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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Fluvius Nilus qui diuidit Asiam et Libiam (Fluvius Nilus qui dividit Asiam et Libiam)

Name (modern):

Nil/Nile

Bild:
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Alternatives Bild ---
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Pleiades https://pleiades.stoa.org/places/ 727172
Großraum:

Ägypten/Nil/Äthiopien

Toponym Typus:

Fluss

Planquadrat:

8C1 / 8C2

Farbe des Toponyms:

rot

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

Aigyptos (Nil im DNP)

RE:

Nil

Barrington Atlas:

Nilus fl. (74 E4)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Fl´ Nilus qui diudit asiam et libiam.

Levi:

 

Ravennat:

 

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

 

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Archaik

Begründung zur Datierung:

Die Beischrift, die den Nil als Grenze zwischen Asien und Libyen charakterisiert, basiert letztendlich auf den geographischen Vorstellungen der ionischen Naturphilosophen, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Eintrag selbst erst in der Kaiserzeit auf die Karte gelangt ist.

Kommentar zum Toponym:

[Kommentar (PK): Auf einen geeigneten Bildausschnitt einigen, Mündung? Verlauf? "Quelle"?]

In der kartographischen Darstellung der antiken Welt auf den mittelalterlichen mappae mundi spielen Flüsse oder auch ganze Flusssysteme als raumstrukturierende Elemente eine wichtige Rolle: Auf den TO-Karten bildet der Nil, in der Odyssee als Αἴγυπτος (z.B. Hom. Od. 2, 300; 4, 351. 355. 483; 14, 246. 275; 17, 427) und bei Hesiod (theog. 338) erstmals als Νεῖλος bezeichnet, zusammen mit dem Mittelmmeer und dem Tanais das T zwischen den Kontinenten. Diese Form der Oikumene-Darstellung ist erstmals seit Isidor von Sevilla nachweisbar (Isid. etym. 14, 2-5) und letztendlich auf Pomponius Mela (1, 9. 15. 20) basiert (Woodward, Medieval Mappaemundi, 301-304; Brodersen, Antike Weltbilder, 119-124). Auch auf der Tabula Peutingeriana ist der Nil als einer der längsten Flüsse und mit dem großen Delta sehr aufwändig gestaltet, wobei das korrekt nach Norden ausgerichtete Nildelta mit der scharfen Abknickung des Flusses nach Westen direkt unter dem Scheitelpunkt des Deltas auffällig ist. Diese kartographishe Gestaltung ist freilich auch bedingt durch die extreme Ost-West-Verzerrung der dargestellten Landmassen auf der Tabula Peutingeriana, aber in ähnlicher Ausführung auch auf den Beatuskarten des 10. bis 13. Jahrhunderts (z.B. die Karten von Saint-Sever, wohl nach 1065 entstanden, und Arroyo aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) zu sehen. Der von Bergen gesäumte See, in dem der Nil (scheinbar) entspringt, ist südlich von Syene bei der Insel von Meroë platziert und in ähnlicher Form bereits auf der Beatus-Karte von Saint-Sever zu sehen. Es handelt sich bei diesem als LACVS NVSAPIVS und LACVS NILVDICVS bezeichneten Gewässer also wahrscheinlich nicht um den z.B. bei Plinius in Mauretanien bezeugten lacus Nilis (nat. 5, 51 [Neilis]), sondern um einen der griechisch-hellenistischen Tradition zuzuweisenden See im Gebiet der Nubier (Hdt. 4, 29: λίμνη μεγάλη; Ptol. 4, 6, 13. 16. 18: Νοῦβα λίμνη; Iul. Hon. 47A [p. 52 GLM Riese]: lacus Nilotis). Dieser See wird vom Nil durchflossen (Hdt. 4, 29), der auch als Giris bezeichnet wird, seine Quelle am Atlas-Gebirge hat und als streckenweise unterirdisch verlaufender Fluss den See in Nubien erreicht (vgl. die Links am Ende des Kommentars).
