdSU(B), vorgelegt wurde, sah die nationale Zusammensetzung der Mitarbeiter wie folgt aus [zwecks größerer Anschaulichkeit haben wir in die Tabelle einige Angaben für 1937-1941 aufgenommen - N.P.]:
 
Tabelle 13. Nationalität der Mitarbeiter der Staatssicherheitsorgane[36]
Nationalität
1.03.1937
1.01.1941
30.11.1950
Russen
65%
66%
77,1%
Ukrainer
11%
16%
11%
Belorussen
4%
2,7%
1,9%
Georgier
1,2%
1,3%
1%
Armenier
1,8%
1,8%
1,3%
Aserbaidschaner


0,4%
Kasachen


0,8%
Usbeken


0,3%
Letten
1%

0,3%
Litauer


0,3%
Esten


0,2%
Turkmenen


0,1%
Tadschiken


0,1%
Kirgisen


0,1%
Karelier u. Finnen


0,1%
Moldauer


0,1%
Juden
7%
4%
1,5%
Sonstige Nationalitäten der UdSSR


3,3%
"Ausländische" Nationalitäten
1,2%

0,1%

 
Folgende Angaben über die Dienstzeit bei den Tscheka-"Organen" erlauben es, die Jahre eines massiven Zustroms von Kadern zu den Organen der Staatssicherheit festzustellen. Die betreffenden Spitzenwerte fallen in die Zeit von 1940-1946.
 
Tabelle 14. Verteilung der Mitarbeiter des MGB der UdSSR je nach Dienstzeit
 
bei VČK-OGPU-NKVD-MGB. Stand vom 30.11.1950.[37]
Dienstzeit
 
bei der Staatssicherheit
30.11.1950
Bis zu 1 Jahr
8,1%
1 - 3 Jahre
11,5%
3 - 10 Jahre
50,4%
10 - 15 Jahre
20,8%
15 - 20 Jahre
6,6%
20 - 25 Jahre
1,8%
Über 25 Jahre
0,8%

 
Im Zeitraum 1946-1952 nahm die zahlenmäßige Stärke der Organe der Staatssicherheit weiter zu. Der Grund dafür war, daß die inneren und die Grenztruppen, die Miliz und der Apparat zur Aufsicht über Strafansiedlungen sowie andere Abteilungen aus dem Innenministerium aus- und in das Ministerium für Staatssicherheit eingegliedert wurden.[38]
 
Tabelle 15. Ist-Stärke der Organe des MGB der UdSSR. Stand vom 28.05.1952[39]

MGB-Organe
MGB-Truppen
Organe der militär. Gegenaufklärung des MGB
Miliz
Insgesamt
 
beim MGB
 
der UdSSR
Chefs und Leiter sowie Offiziere
120.967
42.046
13.356
95.277
271.646
Sergeanten
62.059
Keine Angaben
2.643
102.872
167.574
Ohne Dienstgrad
38.822
501
3.892
60.912
104.127
Insgesamt
221.848
42.547
19.891
259.061
543.347

 
Ein so enormes Wachstum des eigentlichen Apparats der Staatssicherheit innerhalb von nur sechs Jahren - von 115.664 auf 221.848 Personen (beinahe eine Verdoppelung!) zwischen Mai 1946 und Mai 1952 - kann mit der für das Sowjetsystem typischen wuchernden Bürokratie allein nicht erklärtwerden; vielmehr geht es hier vor allem darum, daß auf die Kräfte der Geheimpolizei zwecks Kontrolle über die Gesellschaft gesetzt wurde. Das seinerseits zeugte von einer ernsten Krise in der Verwaltung des Landes, bei der es zur Aufrechterhaltung des Regimes notwendig war, die Kräfte seiner Unterdrückungsorgane dauernd zu verstärken.
 
(Übersetzung: Nina Letneva)

[1] Voslenskij, M.S.: Nomenklatura. Gospodstvujuščij klass Sovetskogo Sojuza [Die Nomenklatura. Die herrschende Klasse der Sowjetunion]. Moskau 1991; Bonjuškina, L.E.: Opyt izučenija stanovlenija professionalnoj sovetskoj ėlity. (SNK 1937-1941 gg.) [Zur Analyse der Entstehung der berufsmäßigen sowjetischen Elite (Rat der Volkskommisssare 1937-1941)]. - In: Mir Rossii, Heft 3-4/1995, S. 108-130; Naumov, O.V., Filippov, S.G.: Rukovodjaščij partijnyj rabotnik v 1924 i 1937 gg. Popytka sravnitel'nogo analiza. [Der führende Parteifunktionär 1924 und 1937. Versuch einer vergleichenden Analyse]. - In: Social'naja istorija. Jahrbuch. Moskau 1998, S. 123 - 136.
 
