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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Essedones Scythae

Name (modern):

 

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher
Toponym nachher
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington 2000)
Bild (Scheyb 1753) ---
Bild (Welser 1598) ---
Bild (MSI 2025) ---
Großraum:

Asien östl. d. Maiotis

Toponym Typus:

Ethnikon

Planquadrat:

11A3

Farbe des Toponyms:

rot

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

 

RE:

Issedoi

Barrington Atlas:

Issedones (6 G2)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Essedones Scythae

Levi:

 

Ravennat:

Esidis Scithon (p. 20.40)

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Ἰσσηδόνες μέγα ἔθνος (6,16,5)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Archaik

Begründung zur Datierung:

Die ältesten Belege für die Issedonen als Volk im hohen Norden der Oikumene bieten Alkman, Aristeas und Herodot. Daher kann dieser Eintrag auf der Tabula Peutingeriana einer sehr frühen, vielleicht archaischen Rezeptionsstufe zugewiesen werden.

Kommentar zum Toponym:

Der Schriftzug lässt klar erkennen, dass zuerst die geographischen Gegebenheiten (Gebirge, Flüsse usw.) eingezeichnet und in einem weiteren Arbeitsgang die entsprechenden Beschriftungen vorgenommen wurden: Der Schreiber hat bei ESSEDONES einen vergleichsweisen großen Abstand zwischen dem O und dem N gelassen, um Überschneidungen von Buchstaben und dem Flusslauf zu vermeiden.
Gemeint sind sicherlich die zum skythischen Stammesverband gehörigen Issedonen, deren älteste Bezeugungen von Alkman (fr. 156 Davies: Ἐσσεδόνες / Ἀσσεδόνες), Aristeas (fr. 4 Bernabé: Ἰσσηδοί) und Herodot (4, 16, 1. 25, 2-26, 2: Ἰσσεδόνες) stammen. Die Variante Essedones benutzen z.B. Plinius (nat. 4, 88; 6, 21. 49. 50), Mela (2, 8. 13; 49, 6f.: Essedones) und Solinus (49, 7); vgl. aber auch Alkman (fr. 156 Davies: Ἐσσεδόνες / Ἀσσεδόνες), Ammianus Marcellinus (23, 6, 66: Essedones) und der Geograph von Ravenna (p. 60, 17: Esidis Scython). Das Ethnonym Issedones findet sich bei Aristeas (fr. 4 Bernabé: Ἰσσηδοί), Herodot (4, 16, 1. 25, 2-26, 2: Ἰσσεδόνες) und Ptolemaios (6, 14, 4: Ἰσσηδὼν Σκυθική „Skythisches Issedon“; 6, 15, 4: Ἰσσηδὼν Σκυθική; 6, 16, 5: Ἰσσηδόνες μέγα ἔθνος; 6, 16, 7: Ἰσσηδὼν Σηρική „Serisches Issedon“; 8, 24, 3: Ἰσσηδὼν ἡ Σκυθική). Der Eintrag des Ethnonyms auf der Tabula Peutingeriana) orientiert sich (ebenso wie viele Einträge im Osten und Nordosten der TP) möglicherweise an Plinius; über die Wohngebiete der Essedones besteht aber offenbar Unsicherheit: Plinius nennt sie zweimal, im Osten des Schwarzen Meeres und östlich des Kaspischen Meeres, was zweifellos der Verwechslung von Maiotis und Kaspischem Meer geschuldet ist.
Auf der Hereford-Karte werden die Essedonen, in den antiken Texten oft zu den bluttrinkenden und menschenfressenden Wilden gezählt (vgl. Hdt. 4, 26; Mela 2, 8. 13; Solin. 49, 7; vgl. auch Plin. nat. 6, 53, der an dieser Stelle die Anthropophagi Scythae ohne gleichzeitige Nennung der Essedones bezeugt), als Inclusi dargestellt, die Alexander der Große im Auftrag Gottes durch die Verriegelung der Kaspischen Pforte mit einem Eisentor nördlich des Kaukasus habe einsperren lassen, um ihnen den Zugang zur Welt zu nehmen. Auf der Ebstorfer Weltkarte drastisch in Text und Bild dargestellt ist das grausige Treiben dieser mit Gog und Magog identifizierten Völkerschaften (gentes immundas Gog et Magog ... Hii humanis carnibus wescuntur et sanguinem bibunt), die nach Ezechiel eschatologisch verstandenen und von Mitternacht hereinbrechenden Gegner des Gottesreiches (Ez 38f.; Offb 20, 7-10), die alle nicht durch Wälle geschützten Völkerschaften überfallen. An dieser Stelle auf der Tabula Peutingeriana zeigt sich in besonderer Deutlichkeit, wie sich diese Karte mit der Unterdrückung direkter biblischer und mythologischer Bezüge von anderen mittelalterlichen und zeitgenössischen Karten unterscheidet: Die Issedonen sind durch den entsprechenden Eintrag des Ethnonyms auf der Karte platziertund nicht etwa als Scythae Anthropophagi wie z.B. bei Julius Honorius (13 B [p. 31 GLM Riese]: Scythae Anthropophagi; 38 B [p. 45 GLM Riese]: Scythae Anthropophagi gens). Das Verspeisen ihrer verstorbenen Vorfahren als Brauch dieses Volkes, ein häufig wiederholter Randvölker-Topos (vgl. z.B. Hdt. 1, 216, 1f.: Μασσαγέται; Hdt. 3, 38, 4: Καλλατίαι; 3, 99, 1f.: Παδαῖοι; nicht näher spezifizierte Skythen Hdt. 4, 100, 2. 106, 1: Ἀνδροφάγοι; Strab. 11, 11, 8 [520]: οἱ Δέρβικες; Plin. nat. 4, 88; 7, 11: Anthropophagi), wird dem Betrachter der Karte nicht mitgeteilt. - Vgl. auch zu [ - ? - ]M[ - ? - ]+ (Sinus Carmanius = Kaspisches Meer), MaRe· HyRcaNiVM· (Mare Hyrcanium = Kaspisches Meer) und Ara Alexandri· .

