deutsch englisch spanisch französisch italienisch
Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Pyreo

Name (modern):

Piräus / Πειραιάς

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher V     Athenas     
Toponym nachher
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington 2000)
Bild (Scheyb 1753) ---
Bild (Welser 1598) ---
Bild (MSI 2025) ---
Großraum:

Balkanraum südlich

Toponym Typus:

isolierter Name

Planquadrat:

7B1

Farbe des Toponyms:

schwarz

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

Peiraieus (DNP)

RE:

Peiraieus

Barrington Atlas:

Peiraieus (59 B3)

TIR / TIB /sonstiges:

Peiraieus (TIB 1, 233); Piraeus (TIR J 34 Athens - Attica, 207-217)

Miller:

Pyreo

Levi:

 

Ravennat:

Pyreon (52,7; 94,10)

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Πειραιεύς (3,15,7)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Spätantike (5. Jh. & danach)

Begründung zur Datierung:

Die späte Namensform sowie die Unkenntnis der Lage von Piräus und seiner Funktion als Hafenstadt lässt auf ein spätantike Überarbeitungssstufe schließen, vielleicht nach dem Überfall von Alarich 396 n. Chr., auf jedem Fall aber nach der Zerstörung durch Sulla 87/6 v . Chr. (ausgenommen vielleicht die kurze Erholungszeit unter den Antoninen und das 4. Jh., vor allem die Zeit um 322 n. Chr., als Konstantin dort noch einmal eine große kaiserliche Flotte versammelte, s. Komm.). Eine Spätdatierung würde zu der Darstellung der beiden einzigen weiteren attischen Städte auf der TP passen, nämlich von Athen nur mit einer Doppelturmvignette, was auf die Zeit des Niedergangs nach 267 n. Chr., vielleicht auf die theodosianische Epoche weist, und von Eleusina/Eleusis, das ungeachtet des berühmten Mysterienkultes keine Tempelvignette hat (sofern diese nicht von einem mittelalterlichen Kopisten vergessen wurde).

Kommentar zum Toponym:

Piraeus liegt in Wirklichkeit im SW von Athen, ist auf der TP ist jedoch rechts davon eingezeichnet, und zwar im Binnenland ohne Kennzeichnung als Hafen; die Straßenverbindung von Athen fehlt, nur die Meilenzahl ist eingetragen.

Die hyperurbane Namensform ist wohl spät.
Die ähnlichste Namensform ist:
Pyreon Rav 4,10 p. 52,7; 5,13 p. 94,10.
Die griech. Endung „-on“ deutet vielleicht auf eine letztlich griechische Quelle der gemeinsamen Vorlage von Rav und TP hin, wobei die Endung von Rav getreulich kopiert, auf der TP jedoch, versehentlich oder absichtlich latinisierend, zu „-o“ geändert wurde.
Eine solche alternative Schreibweise führt das Etymologicum Gudianum (11. Jh.) an, s. v. Πειραιεὺς· … ἐκ τοῦ περῶ περαίω, περαιεὺς, καὶ πλεονασμῷ τοῦ ἰῶτα Πειραιεύς· ἢ ἐκ τοῦ πείρα Πειραεὺς καὶ Πειραιεύς· πυραιεὺς ὁ μετὰ πύρος ἁλιεύων, διὰ τοῦ υ ψιλοῦ.

In Wirklichkeit leitet sich der Name von περαιεύς (Fährmann) ab.