[2] Kokurin, A., Petrov, N.: GPU-OGPU (1922 - 1928). - In: Svobodnaja mysl', Heft 7/1998, S. 115.
 
[3] Ausführlicher darüber siehe: Petrov, N.V., Skorkin, K.V.: Kto rukovodil NKVD, 1934-1941: Spravočnik [Wer den NKVD 1934-1941 leitete: Nachschlagewerk]. - Gesellschaft "Memorial", RGASPI, GARF; Hrsg.: Ochotin, N.G. und Roginskij, A.B. Verlag Zven'ja, Moskau 1999, S. 35.
 
[4] Ebenda.
 
[5] Gosudarstvennyj archiv rossijskoj federacii (GARF), Bestand 9401, Inventurliste 8, Akte 40, Blatt 1-2.
 
[6] Ebenda.
 
[7] Ebenda.
 
[8] Ebenda.
 
[9] Siehe: Kričevskij, L.Ju.: Evrei v apparat e VČK-OGPU v 20-e gody [Juden im VČK-OGPU-Apparat in den zwanziger Jahren]. - In: Evrei i russkaja revolucija (materialy i issledovanija) [Juden und die russische Revolution (Materialien und Untersuchungen)]. Hrsg.: Budnickij, O.V. Moskau - Jerusalem 1999, S. 320-350; Kapčinskij, O.I.: Nacional'nyj sostav central'nogo apparata OGPU v 1920-e gody [Nationale Zusammensetzung des OGPU-Zentralapparates 1920-1930]. http//www.fsb.history/read/1999/kapchinsky/html.
 
[10] Kričevskij, L .Ju.: op. cit., S. 335.
 
[11] Ebenda, S. 334.
 
[12] GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 40, Bl. 10.
 
[13] Ebenda, Bl. 16.
 
[14] Der vorliegende Beitrag beruht auf biographischen Auskünften und den Personalakten von Tschekisten, die in der Arbeit von Petrov, N.V., Skorkin, K.V.: Kto rukovodil NKVD, 1934-1941 angeführt sind (siehe Anm. 3). Einige Unterschiede in den Tabellenangaben, die zwischen denen in dem Buch und denen in der vorliegenden Arbeit bestehen, erklären sich mit einer Präzisierung der Angaben über die Repressionen gegen führende Tschekisten (Zeitpunkt von Verhaftungen und Gerichtsverhandlungen). In unserer Untersuchung haben wir die Volkskommissare für innere Angelegenheiten der UdSSR und ihre Stellvertreter, Leiter der Verwaltungen und Abteilungen des NKVD-Zentralapparates, die Volkskommissare für innere Angelegenheiten aller Unions- und Autonomen Republiken (mit Ausnahme der Nachičevanischen ASSR), Leiter der NKVD-Verwaltungen der Regionen und Gebiete, die zur RSFSR, Ukrainischen SSR, Belorussischen SSR und Kasachischen SSR gehörten, einbezogen. Nicht einbezogen wurden die Leiter des NKVD jener Autonomen Gebiete der RSFSR, die im untersuchten Zeitraum ihren administrativen Status nicht verändert hatten, sowie die Leiter des NKVD der Gebiete der Kirgisischen, der Tadschikischen, der Turkmenischen und der Usbekischen SSR. Zugleich haben wir die Leiter der NKVD-Verwaltung jener Autonomen Gebiete der RSFSR mitgezählt, die zu Autonomen Republiken erhoben wurden.
 
[15] Die Gesamtzahl der NKVD-Leiter nahm von Juli 1934 bis Februar 1941 ständig zu, weil neue administrativ-territoriale Einheiten gebildet wurden, die Struktur des NKVD-Zentralapparates sich veränderte und neue Verwaltungen und Abteilungen entstanden. Die Zahl der NKVD-Mitarbeiter der in Frage kommenden Ebene stieg auf beinahe das Doppelte - von 96 auf 182 Personen - an. Ein besonders intensives Wachstum war 1938- 1939 zu beobachten, was vor allem wegen der Erweiterung der Struktur des NKVD-Zentralapparates geschah. Die Anzahl der leitenden Mitarbeiter belief sich zum 10.07.34 auf 96, zum 1.01.36 auf 110, zum 1.03.37 auf 111, zum 1.07.37 auf 113, zum 1.01.38 auf 128, zum 1.09.38 auf 150, zum 1.07.39 auf 153, zum 1.01.40 auf 172 und schließlich zum 26.02.41 auf 182 Personen. Wie bereits gesagt, wurden die in Tabellen 1-7 angeführten prozentualen Anteile aufgrund der Gesamtzahl der leitenden Mitarbeiter ermittelt, die dem jeweiligen Zeitraum entspricht. Es sei hier angemerkt, daß die ziemlich hohe Kennziffer der nicht geklärten Angaben für den Zeitraum 1937-1939 nicht so sehr auf unsere Wissenslücken zurückzuführen ist, als vielmehr darauf, daß recht viele leitende Stellen vakant waren. Angesichts der damals vorgenommenen Verhaftungen und Säuberungen ist das auch durchaus erklärbar.
 
