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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Colonia equestris

Name (modern):

Nyon

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher XII     Gennaua (Gennava)     
Toponym nachher XII     Lacum Losonne     
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington)
Großraum:

Gallien/Germanien

Toponym Typus:

Ortsname ohne Symbol

Planquadrat:

2B2

Farbe des Toponyms:

schwarz

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

Equestribus (348,1)

Inschriften (EDCS-ID):
   
Alternativer Name (Lexika):

Noviodunum (DNP)

RE:

Noviodunum 5: Noiodunus

Barrington Atlas:

Col. Iulia Equestris/Noviodunum (18 D3)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Colonia equestris

Levi:

 

Ravennat:

Equestris

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Ἐκουεστρις (2,9,21)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Römische Republik

Begründung zur Datierung:

Der Eintrag datiert frühestens in die zweite Hälfte des 1.Jh. v.Chr., andernfalls wäre der ursprüngliche Name der Siedlung - Noviodunum - zu erwarten; im 2.Jh. wurde dann der Titel colonia als Bezeichnung des Rechtsstatus weitgehend ersetzt durch den Terminus civitas.

Kommentar zum Toponym:

Colonia Equestris ist identisch mit Colonia Iulia Equestris (Germania superior) am Genfer See. Die antiken Schriftzeugnisse überliefern folgende Bezeichnungen für diesen Ort:
- Colonia Iulia Equestris: CIL XII 2614 (augusteische Zeit); CIL XIII 5005; RIS 2, 47 = AE 1978 567 = AE 1994, +1288 = AE 2003, +80 (1.-3.Jh. n.Chr.);
- Colonia Equestris: AE 1998, 975 = AE 2000, 1028 = AE 2003, 1238 (spätes 1.Jh. n.Chr.); ZPE 151-255 = AE 1996, 1115 = AE 2006, +47 = EpHel 2018, +54 = ZPE 218-282 (2.Jh. n.Chr.);
- Colonia Equestrium: CIL XIII 5011 = D 7007 RIS 1, 46 = AE 2011 +682 (1.Jh. n.Chr.); CIL XIII 5012 = D 7006 = RIS 1, 41 = Gennava 98 (1.Jh. n.Chr.);
- Civitas Equestris: CIL XIII 5006 = RIS 1, 45 = Gennava 101 (2.Jh. n.Chr.);
- Civitas Equestrium: CIL XIII 5004 = RIS 1, 39 = Genava 53 = EpHel 2016, 31 = EpHel 2018, 52 (Mark Aurel / 2.Jh. n.Chr.)
Der Ort, ursprünglich ein keltisches oppidum namens Noviodunum, wurde um 45 v.Chr. (kurz vor der Errichtung der römischen Kolonien Colonia Raurica, dem heutigen Augst 44/43 und Ludgunum 43 v.Chr.) von Caesar durch Zusiedlung römischer Militärangehöriger (neu)gegründet und war eine Kolonie latinischen Rechts. Die neuen Siedler waren Veteranen aus Caesars gallischen oder germanischen Legionen, die zu ihrer Versorgung Ackerland erhielten, das zuvor den Helvetiern nach ihrer Niederlage gegen Caesar bei Bibracte (58 v.Chr.) abgenommen worden war und die nach ihrer Enteignung ins Schweizer Mittelland umgesiedelt wurden. Dieser Zusammensetzung der Einwohnerschaft entsprechend fanden sich an der neuen colonia sowohl Weihungen an römische als auch an keltische Gottheiten, vgl. CIL III 5512: Epona Aug(usta). Der Ort pflegte gute Kontakte nach Genf und Vienne (vgl. CIL XIII 5011 = IScinveiz 145 = RIS 46; und CIL XIII 5012, beide 1.Jh. n.Chr.). Nach Konrad Kraft (Die Rolle der Colonia Iulia Equestris, 99) deutet der Beiname Equestris darauf hin, dass dort die Reiter aus allen Legionen zusammengezogen und angesiedelt worden seien, um Angriffe der helvetischen Kavallerie abzuwehren. Tatsächlich lag die colonia Iulia Equestris an der Straße von Genf (TP 2A1: Gennaua, weit nach Westen verschoben), die am Nordufer des Genfer Sees entlang durch das Wallis (Vallis Poenina) über den Großen St. Bernhard (Mons Poeninus, auf der TP In summo Pennino) nach Italien führte. Die Kolonie kontrollierte also eine der großen auch militärisch wichtigen Verkehrsachsen zwischen Italien und dem gallisch-germanischen Raum.
In der frühen Kaiserzeit, unter Augustus und Tiberius erlebte der Ort einen Bedeutungszuwachs, der sich in der Ausstattung des städtischen Zentrums mit repräsentativen Bauten niederschlug (s.u.). Das erst 1996 entdeckte Amphitheater gehört aber wohl ins frühe 2.Jh. n.Chr. Auch die Wohnbebauung dokumentiert den steigenden Wohlstand, denn anstatt Holz und Lehm wurden die Häuser ab Mitte des 1.Jh. n.Chr. in Mauerwerk ausgeführt. Die Einwohnerschaft profitierte auch insofern am Boom der Frühen Kaiserzeit, als schöne domus um urbanen Bereich und große Gutshöfe über luxuriös ausgestattete villae mit prachtvollen Mosaiken, Bädern und Wandmalereien auf dem Land entstanden. Infrastrukturell verbunden war der Ort mit Vienne, der Hauptstadt der Allobroger, sowie mit Lugdunum (Lyon), der Hauptstadt der Gallier, Aventicum Helvetiorum (Avenches), Augst, dem Wallis und Italien. Die Kolonie war also an die Verkehrswege sowohl an den Mittelmerraum als auch an die nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches angeschlossen, sie konnte daher am florierenden Gütertransfer der frühen Kaiserzeit partizipieren und auswärtige (Luxus-)Produkte wie kostbares Geschirr, Wein, Öl, Fischsauce importieren.
Im 3.Jh. n.Chr. setzte eine Zeit des Niedergangs ein: Colonia Iulia Equestris wurde zwar nicht verlassen, einige der öffentlichen Bauten fielen im Kontext der Alamannen-Einfälle (259/260 n.Chr.) der Zerstörung anheim und wurden spoliiert, z.B. für den Bau der Stadtmauer von Gennava (Genf), aber auch in anderen Städten am gesamten Ufer des Genfer Sees. Das Toponym ist noch um 400 n.Chr. in der Notitia Galliarum als eine der vier civitates (Bischofssitz) in der provincia Maxima Sequanorum bezeugt (Not. Gall. 9, 3 ed. Seeck 267: Ciuitas Equestrium, Noiodunus; vgl. Hächler/Näf/Schwarz, Mauern gegen Migration?, 88), wobei der Bischof seinen Sitz schon bald (noch vor 412) nach Belica (Belley) verlegte. Im 7.Jh. kam der alte keltische Name Noviodunus wieder verstärkt in Gebrauch. Ebenfalls bezeugt ist die Siedlungskontinuität durch die nachgewiesene Belegung der Nekropole von Clémenty bis ins 8.Jh. Im Frühmittelalter wurde der Ort, der in dieser Zeit offenbar wieder unter seinem alten Namen Noviodunum (Noyon) bekannt war, in seiner Funktion als regionales Zentrum von Genf abgelöst, das auch Zentrum und Bischofssitz der Diözese wurde.
Nach vielen Entdeckungen antiker Überreste der römischen Kolonie seit dem 18. Jahrhundert wurden ab 1930 archäologische Untersuchungen durchgeführt, die eine antike Stadtanlage mit Forum, Markthalle (macellum), Basilika, Kurie, Tempelbezirk mit Kolonnaden auf drei Seiten, Thermen und einem Amphitheater (mit Kerkern und Abwasserkanälen) erkennbar werden ließen. Das antike Stadtzentrum lag auf einem leicht erhöhten Plateau, also im Bereich der Altstadt des heutigen Nyon. Aus der Zeit vor Caesars Koloniegründung konnten an diesem Platz keine Siedlungsspuren nachgewiesen werden. Die Funktion dieser Neugründung Caesars bestand in der Sicherung des Rhônetales und der Verkehrswege nach Italien. - Vgl. auch Vigenna (Vienne), Lugduno· (Lyon), Gennaua· (Genf), Auenticum Heletiorum (Avenches), Insummo Pennino· (Großer St.-Bernhard).