Übliche Namensformen:
- Πειραιεύς, έως, ὁ über 1000 Belege (besonders bei Historikern und den Att. Rednern) seit Aesop. fab. 75,1 κατὰ τὸν Πειραιᾶ ἐγένετο, τὸ τῶν Ἀθηναίων ἐπίνειον u. ö.; z. B. Hdt. 8,85; Thuk. 1,75,3ff ἔπεισε δὲ καὶ τοῦ Πειραιῶς τὰ λοιπὰ ὁ Θεμιστοκλῆς οἰκοδομεῖν … u. oft; Ps.-Skyl. 57 Σαλαμὶς … ἔπειτα ὁ Πειραιεὺς καὶ τὰ σκέλη καὶ Ἀθῆναι. ὁ δὲ Πειραιεὺς λιμένας ἔχει γʹ (nach Salamis aufgezählt, mit den Langen Mauern und Athen und den drei Häfen; Xen. Hell. 1,1,35 und oft; Aristot. Ath. pol. 38,3 u. oft; Philochoros BNJ 328 F 40a Φιλόχορος ἐν τῆι ε̄ ᾽Αθηναίων φησίν ἀρξαμένων τειχίζειν τὸν Πειραιᾶ, οἱ θ̄ ἄρχοντες τοῦτον ἀναθέντες ἐπέγραψαν· ᾽Αρξάμενοι πρῶτοι τειχίζειν οἵδ᾽ ἀνέθηκαν βουλῆς καὶ δήμου δόγμασι πειθόμενοι (Errichtung einer Hermesstatue anlässlich der Befestigung von Piräeus); Diod. perieg. BNJ² F 35,5 (Gerücht vom altarartigen Grabmonument des Themistokles an der Hafeneinfahrt von Kantharos); Polyb. 16,25,2; Strabo 1,3,18 τόν τε Πειραιᾶ νησιάζοντα πρότερον καὶ πέραν τῆς ἀκτῆς κείμενον οὕτως φασὶν ὀνομασθῆναι; 9,1,15 (Deme mit der Halbinsel Munychia und den Langen Mauern, aufgrund vieler Kriege zu einer unbedeutenden Siedlung um die Häfen und das Heiligtum von Zeus Soter mit seinen prächtigen Kunstwerken heruntergekommen) u. ö.; Plut. Them. 10,7; 19,3f ἐκ δὲ τούτου τὸν Πειραιᾶ κατεσκεύαζε, τὴν τῶν λιμένων εὐφυΐαν κατανοήσας καὶ τὴν πόλιν ὅλην ἁρμοττόμενος πρὸς τὴν θάλατταν … Θεμιστοκλῆς δ´ οὐχ, ὥσπερ Ἀριστοφάνης ὁ κωμικός (equit. 815) φησι, τῇ πόλει ´τὸν Πειραιᾶ προσέμαξεν´, ἀλλὰ τὴν πόλιν ἐξῆψε τοῦ Πειραιῶς καὶ τὴν γῆν τῆς (Hafenbau und durch Themistokles dadurch Anbindung Athens ans Meer), u. oft;
Ptol. 3,15,7 (Μουνυχίας λιμήν, eigentlich einer der drei Häfen von Piräus, wird zusätzlich erwähnt); 19,3.4. 32,5; Paus. 1,1,2f Anlage durch Themistokles; größte Sehenswürdigkeit: Heiligtum für Zeus und Athene; Portrait des Feldherrn Leosthenes und seiner Söhne, gemalt von Arkesilaos in der Säulenhalle eines der beiden Marktplätze; Aphroditeheiligtum am Meer; Pausanias erwähnt in 1,1,4 ebenfalls Munychia als eigenen Hafen) u. ö.; Steph. Byz. s. v. Πειραιός· οὕτως ἐκαλεῖτο ὁ λιμὴν τῆς Ἀττικῆς … (Hafen Atticas); Suda s. v.
- Piraeus, über hundertmal belegt seit Plaut. Bacch. 235 u. ö., z. B. Cat. carm. 64,74 curvis a litoribus Piraei; Cic. Brut. 51 nam ut semel e Piraeo eloquentia evecta est, omnis peragravit insulas; fam. 4,5,4 post me erat Aegina, ante me Megara, dextra Piraeus, sinistra Corinthus, quae oppida quodam tempore florentissima fuerunt, nunc prostrata et diruta ante oculos iacent; fam. 4,12,1f u. ö.; Nep. Them. 6,1 Phalerico portu neque magno neque bono Athenienses uterentur, huius consilio triplex Piraei portus constitutus est isque moenibus circumdatus, ut ipsam urbem dignitate aequiperaret; Alc. 6,1 uniuersa ciuitas in Piraeum descendisset, u. ö.; Prop. 3,21,23 quod superest, sufferre, pedes, properate laborem, / Isthmos qua terris arcet utrumque mare / inde ubi Piraei capient me litora portus, / scandam ego Theseae bracchia longa viae;
Adkjektiv Ov. fast. IV,563; Liv. 31,22,5 u. oft; Mela 2,47 inde ad meridiem terra convertitur usque ad Megaram [atticae] ut modo latere ita nunc fronte pelago adiacens. ibi est Piraeus, Atheniensium portus, Scironia saxa …; Plin. nat. 4,24 nunc sunt ab Isthmo L͞V Piraeus (v. l. pyr- E und a) et Phalera portus, V͞ muro recedentibus Athenis iuncti. … a Piraeo (v. l. pyraeo a) X͞L͞V Sunium promunturium; Plin. nat. 4,57 Aegina … a Piraeo (py- F) Atheniensium portu X͞X abest