[16] In der Gesamtzahl der Mitarbeiter der Staatssicherheit waren die Juden nicht so stark vertreten. Zum 1. März 1937 machten die Juden 7% der Gesamtzahl der Mitarbeiter des Staatssicherheitssystems aus, und zum 1. Januar 1941 ging diese Kennziffer auf 4% zurück (siehe: GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 43, Bl. 33 - 34; ebenda: Akte 64, Bl. 24). In den Vorkriegsjahren führte das Prinzip, dem gemäß die Nomenklaturkader für dieses System ausgewählt wurden, zu einer erheblichen Veränderung der nationalen Zusammensetzung des NKVD-Apparates. Zu diesem Zeitpunkt herrschte aber noch keine zielgerichtete Politik der Verdrängung gerade der Juden aus der Staatssicherheit. Anders war es 1950-1953, als sich die Verfolgungen im MGB-System ausschließlich gegen die Juden richteten. Schon Ende 1950 machten die Juden nur noch 1,5% der Gesamtstärke der operativen Kader aus (Central'nyj Archiv Federal'noj Služby Bezopasnosti Rossijskoj Federacii - CA FSB, Bestand 4-os., IL. 8, Akte 11, Bl. 310 - 341).
 
[17] GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 43, Bl. 33 - 34.
 
[18] Ebenda, Akte 64, Bl. 24.
 
[19] Ebenda, Akte 40, Bl. 16.
 
[20] Ebenda, Akte 64, Bl. 6, 18.
 
[21] Unterdessen blieb das Bildungsniveau in der Miliz äußerst niedrig. Zum 1.01.41 belief sich ihre Gesamtstärke auf 245.066 Personen, davon machten die Mitarbeiter mit Hochschulbildung 0,5%, die mit Mittelschulbildung 13,2% und die mit Grundschulbildung 82,2% aus, während 4% der Mitarbeiter Halbanalphabeten und 0,05% gänzliche Analphabeten waren. Im leitenden Kern der Miliz sah die Situation etwas besser aus, reichte jedoch bei weitem nicht an die Kennziffern des Bildungsniveaus in der Staatssicherheit heran. So hatten zum 1.05.41 vom leitenden Kader der Miliz (insgesamt 108.734 Personen) 0,7% Hochschul-, 20,6% Mittelschul- und 78,7% Grundschulbildung. Siehe: GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 65, Bl. 1-21.
 
[22] CA FSB, Bestand 3, IL. 5, Akte 996, Bl. 189.
 
[23] Čebrikov, V.M.: Perestrojka i rabota čekistov [Die Perestrojka und die Arbeit der Tschekisten]. - In: Pravda vom 2. September 1988.
 
[24] CA FSB, Bestand 3-os., IL. 6, Akte 33, Bl. 4.
 
[25] GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 51, Bl. 2.
 
[26] Ebenda, Akte 64, Bl. 1, 17, 25, 40, 49.
 
[27] Ebenda, Bl. 18.
 
[28] Ebenda, Akte 50, Bl. 1.
 
[29] CA FSB, Bestand 4-os., IL. 4, Akte 23, Bl. 228 - 230.
 
[30] Ebenda.
 
[31] Die Tabelle wurde aufgrund von Archivmaterialien zusammengestellt: GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 40, Bl. 16; ebenda, Akte 50, Bl. 7; CA FSB, Bestand 4-os., IL. 4, Akte 23, Bl. 228-230.
 
[32] Die Tabelle wurde aufgrund von Archivmaterialien zusammengestellt: GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 64, Bl. 6; CA FSB, Bestand 4-os., IL. 4, Akte 23, Bl. 228-230.
 
[33] CA FSB, Bestand 4-os., IL. 4, Akte 23, Bl. 228-230.
 
[34] Ebenda, IL. 8, Akte 11, Bl. 310 - 341.
 
[35] Ebenda.
 
[36] Die Tabelle wurde aufgrund von Archivangaben zusammengestellt: GARF, Bestand 9401, IL. 8, Akte 43, Bl. 33-34; ebenda, Akte 64, Bl. 24; CA FSB, Bestand 4-os., IL. 8, Akte 11, Bl. 310-341.
 
[37] CA FSB, Bestand 4-os., IL. 8, Akte 11, Bl. 310-341.
 
[38] Ausführlicher darüber siehe: Kokurin, A., Petrov, N.: MGB: struktura, funkcii, kadry [Das MGB: Struktur, Funktionen, Kader]. - In: Svobodnaja mysl', Heft 11/1997, S. 112.
 
[39] CA FSB, Bestand 4-os., IL. 10, Akte 73, Bl. 177.