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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Fluvius Girin

Name (modern):

(probably well to S of map) (Barrington)

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher
Toponym nachher
Alternatives Bild
Bild (Barrington 2000) ---
Bild (Scheyb 1753) ---
Bild (Welser 1598) ---
Bild (MSI 2025) ---
Pleiades https://pleiades.stoa.org/places/ 349591
Großraum:

Ägypten/Nil/Äthiopien

Toponym Typus:

Fluss

Planquadrat:

6C1 / 6C2 / 6C3 / 6C4 / 6C5 / 7C1 / 7C2

Farbe des Toponyms:

schwarz

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

Gir (DNP)

RE:

Gir

Barrington Atlas:

Geir fl. (35 unlocated)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Fl´ Girin

Levi:

 

Ravennat:

 

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Νίγειρ (4,6,14; 4,6,16; 4,6,25)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Klassik (5./4. Jh.)

Begründung zur Datierung:

Die Darstellung des Nil bzw. Giris in Westafrika mit der Verbindung zum Südozean dürfte letztendlich auf Herodot zurückgehen, aber im Rezeptionsprozess der Karte mehrfach überarbeitet worden sein. Eine letzte Aktualisierung ist in der Kaiserzeit anzusetzen, früher ist das Hydronym Giris nicht belegt.

Kommentar zum Toponym:

Den ältesten Beleg für die Vorstellung eines von West nach Ost durch den afrikanischen Kontinent laufenden Nil mit einer Verbindung zum Atlantik liefert Herodot (2, 33, 2; vgl. auch Hdt. 2, 21). Er berichtet in seiner Erzählung von der Nasamonen-Expedition (Hdt. 2, 32f.), dass die im nördlichen Libyen an der Großen Syrte beheimateten Nasamonen auf einem der transsaharischen Karawanenwege nach Südwesten - möglicherweise bis in die fruchtbare Senke von Fezzan - gezogen seien und einen von Krokodilen bevölkerten großen Fluss gesehen hätten.
Die Abschnitte des Nil haben verschiedene Namen, wobei die Benennung nicht einheitlich ist. So bezeichnet das Hydronym Giris mit seinen Varianten meistens den Oberlauf des Flusses von seiner Quelle im Atlas-Gebirge bis zum ägyptischen Grenzort Syene, also bis zum ersten Katarakt und ab dort heiße er Nil (Vitr. 8, 2, 6), Aigyptos (vgl. auch Hom. Od. 4, 477f.) oder Triton (Apollonios Rhodios 4, 269). Gelegentlich wird der Name Ger und Giris jedoch nur für den Nilabschnitt zwischen der „Insel Meroë“ und Syene verwendet (Hekataios FGrHist 1 Frg. 353; Solin. 32, 8; vgl. auch Dicuil 6, 11 [p. 25, 13 Parthey, De mensura orbis terrae]). Er durchquert das erste Katarakt bei Syene, um von dort aus als ruhig fließender Fluss nach der Überwindung einer langen Strecke das Meer zu erreichen (Plin. nat. 5, 53f.; Solin. 32, 7f.). Die Darstellung des in den Südozean mündenden Girin ist z.B. auch bei Iulius Honorius bezeugt (47A: Fluvius Nilotis nascitur in Athlantico Campo). Unter dem Hydronym Ger kennen die antiken Geographen also mehrere westafrikanische Flüsse, wobei schon die zu Grunde liegende libysche Wurzel g(h)er bzw. g(h)ir „fließendes Wasser“ die mehrfache Verwendung dieses Flussnamens erwarten lässt und eine Verortung der genannten Wasserläufe schwierig macht.
Südlich bzw. südwestlich des "großen Sees" (Hdt. 4, 29: λίμνη μεγάλη), aus dem der Nil nach Unterägypten fließt, verläuft der auch als Giris bezeichnete Fluss streckenweise unterirdisch. Dass hinter dieser Darstellung auf der Tabula Peutingeriana die Vorstellung des Nil als ein Fluss von immenser Länge steht, der einen Großteil von Afrika bzw. Libyen vom Südozean bis ins Mittelmeer durchquert und den "großen See" durchströmt und nicht etwa an mehrere voneinander unabhängige Flüsse gedacht ist, bestätigen zwei Beischriften: Hoc flumen quidam Grin vocant. Alii Nilum appellant. Dicitur enim sub terra Etyopum in Nylum ire lacum (6C5–7C1); die Rekonstruktion der Beischrift mit dem Demonstrativpronomen hoc als erstes Wort erfolgte nach Welser, Scheyb und Miller, die die Zeichenreste am rechten Rand von Segment 6 noch vollständig entziffern konnten (Miller, Weltkarte des Castorius, 110). Die von Talbert (https://www.cambridge.org/us/talbert/talbertdatabase/TPPlace3419.html) gelesenen "two (?) letters" am Anfang dieser Beischrift gehören zu Hoc und sind Reste vom H und der linken Hälfte des o; hinter dem o nicht mehr sichtbar ist das c, was auch den von Talbert angesprochenen auffällig großen Abstand zum folgenden Wort erklärt.
Auf der TP auffällig ist die Gestaltung der Regionen, die der Giris durchströmt: Außer dem Fluss selbst, findet sich außer der soeben angesprochenen Beischrift zu seinem streckenweise unterirdischen Verlauf kein einziger Eintrag. Visualisiert wird auf diese Weise offenbar Plinius’ Beschreibung der Wüstenregionen am Oberlauf des Nil bzw. Giris (Plin. nat. 5, 51. 52), bevor der Fluss den „großen See“ erreicht; relevant sind die drei folgenden Passagen:
1) Nilus incertis ortus fontibus, ut per deserta et ardentia et inmenso longitudinis spatio ambulans … „Der Nil entspringt aus nicht näher zu lokalisierenden Quellen, so wie er auch durch Wüsten und brennend heiße Gegenden auf der ungeheuren Strecke seiner Länge fließt …“;
2) ex hoc lacu profusus indignatur fluere per harenosa et sqalentia … „Sobald er aus diesem See ausgetreten ist, verschmäht er es, durch sandige und wüste Gegenden zu fließen …“;
3) … iterum harenis receptus conditur rursus XX dierum desertis ad proximos Aethiopas … „… Erneut vom Sand aufgenommen, verbirgt er sich wieder 20 Tagesreisen in der Wüste bei den zunächst wohnenden Aithiopen …“ (Übersetzungen aus: Plinius Secundus der Ältere, Naturkunde/Naturalis historia libri XXXVII, Buch V, Geographie: Afrika und Asien. Hrsg. und übersetzt von Roderich König/Gerhard Winkler, München/Zürich 1993 [Sammlung Tusculum], 41. 43). Auf den teilweise unsichtbaren Nil bezieht sich auch die über dem See und unterhalb der Montes Cyreni angebrachte Beischrift, der zufolge der Nil paludi simili Maeotidi per quem Nilus transit „durch einen Sumpf, ähnlich der Meotis fließt“ (7C5). Ebenso wie der "große See" bereits auf der Beatuskarte von Saint-Sever (wohl nach 1065 entstanden) als ein Gewässer von auffälliger Größe mit einer umlaufenden Zackenstruktur dargestellt ist und der östliche der beiden Quellflüsse des Nil seinen Ursprung in der Gebirgskette am Südrand der Oikumene hat, entspringt auch der als Giris auf der Tabula Peutingeriana eingezeichnete Fluss im oder an dem großen Gebirge am Südrand der Oikumene.
Die Darstellung des in den Südozean mündenden Girin auf der Tabula Peutingeriana könnte letztendlich auf Herodot (Hdt. 2, 33, 2; vgl. auch Hdt. 2, 21) zurückgehen und ist z.B. auch bei Iulius Honorius bezeugt (47A: Fluvius Nilotis nascitur in Athlantico Campo). Die konkrete Visualisierung dürfte aber auf der von Juba vertretenen Ansicht (Plin. nat. 5, 51 = Juba FGrHist 275 frg. 38) beruhen, dass der Fluss nahe beim Ozean in einem Gebirge entspringe. - Vgl. auch Fl? Nilus qui diuidit asiam ·t libiam· (hier ausführlicher zu den Flüssen am Südrand der Oikumene), Lacus Nusaptis vel Niludicus, Nesamones· (Nasamonen) und Pernicide portum· (Berenike Trogodytike, hier ausführlicher zu dem Gebirge am Südrand der Oikumene).