Nebenformen:
- Piraeeus Plin. nat. 2,201 intervallo et Atheniensium quinque milium ad Piraeeum memoratur (Beispiel für Neulandentstehung durch Rückzug des Meeres); 35,38;
- Akk. Piraeea Stat. Theb. 12,616 stabilem Piraeea nautis; Front. strat. 1,11,20;
- Cic. Att. 7,3,10 unterscheidet jedoch grammatisch zwischen den “Piraeea”, also dem zum Piraeus gehörenden Stadtgebiet, und “Piraeus”, der Stadt selbst: Venio ad ´Piraeea´, in quo magis reprehendendus sum quod homo Romanus ´Piraeea´ scripserim (vgl. Att. 6,9,1), non ´Piraeum´ (sic enim omnes nostri locuti sunt), quam quod addiderim ( ´ i n ´ ); non enim hoc ut oppido praeposui sed ut loco; auch die Frage ob die Stadt mit oder ohne Präposition steht, wird von Cicero aufgeworfen, jedoch dem Atticus zur Entscheidung anheim gestellt. Beides ist klassisch belegt.
- Pireus Oros. 6,2,5 und gelegentlich bei anderen Autoren als var. lect.
- Pireon Guido 110
- Adjektivische Umschreibungen, z. B. Ov. Met. 6,446 veloque et remige portus / Cecropios intrat Piraeaque litora tangit; Ov. fast. 4,563 Piraeaque tuta recessu / linquit.

Weitere Stellen s. TIR 208.

Haupthafen von Athen mit gleichnamiger Bucht, in Wirklichkeit an der Westküste von Attika gelegen, ca. 8 km von Athen entfernt am Saronischen Golf, eingeschlossen von den Halbinseln Akte und Munichia (s. TIB 233), mit drei natürlichen Häfen: dem Haupthafen Kantharos sowie Zea und Munychia.