Der Nil ist auf der Karte als Grenzfluss zwischen den Kontinenten Libyen (Africa) und Asien ausgewiesen: flumen Nilus qui diuidit Asiam et Libiam. Das Gegenstück zum Nil bildet dem orbis tripartitus-Konzept entsprechend auch auf der Tabula Peutingeriana der Tanais als Grenzfluss zwischen Asien und Europa: Flumen Tanais qui diuidit asiam et europam (7A5-8A2). Dass in der Beischrift am Nil Asien und Libyen nebeneinander genannt werden, Libyen also den westlich des Nil gelegenen Kontinent bezeichnet, spiegelt die geographischen Vorstellungen der ionischen Naturphilosophen (Hekataios von Milet; vgl. Hdt. 2, 15f.) und Skylax 106f. (GGM 1, 81) von der dreigeteilten Kontinentalmasse wieder, gegen die Herodot wiederholt polemisiert (Hdt. 2, 5-18; 4, 42, 1). Im Nildelta ist es der westliche (kanopische) Mündungsarm, der die Grenze zwischen Asien und Libyen bildet (Pol. 3, 37).
Die römische geographische Tradition erhält die Vorstellung vom Nil als Grenzfluss aber aufrecht, so Strabo in kritischer Auseinandersetzung mit Eratosthenes (Strab. 2, 5, 32f. [130]; 15, 1, 1 [685]; 17, 3, 1 [824f.]) wie Mela bei seiner Beschreibung der dreigeteilten Welt (1, 8): … ad Nilum Africam, ad Tanaïn Europen. ultra quicquid est, Asia est „… Bis zum Nil Afrka, bis zum Don Europa. Alles was jenseits davon liegt, ist Asien.“ Offenbar ist Libyen als Bezeichnung der Regionen westlich des Nil aber auch kaiserzeitlich geläufig, vgl. Plin. nat. 5, 1: Africam Graeci Libyam appellavere „Afrika nannten die Griechen Libyen“ und die spätantike, möglicherweise auf Agrippas Karte bzw. dessen commentarii fußende Divisio Orbis Terrarum (1, p. 15 GLM Riese): Orbis dividitur tribus nominibus: Europa, Asia, Libya vel Africa. Auch wenn anstelle von Asien Äthiopien genannt wird, behält der Nil seine Funktion als Grenze. Dass aber über die Grenze zwischen den Erdteilen Afrika und Asien bzw. den entsprechenden Regionen Unsicherheit bestand, bezeugen z.B. Pomponius Mela, der das gesamte Ägypten zu Asien rechnet (1, 40), und Dionysios Periegetes mit seinen widersprüchlichen Angaben zur Trennung von Libyen und Asien - einmal durch den Nil (Dion. Per. 230f.), das andere Mal durch das Rote Meer (Dion. Per. 23-25), die er möglicherweise verschiedenen Aussagen seiner Vorlagen verdankt (Brodersen, Antike Weltbilder, 118-120; Ilyushechkina, Das Weltbild des Dionysius Periegetes, 145 mit Anm. 47. 153. 157 mit Anm. 103. 159 Anm. 115). - Vgl. auch Delta·, Flum̄ Tanais qui diuidit asiam (et) europam, Lacus Nusaptis vel Niludicus, Hic montes subiacent paludi simili Meotidi, per quem Nilus transit und Fl? GIRIN· (Giris), hier auch zu der Beischrift Flvm(en) q(vi)dam grin vocant alii nilvm appellant dicit(vr) eni(m) svb terra etyopvm i(n) nylvm ire lacv(m).



