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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Scobaru

Name (modern):

Ai Khanoum (?)

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher LXX     Aspacora     
Toponym nachher LV     Carsania     
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington) ---
Großraum:

Indien

Toponym Typus:

Ortsname ohne Symbol

Planquadrat:

11B5

Farbe des Toponyms:

schwarz

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

 

RE:

Estobara, Eukratideia

Barrington Atlas:

 

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Scobaru

Levi:

 

Ravennat:

Opidium Scobarum (p. 15.55) oder Scobarum (p. 15.56)

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Εὐκρατιδία (6,11,8), Ἐστόβαρα/Ὀστοβάρα (6,11,9)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Späthellenismus (nach 200)

Begründung zur Datierung:

Auf Grund der Quellenlage (s. Kommentar) ist an dieser Stelle der Karte eine späthellenistische Rezeptionsstufe anzusetzen.

Kommentar zum Toponym:

Nach Tomaschek (Zur historischen Gegraphie von Persien I, 215ff.; vgl. auch Miller, Itineraria, 798) ist Scobarum in der Region am Mons Oscobares (Oros. 1, 2, 43) nordwestlich des Paropanisus in Baktrien zu lokalisieren, in Erwägung gezogen wird Tarmes oder Tarmys am Oxus. Dabei bezieht sich Tomaschek wohl auf das moderne Termez, wo aber eher das antike Antiocheia Tarmita anzusetzen ist. Dem Orosius-Beleg zufolge ist der Mons Oscobares mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Oscanidati, der Station nach Saphani, zu identifizieren.
Nach Briant und Rapin ist Scobaru gleichzusetzen mit Eucratidia Oskobara in Baktrien, das heutige Ai Khanum am Oberlauf des Amu Darya im nördlichen Afghanistan, einer Gründung von einem der ersten Seleukidenherrscher, wohl Seleukos I. (312/11-281 v.Chr.) oder sein Nachfolger Antiochos I. (281-261 v.Chr.), deren Namen auf den ältesten in Ai Khanoum gefundenen Münzen und Ziegelstempeln bezeugt sind. Nicht auszuschließen ist, dass der Ort bereits von Alexander dem Großen gegründet worden ist (zur Forschungsdiskussion vgl. Posch, Baktrien, 15-23). Nach einem ersten Survey von Daniel Schlumberger und Paul Bernard (1964) erfolgten archäologische Untersuchungen der Siedlung in mehreren Grabungskampagnen in dem Zeitraum von 1965-1978 durch die Délégation Archéologique Française en Afghanistan unter der Leitung von Paul Bernard.
Die als seleukidische Herrscherresidenz fungierende Stadt liegt an der Mündung des Kokča in den Amu Darya; das durch diese geographische Lage bedingte dreieckige Stadtgebiet besteht aus einer in der Flussebene angelegten Unterstadt, die sich knapp 2 km den Amu Darya und ca. 1, 5 km den Kokča entlangzieht, und einer Zitadelle auf dem Tafelberg im Süden. Etwa ein Viertel der Gesamtfläche der Stadt, die Südhälfte der Unterstadt, besteht aus dem Palastbezirk, der alle für hellenistische Basileia konstitutiven Gebäudetypen und Funktionen umfasst - neben dem Palast selbst Tempel, Heroa, Gartenanlagen, Verwaltungsgebäude, ein Heiligtum und die Wohnsitze der höchsten Würdenträger. Die Stadtanlage entspricht dem von den Seleukiden erstmals in Seleukeia/Tigris realisierten Typus der hellenistisch-orientalischen Residenzstadt. Auch weitere, zu den wichtigsten hellenistischen Architekturformen zählende Baulichkeiten wie Theater, Gymnasien und Plätze sind archäologisch nachweisbar. Insgesamt handelt es sich um eine monumentale Bauweise, die griechisch-hellenistische Architekturformen mit persischen Stilelementen kombiniert und in der Anlage der Heiligtümer nordostiranische Bautraditionen zeigt, wie sie sich auch in anderen gräko-baktrischen Orten im nördlichen Afghanistan finden. Gegründet wurde die Stadt von dem gräkobaktrischen König Eukratides I. (ca. 171-144 v.Chr.), wohl repräsentiert durch das bei Ptolemaios aufgelistete Toponym Eukratidia (Strab. 11, 11, 2 [516]: Εὐκρατίδεια; Ptol. 6, 11, 8: Εὐκρατιδία) und/oder das baktrische Estobara/Ostobara (Ptol. 6, 11, 9: Ἐστόβαρα/Ὀστοβάρα). Den Breiten- und Längenangaben des Ptolemaios zufolge liegt der Ort offenbar an einer Straße von Baktra (Zariaspa; vgl. Strab. 11, 11, 2 [516]: Βάκτρα, ἥνπερ καὶ Ζαριάσπαν καλοῦσιν „Baktra, das auch Zariaspa genannt wird“), dem Ort Aris auf der Tabula Peutingeriana. Diese Route führt also nach Südosten (Oxos-Region?), was sich auch mit der Beschreibung bei Strabo (11, 11, 2 [516]) deckt. Scobaru markiert nach Rapin den östlichsten Punkt Baktriens auf der Karte.
Nahe bei den beiden Orten wird von Ptolemaios irrtümlicherweise das sogdische Marakanda angesetzt (Ptol. 6, 11, 9: Μαρακάνδα), was die Identifikation von Magaris mit Marakanda möglich macht. - Vgl. auch zu Magaris, Aris, Saphani und Oscanidati.