DNP:
Gir

Fluß, der im Hohen Atlas entspringt, vermutlich der Oued Guir. Zu ihm drang 42 n.Chr. C. Suetonius Paullinus vor. Belegstellen: Plin. nat. 5,15 (Ger); Ptol. 4,6,13; 16; 31 (Γείρ); Geogr. Rav. p. 2,69; 3,14; 36,28; 37,11 (Ger); Claud. carm. 21,252 (Gir); Anon. Geographia Compendiaria 31 (GGM II 502; Γίρ).

Huß, Werner (Bamberg)

Literatur:

Miller, Itineraria, Sp. 949; Hermann Dessau, in: RE VII / 1, 1910, 1366 s.v. Gir; Friedrich Windberg, in: RE XVII / 1, 1936, 190-199 s.v. Niger 1; Werner Huss, in: DNP 4, 1998, 1075 s.v. Gir; Reinhold Bichler, Herodots Welt. Der Aufbau der Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer Zivilisation und ihrer Geschichte, Berlin 2001 (2. Aufl.) (= Antike in der Moderne), 24. 39; Alfred Stückelberger/Gerd Graßhoff (Hrg.), Klaudios Ptolemaios. Handbuch der Geographie. Griechisch-Deutsch. Einleitung, Text und Übersetzung, Index, 1. Teil: Einleitung und Buch 1-4 , Basel 2006, 449 Anm. 109; Hartmut Kugler / Sonja Glauch / Antje Willing, Die Ebstorfer Weltkarte. Kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden, Band 2, Berlin 2007, 273. 302; Raimund Schulz, Der Weg nach Timbuktu: Transsaharische Horizonte der mediterranen Welt im 5. Jahrhundert v.Chr., in: OT 14, 2016, 69-91, hier 81f.; demnächst auch Monika Schuol, Das Horn von Afrika und der Südrand der Oikumene auf der Tabula Peutingeriana im kartographiegeschichtlichen Kontext, in: OT 18. - Weitere Literatur findet sich in den am Ende des Kommentars angegebenen Links.

H. Dessau, s.v. G., RE 7, 1366.

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Letzte Bearbeitung:

05.11.2024 10:59


Cite this page:
https://www1.ku.de/ggf/ag/tabula_peutingeriana/einzelanzeige.php?id=2622 [zuletzt aufgerufen am 27.11.2024]

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