Miller, Itineraria, Sp. 879-880:
Fl´ Nilus qui diudit asiam et libiam. Die alte Ansicht, dass der Nil die beiden Erdteile Asien und Libyen trenne, findet sich schon bei Hd 2, 15; Ra, Proc de aedif. 6, 1: Was zur Rechten des Flusses ist, heißt Asien, was zur Linken Libyen. Über den Nil herrschen im Altertum zwei grundverschiedene Anschauungen, welche man als die ältere und jüngere bezeichnet. Die ältere Ansicht haben die Römer fast ausschließlich zu der Ihrigen gemacht; sie ist schon von Hd vertreten, gilt später als die Ansicht des Königs Juba und ging von Agrippa, Pl auf die römisch-mittelalterlichen Weltkarten über. Die Griechen dagegen (Eratosthenes, St, Pt) lassen den Nil richtig in Äthiopien entspringen und aus den zwei Quellflüssen Astapus und Astaboras sich bilden. Nach der alten, römischen Ansicht entspringt der Nil im Westen von Afrika, nicht weit vom Atlas und Atlantischen Ozean, in Mauretanien in dem See Nilis. Man kann an eine Verwechslung der Quellgebiete des Niger und Nil denken, tatsächlich ist aber der Nigir als der Grenzfluss des Römerreichs gegen die Nomadenvölker (j. Wadi Djedi) und der große See als Schott Melgir zu deuten, und die mittelalterlichen Weltkarten, welche zweifellos auf Agrippa hinweisen, bringen den Fl. Triton mit dem mauretanischen Nil in Verbindung. Der fragliche Oberlauf des Nils von Westen nach Osten ist also nichts als die Kette von Flüssen und Seen vom Oued Chellal, dem Schott el Hodna, dem Oued Djedi, dem großen Schott Meldir mit samt den 3 Schotts, welche den Fl. et lacus Triton bilden. Von der ungeheuren Entfernung von diesen Schotts bis zu den Nilquellen in Äthiopien fehlte den Alten natürlich jede richtige Ahnung. Wir geben nebenstehend eine Zusammenstellung der in den Weltkarten zum Ausdruck gebrachten Anschauungen (Be, Co, Hn, Hf, Eb). Über diesen Verlauf sind zu vergleichen die Darstellungen von Pl 5, 51 und 52 nach Juba, ferner Solinus 155, Mela, Dicuil, Am 22, 15 und Orosius.
Die gemeinsamen Momente sind:
1. der Ursprung auf dem Atlas nicht weit vom Ozean in Mauretania inferior (Pl), ex septentrionali regione (Vitr), heißt zuerst Dyris (Vitr);
2. die Quelle heißt Nilidis lacus, fons Dara et fl. (Or, Co, Hf, Eb, Gu), Daras (Pl); der Fl. Dara berge alle Ungeheuer des Nils (Or, Sol); diese Quelle heißt auch Nuchul (Ml);
3. unterirdischer Lauf durch die Sandwüste (Pl);
4. entspringt wieder in Mauritania Caesariensis, dann folgt der Lacus maior (Pl), maximus (Hn), immensus (Or) bei den Massaesyli; bei Vitr. heißt der See Lacus Heptagonus und der Fluss Nigir;
5. verschwindet auf große Strecken (20 Tagesmärsche nach Pl), sub montes desertos per meridiana loca in paludem (Vitr), nach Süden ins Innere (Ml) und kommt endlich im Gebirge von Äthiopien (Nubiae montes – Hn) wieder zum Vorschein in dem Fons Niger (Pl) oder Phiala Fons nach Timaeus bei Pl, Fons Fialus (Hn), Foloe oder Coloe (Pt, Ho), heißt jetzt Nigris oder Astapus oder Nilus;
6. dann folgen auf den Weltkarten die 2 Seen Meroe und Babilonia, welche hier fehlen.
Der hier gekennzeichnete große See samt Gebirge, welchen auch die Beatuskarte ebenso zeichnet, ist als wirkliche Nilquelle in Äthiopien auf den Montes Nubiae aufzufassen. Die Annahme, dass der Fluss Girin in den Nil fließe, wird ähnlich wie bei Ammian als unsichere Meinung bezeichnet (Am 22, 15: Jubas Ansicht über die Quellen des Nil in Mauretanien sei unsicher. Man kann also den Standpunkt des Castorius immerhin als fortgeschritten bezeichnen.

Datierung (Barrington):
Nilus fl. – Classical/Hellenistic/Roman/Late Antique (LexÄgypt 4, 480-84; Bernand 1994, 63-87)

DNP:
Nil

Der Fluß Ägyptens, äg. ḥpj (eigentlich die N.-Flut) bzw. jtrw (­) “der (große) Fluß”; daher koptisch joor und hebr. jeōr; griech. Neílos (Νεῖλος) seit Hesiod (Hes. theog. 338); Homer (Hom. Od. 4,447) nennt den Fluß wie das Land Aígyptos (Αἰγυπτος). Mit 6695 km längster Strom der Erde. Die Quellflüsse Blauer bzw. Weißer N. entspringen im Tana- (Äthiopien) bzw. im Viktoria-See (Uganda) und vereinen sich bei Khartum (Sudan). Nach Einmündung des Atbara fließt der N. ohne weiteren Zustrom durch Nubien und Ägypten ins Mittelmeer und bildet mit seinem Tal eine Stromoase und damit einen Lebensraum wie einen Verkehrsweg im kontinentalen Wüstengürtel.