Literatur:

Wilhelm Tomaschek, Zur historischen Topographie von Persien. I. Die Straßenzüge der Tabula Peutingeriana (Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 102), Wien 1883, 145–231, hier 204; Max Kiessling, in: RE VI / 1, 1907, 693 s.v. Estobara; Ders., ebd., 1058f. s.v. Eukratideia; Miller, Itineraria, 798; William W. Tarn, The Greeks in Bactria and India, Cambridge 1951 (2. Aufl.), 207f.; Paul Bernard, Fouilles d‘Aï Khanoum IV. Les monnaies hors trésors. Questions d‘histoire gréco-bactrienne, Paris 1985 (= MDAFA XXVIII), 97-105; Walter Posch, Baktrien zwischen Griechen und Kuschan. Untersuchungen zu kulturellen und historischen Problemen einer Übergangsphase. Mit einem textkritischen Exkurs zum Shiji 123, Wiesbaden 1995, 15-52; Jeffrey D. Lerner, Correcting the Early History of Āy Ḵânom, in: AMI 35-36, 2003-2004, 373-410; Frantz Grenet/Claude Rapin, Alexander, Aï Khanoum, Termez: Remarks on the Spring Campaign of 328, in: Bulletin of the Asia Institute 12, 2001, 79-89; Winfried Held, Die Residenzstädte der Seleukiden, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 117, 2003, 217-249, hier 237-240; Claude Rapin, L’Afghanistan et l’Asie centrale dans la géographie mythique des historiens d’Alexandre et dans la toponymie des géographes gréco-romains. Notes sur la route d‘Hérat à Begram, in: Osmund Bopearachchi / Marie-Françoise Boussac (Hrg.), Afghanistan. Ancien carrefour entre l‘est et l‘ouest. Actes du Colloque International organisé par Christian Landes & Osmund Bopearachchi au Musée archéologique Henri-Prades-Lattes du 5 au 7 mai 2003, Brepols 2004 (= Indicopleustoi 3), 143-172, hier 146-148. 161; Getzel. M. Cohen, The Hellenistic Settlements in the East from Armenia and Mesopotamia to Bactria and India, London 2013, 273f.; Rachel Mairs, The Hellenistic Far East: Archaeology, Language, and Identity in Greek Central Asia, Berkeley 2014 (ND 2016), 57-101; Pierre Briant, Alexander the Great and His Empire. A Short Introduction, Map 2 und 3; Claude Rapin, Carte de l‘Asie Centrale hellénistique (2014-2015), vgl. http://claude.rapin.free.fr/4GCarte_Asie_centrale.html (zuletzt aufgerufen am 27.4.2018); Guy Lecuyot, Ai Khanoum, Between East and West: A Composite Architecture, in: Rachel Mairs (Hrg.), The Graeco-Bactrian and Indo-Greek World, London / New York 2020; Jeffrey D. Lerner, The Bilingual Bricks of Aï Khanoum (Afghanistan), in: Roland Oetjen (Hrg.), New Perspectives in Seleucid History, Archaeology and Numismatics: Studies in Honor of Getzel M. Cohen, Berlin / Boston 2020 (= Beiträge zur Altertumskunde 355), 466-480.

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Letzte Bearbeitung:

02.01.2023 16:49


Cite this page:
https://www1.ku.de/ggf/ag/tabula_peutingeriana/trefferanzeige.php?id=1888 [zuletzt aufgerufen am 01.10.2024]

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