Schon neolith. besiedelt. Archaische Grabfunde. Doch erst Themistokles verlegte 493/2 v. Chr. den Hafen von Phaleron in den Peiraieus, der mit seinen drei natürlichen Buchten der Flotte besseren Schutz bot (Thuk. 1,93,3ff; Philochoros BNJ 328 F 40a; Diod. 11,41,2; Nep. Themistocles 6,1). Nach den Perserkriegen wurde der gesamte Peiraieus befestigt (Thuk. 2,13,7). Die Stadtanlage ab ca. 479 v. Chr. schreibt Aristoteles (pol. 1267b 22) dem Hippodamos von Miletos zu. Wohl erst seit dieser Zeit mit neun buleutaí im Rat von Athen vertreten. Nach 460 v. Chr. verband Kimon den Peiraieus durch die “Langen Mauern” mit Athen (Thuk. 1,107,1; 2,13,7). Größte Bedeutung im 5. und 4. Jh. v. Chr., als hier auch viele métoikoi und Fremde wohnten (vgl. die inschriftl. belegten Kulte für fremde Gottheiten).
Die ideale Topographie bildete eine der Voraussetzungen für die Thalassokratie Athens. Nach Ende des Peloponnesischen Krieges wurden 404 v. Chr. Befestigungs- und Marineanlagen zerstört (Lys. 13,8; Xen. hell. 2,2,15-23), deren Wiederaufbau noch vor der Seeschlacht bei Knidos (394 v. Chr.) begann (IG II/III2 1656). Seit der Kapitulation Athens 322 v. Chr. im Lamischen Krieg lag auf der Munichia eine maked. Garnison.
Mit dem Aufstieg von Alexandreia, Rhodos und Delos als Handelszentren Bedeutungsverlust. Im 1. Mithradatischen Krieg 87/6 v . Chr. von Sulla niedergebrannt (App. Mithr. 30ff; 40f; Plut. Sulla 14,7). Cicero fam. 4,5,4 beschreibt die Stadt als schwer verwüstet (s. o.) und Strabo sah in dem nun unbedeutenden Handelshafen Strabo (14,2,9; 9,1,15) nur noch eine kleine Häusergruppe um das Zeus-Heiligtum (s. von Eickstedt, DNP).
Eine gewisse Erholung kam in der Kaiserzeit, doch von den Fördermaßnahmen von Hadrian und Herodes Atticus für Athen profitierte Piräus nur indirekt. Die Wiederbelebung des Hafenverkehrs unter den Antoninen, der auch aus röm. Villenresten ersichtlich ist, war nur von vorübergehender Dauer (s. Lenschau, RE 76f). Infolge der Siedlungsregression in Kaiserzeit und Spätant. legte man Gräber in ehemals besiedeltem Gebiet an (s. von Eickstedt, DNP).
Konstantin versammelte 322 n. Chr. dort noch einmal eine große kaiserliche Flotte (Zos. 2,22,3, s. Lenschau, RE 77). Archäolog. Reste bezeugen für das 4. Jh. noch einmal eine intensive Bautätigkeiten im Hafen, der in dieser Zeit vielleicht eine wichtige Rolle als Transferhafen für Getreidetransporte von Afrika nach Konstantinopel spielte (s. TIR 209 mit Lit.). Letzte Erwähnung für 396 n. Chr. anläßlich des Überfalls des Alaricus (Zos. 5,5,8), danach erscheint der Name fast nur noch in historisch-grammatisch-antiquarischen Kontexten, wenn die Gegend selbst auch noch besiedelt und als – wenn auch unbedeutender - Hafen genutzt wurde (s. TIB 233). Der antike Name kam Mitte des 19. Jh. wieder in Gebrauch.

Archäologische Reste: Wegen Überbauung seit 1835 weitgehend zerstört. Überbleibsel der antiken Mauer des Konon; wenige Spuren vom Mauerring des Themistokles. Reste einer Befestigung auf der Munichia wohl aus der Zeit der maked. Garnison. Schiffshäuser, Fundamente der Skeuothek des Philon. Straßenraster in der Wohnstadt, das offenbar den Stadtplan des Hippodamos wiedergibt. In hell. Zeit baute man die Insulae zu Peristylhäusern oder größeren Komplexen (“Dionysiastenhaus” unter dem Städtischen Theater) um. Die kaiserzeitliche Insula an der Iroon-Polytechniu-Straße überlagert eine klassische Siedlung.
Um den Kantharos-Hafen standen fünf Hallen für den Handel. Heiligtum der Artemis Munichia und das 420 v. Chr. gegr. Asklepieion am Zea-Hafen. Von den beiden Theatern ist das jüngere (um 200 v. Chr.) liegt nahe dem Zea-Hafen erhalten. Als Heroon für Serangos identifizierte man eine Höhlenanlage mit Mosaikböden. Über 100 unterirdische Zisternen und Stollen (vgl. auch Strabo 9,1,15). Ein Kenotaph des 4. Jh. v. Chr. südl. der Einfahrt in den Haupthafen galt später als “Grab des Themistokles” (Paus. 1,1,2; s. von Eickstedt, DNP mit älterer Lit.).

Ausführlich zur Archäologie und Topographie s. Lovén 2011-2021.

Ausführliche Bibliographie nach Grabungsplätzen: TIR J 34.
Aktuellere Auswahlbibliographie Steinhauer 2021, 242f.

Inschriften s. TIR J 34, 208.








Kommentar (Talbert):
There are no onward stretches.