Infolge der sommerlichen Regenfälle im äthiopischen Hochland schwillt der N. ab Mitte Juli an und erreichte (vor den Regulationsbauten der Moderne) die Talebene überflutend sein Maximum Anfang September, um abschwellend Ende Oktober wieder in sein Bett zurückzukehren. Die Flut bildete die Grundlage der ökonomischen Existenz in Äg.; dabei waren die Ausdehnung der landwirtschaftl. nutzbaren Fläche und der Ernteertrag sowohl von der erreichten Fluthöhe als auch vom günstigen zeitlichen Ablauf abhängig. Die Verteilung des Wassers und sein Verweilen auf den Feldern konnte in eingedeichten Bassins in einem gewissen Umfang reguliert werden. Eine eingreifende Beeinflussung des Flutgeschehens und die Speicherung des Wassers bis zum Sommer zur Erzielung einer zweiten Ernte bzw. von Jahr zu Jahr zum Zwecke ganzjähriger Bewässerung wurden erst im 20. Jh. möglich. Bis dahin kennzeichnet eine tiefgehende Kontinuität die kulturelle Adaptation an den von der Hydrologie des N. geprägten Naturraum vom Beginn der dyn. Periode (ca. 3000 v.Chr.) bis in die frühe Neuzeit.

Die Quellen des N. wurden in pharaonischer Zeit (3. Jt. - Mitte 1. Jt.) in myth. Kategorien im Gebiet des 1. Katarakts, nach Hdt. 2,28 zw. zwei Bergen Krophi und Mophi (Κρῶφι und Μῶφι) lokalisiert, von wo sich der Fluß nach Süden (Oberäg.) und Norden (Unteräg.) ergießt. Die tatsächliche Herkunft des Stroms aus dem fernen Süden war aus der Anschauung zwangsläufig bekannt, wurde aber nicht thematisiert. Spekulationen und Nachforschungen über die geogr. Lage der N.-Quellen setzten mit der klass. Ant. ein. Eine Expedition unter Kaiser Nero (61 n.Chr.; Nubien) erreichte die Sümpfe des Sudd am Weißen N. (Sen. nat. 6,8); Informationen über eine Herkuft des N. aus den “Mondbergen” in Zentralafrika und über zwei Quellseen kursierten (z.B. Hdt. 2,33; Ptol. 1,17,5). Gesicherte Kenntnisse wurden erst im 18. und 19. Jh. gewonnen.

Die Ursache der N.-Flut wurde in der pharaon. Kultur in rel. Kategorien zur Sprache gebracht. Charakteristisch erscheint dabei der N. nicht als autonome Gottheit, sondern als Ausdruck des Wirkens anderer Götter. Spätestens in griech.-röm. Zeit wurde angenommen, daß die damals bereits mit Sothis (d.h. Sirius) geglichene Göttin Satet von Elephantine durch einen Pfeilschuß die N.-Flut auslöste und ihre Tochter Anuket sie wieder zum Abschwellen brachte. Chnum (Chnubis [1]) von Elephantine als Herr des Kataraktgebiets präsidierte dem Flutgeschehen. Andere Deutungen erklären die Flut im Kontext der Mythen um Osiris, z.B. durch die Tränen der Isis. Ein Zusammenhang zwischen Flutbeginn und dem heliakischen Frühaufgang des Sirius sowie den Phasen des Mondes wurde gesehen. Die Koinzidenz starker Regenfälle mit einer ungewöhnlich hohen Flut wird in Inschr. aus dem 6. Regierungsjahr Taharkas (685 v.Chr.) zwar erwähnt, nicht aber kausal interpretiert. Die klass. Ant. formuliert zahlreiche physikalische Erklärungshypothesen [5; 6]: Neben den äquatorialen Regenfällen werden auch die Schneeschmelze in den afrikanischen Gebirgen, ein Aufstauen des N. durch die Etesien, unterschiedlich starke Verdunstung des (normalerweise Hochwasser führenden) N. je nach Sonnenstand, eine Herkunft der Flut aus dem Ozean bzw. aus unterirdischen Wasserreservoirs in Betracht gezogen.