Literatur:

Miller, Mappaemundi IV, 24; Miller, Itineraria, 625; Albert Herrmann, in: RE X / 2, 1919, 2235-2246 s.v. Issedoi; Helmut Humbach, Historisch-Geographische Noten zum sechsten Buch der Geographie des Ptolemaios, in JRGZ 19, 1972, 89-98, hier 96; Sverre Bøe, Gog and Magog: Ezekiel 38-39 as Pretext for Revelation 19,17-21 and 20,7-10, Tübingen 2001 (= WUNT 2 / 135); Klaus Karttunen, India in Early Greek Literature, Helsinki 1989 (= Studia Orientalia 65), 197-202; Eileen M. Murphy / James P. Mallory, Herodotus and the Cannibals, in: Antiquity 74 / 2, 2000, 388-394; Klaus Karttunen, in: DNP 6, 1999, 152 s.v. Kalatiai; Reinhold Bichler, Herodots Welt. Der Aufbau der Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer Zivilisation und ihrer Geschichte, Berlin 2001 (2. Aufl.) (= Antike in der Moderne), 36f. 54 mit Anm. 138; Scott D. Westrem, The Hereford Map: Α Transcription and Τranslation of the Legends with Commentary, Turnhout 2001, Nr. 141; Alexander V. Podossinov, Eastern Europe in Roman Cartographic Tradition, Moscow 2002, 376 (auf Russisch); Naomi Reed Kline, Maps od Medieval Thought: The Hereford Paradigm, Woodbridge 2003 (2. Aufl.), 143f. 152. 185; Leonid S. Chekin, Northern Eurasia in Medieval Cartography. Inventory, Text, Translation and Commentary, Turnhout 2006, 165. 224; David Asheri / Alan Lloyd / Aldo Corcella, A Commentary on Herodotus: Books I-IV, Oxford 2007, 554-560. 600-602 u.ö.: Hartmut Kugler / Sonja Glauch / Antje Willing, Die Ebstorfer Weltkarte. Kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden, Band 2, Berlin 2007, Nr. 8/7 und Nr. 15/A2; Ingrid Baumgärtner, Die Welt als Erzählraum im späten Mittelalter, in: Dies. / Paul-Gerhard Klumbies / Franziska Sick (Hrg.), Raumkonzepte. Disziplinäre Zugänge, Göttingen 2009, 154-177, hier 159f.

   [Standard-Literatur-Liste im PDF-Format]

Letzte Bearbeitung:

11.01.2023 16:23


Cite this page:
https://www1.ku.de/ggf/ag/tabula_peutingeriana/einzelanzeige.php?id=2447 [zuletzt aufgerufen am 29.11.2024]

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