Miller, Itineraria, Sp. 578:
5 (der Verbindungssstrich fehlt).
Pyreo, Pyreon (Ra), Pireon (Gu), = Πειραιεύς, Peiraeus (autt.), Πιραιεύς (CIL III 551 - in Athen gefunden), der jüngste und größte der drei Häfen Athens, an der Westküste der piräischen Halbinsel, durch die "langen Mauern" mit der Stadt verbunden (Παιανιεύς: I ib. 560 - Βησαιεύς: ib. 552 I); j. noch Hafen von Piraeos oder (älterer Name) Porto Drakone, 7 km von Athen entfernt, Ruinen. Iss: CIL III 556-558. 2790 bis 2798.

Datierung (Barrington) :
Peiraieus - Archaic, Classical, Hellenistic, Roman, Late Antique (RE; Traill 1986, 136).

DNP:
Peiraieus
(Πειραιεύς, lat. Piraeus, h. Piräus).
I. Topographie

Großer att. Demos der Phyle Hippothontis, Haupthafen von Athenai an der Westküste von Attika, ca. 7 km von Athen entfernt. Sein Gebiet erstreckt sich zw. dem Aigaleos im Norden und dem Hymettos im Osten als Halbinsel ca. 3 km in den Saronikos Kolpos. Diese Halbinsel umschließt im Westen den “großen Hafen” Kantharos, den die Landzunge der Eetioneia nach Westen abriegelt. Sie wird im Süden vom Höhenrücken der Akte (57 m H) beherrscht und auf der Ostseite vom Munichia-Hügel (86 m H), der z.Z. des Thukydides (2,13,7) nicht unmittelbar zum P. zählte. Zw. Akte und Munichia greift die kreisrunde Bucht Zea von SO her tief ein; an der Ostseite der Munichia liegt eine weitere kleine Bucht mit Hafen (s. Karte).
von Eickstedt, Klaus-Valtin


II. Geschichte

Unter dem Artemis-Heiligtum vermutet Palaiokrassa [3. 10ff.] eine neolithische Siedlung (mit Kontinuität bis in hell. Zeit). Neben archa. Grabfunden ist keine archa. Siedlung nachgewiesen. Auf strategische Bed. bereits E. des 6. Jh.v.Chr. deutet der Versuch des Hippias [1], die Munichia zu befestigen (Aristot. Ath. pol. 19,2). Themistokles verlegte 493/2 v.Chr. den Hafen von der offenen Reede bei Phaleron in den P., der mit seinen drei natürlichen Buchten der Flotte besseren Schutz bot (Thuk. 1,93,3ff.; Philochoros FGrH 328 F 40; Diod. 11,41,2; Nep. Themistocles 6,1). Nach den Perserkriegen wurde der gesamte P. befestigt (nach Thuk. 2,13,7: Gesamtlänge der Befestigungsanlagen 60 Stadien = 10,5 km, tatsächlich 13 km). Die Stadtanlage des P. ab ca. 479 v.Chr. schreibt Aristoteles (pol. 1267b 22) Hippodamos von Miletos zu. Wohl erst seit dieser Zeit war der P. mit neun buleutaí im Rat von Athen vertreten. Nach 460 v.Chr. verband Kimon [2] den P. durch die “Langen Mauern” mit Athen (Thuk. 1,107,1; 108,3; 2,13,6). Größte Bed. und dichteste Besiedlung erlebte der P. im 5. und 4. Jh.v.Chr., als hier auch viele métoikoi und Fremde wohnten - vgl. die inschr. belegten Kulte für fremde Gottheiten (Baal, Bendis, Isis, Men, Nergal, Sarapis).