Die Messung der N.-Flut zu rel. und fiskalischen Zwecken an festen Meßstationen (Nilometern) ist seit der 1. Dyn. belegt. Die genannten Pegelwerte variieren nach Nilometerstandort und histor. Epoche. Die Flutdaten des Annalensteins (1.-5. Dyn., ca. 3000-2400) dürften bei Memphis gemessen sein. Eine Tabelle von Normflutwerten des späten AR, die Pegelwerte für Elephantine, den memphitischen Raum (pr-ḥpj, Altkairo) und das Delta (Tall al-Bālāmūn) nennt, wurde im rel. Kontext bis in röm. Zeit tradiert und ging in die klass. Autoren ein (Plut. Is. 43). Kohärente Serien von Flutmarken sind aus dem 10.-7. Jh.v.Chr. am Kai des Tempels von Karnak und aus dem 1.-2. Jh.n.Chr. im Nilometer von Elephantine überliefert. Die Tempel und Uferanlagen Elephantines bildeten eine Bühne für den rituellen Mitvollzug des Flutgeschehens; die Verehrung der N.-Flut wird bereits in den N.-Schreinen des NR in Ǧabal as-Silsila greifbar. In den Aufzeichnungen des Nilometers von Kairo (ar-Rauḍa) ist der Flutverlauf seit der arab. Eroberung Äg.s dokumentiert. In griech.-röm. Zeit und im MA sind Feste zu den kritischen Phasen der N.-Flut gut bezeugt [7; 19].

Die Flut des N. ist ein Phänomen von hoher Regelmäßigkeit. Extrem hohe und niedrige Fluten differieren um lediglich ca. 1,5 m. Nichtsdestoweniger sind die Auswirkungen solcherExtremfälle katastrophal. Plin. nat. 5,11; 58 überliefert eine Liste von Flutniveaus mit einer Einschätzung ihrer jeweiligen Auswirkung. Zu niedrige Fluten führen zu Hungersnot, zu hohe zum Bruch der Deiche, zur Überschwemmung der Siedlungen und zum Ausfall der Ernte. Optimal sind geringfügig überdurchschnittliche Fluten (damals 16 Ellen, ca. 0,52 m, bei Memphis). Zu niedrige Flutausfälle wurden zeitweise bei der Besteuerung wenigstens durch Zahlungsaufschub berücksichtigt; Klauseln, z.B. in Pachtverträgen, beziehen sich auf die Höhe der Flut. Das Niveau der niedrigsten noch vollgültigen Flut war am Nilometer durch das sḗma (σῆμα) markiert; beim Erreichen dieses Wertes wurden das Fest der sēmasía (σημασία; in arab. Zeit wafâ) gefeiert.

Neben das jährliche Schwanken der Fluthöhe treten zyklisch durch hohes bzw. niedriges Abflußvolumen charakterisierte Perioden im Maßstab weniger bis etlicher Jahrzehnte. Die daraus resultierenden agrarischen Probleme konnten in einem gewissen Umfang durch Anpassung des Kanal- und Deichsystems kompensiert werden (vgl. Strab. 17,1,3). Mit Perioden ungenügender N.-Fluten verbundene ökonomische Probleme (vgl. Gn 41ff.) wurden wiederholt [2; 9], allerdings nicht schlüssig, als Ursache histor. Verwerfungen in Anspruch genommen. Ebenso wird der Versuch, die Entstehung des pharaon. Staates aus der Kontrolle über N.-Flut und Bewässerung zu erklären (sog. hydraulische Hypothese [9]) weder durch die Quellenlage gestützt, noch ist sie vor dem Hintergrund einer Situation, die in vormod. Zeit nur geringfügige Eingriffe erlaubte, plausibel [12; 21]. Durch Sedimentakkumulation von 4-5 m Stärke auf der Talebene (Ausmaß und Geschwindigkeit variieren mit dem Stand des Mittelmeeres und dem geogr. Ort) und häufige Verlagerung des Flußbetts hat der N. die Landschaft Äg. seit der Ant. tiefgreifend verändert. Die ursprüngliche top. Situation muß jeweils durch arch.-geogr. Rekonstruktion wiedergewonnen werden.