Die ideale top. Situation des P. bildete eine der Voraussetzungen für die Thalassokratie Athens. Molen, von denen eine am Munichia-Hafen erh. ist, verengten die verschließbaren Hafeneinfahrten. Alle drei Häfen besaßen Schiffshäuser. Nach dem E. des Peloponnesischen Krieges wurden 404 v.Chr. Befestigungs- und Marineanlagen zerstört (Lys. 13,8; Xen. hell. 2,2,15), deren Wiederaufbau noch vor der Seeschlacht bei Knidos (August 394 v.Chr.) begann (IG II/III2 1656). Mitte des 4. Jh.v.Chr. standen am Kantharos (dem Haupthandelshafen) 94, am Munichia-Hafen 82 und an der Hauptmarinebasis, dem Zea-Hafen, 196 Schiffshäuser (IG II/III2 1627-1629; 1631) sowie Zeughäuser (skeuothḗkai) für die Ausrüstung der Kriegsschiffe (Takelage, Ruder u.a.). Zw. 347 und 330 v.Chr. errichtete Philon [6] an der Westseite des Zea-Hafens die berühmte, nach ihm benannte Skeuothek (IG II2 1668; Reste: [1. 44ff.]). Seit der Kapitulation Athens 322 v.Chr. im Lamischen Krieg lag auf der Munichia eine maked. Garnison. Mit dem Aufstieg von Alexandreia [1], Rhodos und Delos als Handelszentren verlor der P. zunehmend an Bed. Im 1. Mithradatischen Krieg wurde er 87/6 v.Chr. von Cornelius [I 90] Sulla belagert, erobert und gebrandschatzt (App. Mithr. 30ff.; 40f.; Plut. Sulla 14,7), die Skeuothek des Philon zerstört. In dem nun unbed. Handelshafen sah Strab. 14,2,9 ‘eine kleine Häusergruppe um das Zeus-Heiligtum’. Zu einer Erholung kam es in der Kaiserzeit [2]. Infolge der Siedlungsregression in Kaiserzeit und Spätant. legte man Gräber in ehemals besiedeltem Gebiet an. Der P. wird letztmals 396 n.Chr. anläßlich des Überfalls des Alaricus [2] unter dem ant. Namen erwähnt (Zos. 5,58); im MA war der Name P. vergessen (seit Mitte des 19. Jh. wieder P.).
von Eickstedt, Klaus-Valtin

III. Archäologie

Die mod. Überbauung seit 1835 hat den ant. P. weitgehend zerstört. Reste der ant. Ummauerung, bes. auf der Südseite der Akte, stammen vom Wiederaufbau unter Konon [1]; vom Mauerring des Themistokles sind nur geringe Spuren erh. Auf ihn gehen wohl das “Asty-Tor” und das “Tor zw. den Langen Mauern” auf der Nordseite der Stadt sowie das “Eetioneia-Tor” auf der Eetioneia-Halbinsel westl. des Kantharos-Hafens zurück, die aber in der erh. Form aus Kononischer oder noch späterer Zeit stammen. Offenbar folgte die Kononische Mauer der Themistokleischen. Reste einer Befestigung auf der Munichia stammen wohl aus der Zeit der maked. Garnison. Schiffshäuser wurden am Zea- und am Munichia-Hafen gefunden, auf der Westseite des Zea-Hafens Fundamente der Skeuothek des Philon. In der Wohnstadt ist ein rechtwinkliges Raster aus ca. 7-8 m breiten und ca. 3-4 m schmalen Straßen nachweisbar, das offenbar den Stadtplan des Hippodamos wiedergibt; die Insulae (Tiefe ca. 40 m) bestanden aus zwei Häuserreihen. Die Grundstücke maßen ca. 12 × 20 m. Charakteristisch für die Häuser sind ein großer Innenhof und ein Andron [4], ein “Typenhaus” [1] ist nicht verifizierbar. In hell. Zeit baute man die Insulae zu Peristylhäusern (Haus II.B.4.; Reste unter der Höheren Industrieschule von P.) oder größeren Komplexen (“Dionysiastenhaus” unter dem Städtischen Theater) um. Die kaiserzeitliche Insula an der Iroon-Polytechniu-Straße überlagert eine klassische. Das ant. Zentrum, die hippodamische Agora mit dem Heiligtum des Zeus Soter und der Athena Soteira (Strab. 9,1,15; Paus. 1,1,3), ist arch. nicht nachgewiesen.

Um den Kantharos-Hafen standen fünf Hallen für den Handel, u.a. die Alphitopolis-Stoa für den Getreidehandel sowie das sog. deígma für Geldwechsler und die Ausstellung von Waren. Von zwei Hallen fanden sich Fundamente. Freigelegt wurden ferner das Heiligtum der Artemis Munichia über dem Munichia-Hafen mit einer Dependance auf dem Munichia-Hügel und das 420 v.Chr. gegr. Asklepieion am Zea-Hafen. Von den beiden Theatern des P. ist das ältere im Dionysos-Heiligtum am Westhang der Munichia (Thuk. 8,93,1) nicht erh. Das jüngere (um 200 v.Chr.) liegt nahe dem Zea-Hafen beim Arch. Museum. Als Heroon des Heros Serangos (vgl. Isaios 6,33; Alki. 3,4,3; Phot. und Hesych. s.v. Σηράνγγειον) identifizierte man eine Höhlenanlage mit zwei großen Kammern, Mosaikböden und zwei Wasserkammern. Der Wasserversorgung des P. dienten unterirdische Zisternen und Stollen, von denen über 100 bei Notgrabungen nachgewiesen wurden. Bereits Strab. 9,1,15 bezeichnet den Munichia-Hügel als unterhöhlt (lóphos hypónomos). Ein Kenotaph des 4. Jh. v.Chr. an der Küste südl. der Einfahrt in den Haupthafen galt später als “Grab des Themistokles” (Paus. 1,1,2).
von Eickstedt, Klaus-Valtin

Literatur:

Athanasopulos, Geōrgios: Peiraias: periēgētikos archaiologikos odēgos, Peiraias 2016.

Athanasopoulos, Panagiotis: Shipsheds, the 5th Cenury BC Athenian Naval Bases in Piraeus: Constructing a New Maritime Identity, in: Werner Rieß (Hg.): Colloquia Attica II, neuere Forschungen zu Athen im 5. Jahrhundert v. Chr. (= Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne 12), Stuttgart 2021, 105-118.

Garland, R.: The Piraeus, London 1987.

Grēgoropulos, Dēmētrēs: The Piraeus from 86 BC to Late Antiquity: Continuity and Change in the Landscape, Function and Economy of the Port of Roman Athens, The annual of the British School at Athens 111 (2016), 239-268.

Hansen, Mogens Herman: 361. Athenai, in: Hansen, Mogens Herman/Nielsen, Thomas Heine: An inventory of archaic and classical poleis, Oxford 2004, 626-637.

Iacoviello, Antonio: Exemplary and politics of memory: The recovery of the Piraeus by Olympiodoros of Athens, The Classical Quarterly 71/2 (2021), 617-623.

Kephalidu, Eurydikē: "The Dioskouroi Between Athens and Sparta" Once Again: A New Attic Red-figure Vase with "Saltantes Lacaenae" from Piraeus, in: Jenifer Neils/Olga Palagia (Hgg.): From Kallias to Kritias. art in Athens in the second half of the fifth century B.C., Berlin – Boston 2022, 313-336.

Lenschau, Thomas: Peiraieus, in RE 9,1 (1937), 71-100.

Lovén, Bjørn et al.: The Ancient Harbours of the Piraeus (= Monographs of the Danish Institute at Athens 15,1-5), 3 Bde., Athen 2011-2021.

Miller, Itineraria, Sp. 578.

Panagos, Ch. Th.: Ο Πειραιεύς, Οικονομική και ιστορική έρευνα από των αρχαιοτάτων χρόνων μέχρι του τέλους της ρωμαϊκής αυτοκρατορίας Αθήνα, 2nd edition with new information on the topography and economical life of from G. A. Steinhauer, Athen 1995.

Steinhauer, Georg: Piraeus: Harbors, Navy, and Shipping, in: Neils, Jenifer/Rogers, Dylan Kelby (Hgg.): The Cambridge companion to ancient Athens, Cambridge 2021, 231-243.

Traill, J. S.: Demos and trittys: epigraphical and topographical studies in the organization of Attica, Toronto 1986, 136.

Vlizos, Stavros: Eine Kaiserzeitliche Statuengruppe aus dem Piräus, Antike Plastik 31 (2016), 41-54.

von Eickstedt, Klaus-Valtin (Athen), “Peiraieus”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik,, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Consulted online on 12 August 2019
First published online: 2006.

   [Standard-Literatur-Liste im PDF-Format]

Letzte Bearbeitung:

21.02.2023 21:45


Cite this page:
https://www1.ku.de/ggf/ag/tabula_peutingeriana/trefferanzeige.php?id=972 [zuletzt aufgerufen am 28.11.2024]

Impressum Datenschutzerklärung