Bewässerung

Seidlmayer, Stephan Johannes (Berlin)

Literatur:

Miller, Itineraria, Sp. 879-880; Richard Pietschmann, in: RE I / 1, 1893, 1005 s.v. Aigyptos 2; Ernst Honigmann, in: RE XVII / 1, 1936, 555-566 s.v. Nil (Νεῖλος); David Woodward, Medieval Mappaemundi, in: John B. Harley / David Woodward (Hrg.), The History of Cartography Series 1: Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean, Chicago 1987, 286-370; Klaus Zimmermann, Libyen, das Land südlich des Mittelmeeres im Weltbild der Griechen, München 1999, 77-92; Kai Brodersen, Antike Weltbilder im Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, in: Hans Gebhardt / Helmuth Kiesel (Hrg.), Weltbilder, Berlin/Heidelberg 2004 (= Heidelberger Jahrbücher 47), 111-126; Ekaterina Ilyushechkina, Das Weltbild des Dionysius Periegetes, in: Klaus Geus / Michael Rathmann (Hrg.), Vermessung der Oikumene, Berlin 2013 (= TOPOI. Berlin Studies of the Ancient World 14), 137–161, hier 145 mit Anm. 47. 153. 157 mit Anm. 103. 159 Anm. 115; Schuol, Indien, 111f.; demnächst auch Monika Schuol, Das Horn von Afrika und der Südrand der Oikumene auf der Tabula Peutingeriana im kartographiegeschichtlichen Kontext, in: OT 18.

DNP:
1 P. Barguet, Les stèles du Nil au Gebel Silsileh, in: BIAO 50, 1952, 49-63.

2 B. Bell, The Dark Ages in Ancient History, in: AJA 75, 1971, 1-26.

3 Ders., Climate and the History of Egypt, in: AJA 79, 1975, 223-269.

4 M. Bietak, Tell el-Daba II. Der Fundort im Rahmen einer arch.-geogr. Unt. über das äg. Ostdelta, 1975.

5 D. Bonneau, La crue du N., 1964.

6 Dies., Le fisc et le N., 1971.

7 Dies., Les fêtes de la crue du N., in: Revue d´Égyptologie 23, 1971, 49-65.

8 L. Borchardt, N.-Messer und N.-Standsmarken, 1906 und Nachträge 1934.

9 K.W. Butzer, Early Hydraulic Civilization in Egypt, 1976.

10 Ders., s.v. N.-Quellen, LÄ 4, 480-483.

11 Ders., s.v. N., LÄ 4, 506f.

12 E. Endesfelder, Zur Frage der Bewässerung im pharaonischen Äg., in: ZÄS 106, 1979, 37-51.

13 H. Felber, Demotische Ackerpachtverträge, 1997.

14 H. Jaritz, s.v. N.-Messer, LÄ 4, 496-498.

15 Ders., N.-Kultstätten auf Elephantine, in: Beih. zu den Stud. zur Altäg. Kultur 2, 1988, 199-209.

16 Ders., M. Bietak, Zweierlei Pegelgleichungen zum Messen der N.-Fluthöhen, in: MDAI(K) 33, 1977, 47-62.

17 A. Moorehead, The White Nile, 1962.

18 Ders., The Blue Nile, 1962.

19 W. Popper, The Cairo Nilometer, 1951.

20 R. Said, The River Nile, 1993.

21 W. Schenkel, Die Bewässerungsrevolution im Alten Äg., 1978.

22 Ders., s.v. Überschwemmung, LÄ 6, 1986, 831-833.

23 S.J. Seidlmayer, Histor. und mod. N.-Stände, 2000.

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Letzte Bearbeitung:

05.11.2024 17:40


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