Literatur:

Miller, Itineraria, Sp. 125; Émile Linckenheld, in: RE XVII/1, 1936, 1190f. s.v. Noviodunum 5; Konrad Kraft, Die Rolle der Colonia Iulia Equestris und die römische Auxiliarrekrutierung, in: JbRGZM 4, 1957, 81-107; Regula Frei-Stolba, Colonia Iulia Equestris, in: Historia 34, 1974, 439-462; Dies., Die römische Schweiz. Ausgewählte staats- und verwaltungsrechtliche Probleme im Frühprinzipat, in: ANRW II 5 / 1, 1976, 288-403, hier 320f. 340-350 u.ö.; Pascale Bonnard, La ville romaine de Nyon-Noviodunum, Bibliothèque historique vaudoise, Lausanne 1988 (= Cahiers d’archéologie romande 44); Walter Drack / Rudolf Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, 452-457; Gerold Walser, Zu den Römerstraßen in der Schweiz, die Capita viae, in: MH 54, 1997, 53-61; Regula Frei-Stolba, Recherches sur les institutions de Nyon, Augst et Avenches, in: Monique Dondin-Payre / Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier (Hrg.), Cités, municipes, colonies, 1999, 29-95; Gerold Walser, in: DNP 8, 2000, 1031f. s.v. Noviodunum 5; Véronique Rey-Vodoz / Pierre Hauser / Frédéric Rossi, Nyon: Colonia Iulia Equestris, 2003; Daniel Paunier, Colonia Iulia Equestris, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.08.2005, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012283/2005-08-03/ (zuletzt abgerufen am 9.10.2022); Michael Speidel, Der römische Neubeginn im Gebiet der Helvetier und in der Vallis Poenina, in: Ders., Heer und Herrschaft im Römischen Reich der Hohen Kaiserzeit, Stuttgart 2009 (= Mavors. Roman Army Researches 16), 545-562; Anne Kolb, Rechtspflege in der Provinz. Ein causidicus am Rande der Alpen, in: Karlheinz Muscheler (Hrg.), Römische Jurisprudenz - Dogmatik, Überlieferung, Rezeption. Festschrift für Detlef Liebs zum 75. Geburtstag, Berlin 2011 (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen NF 63), 331-345; Caroline Brunetti / Christophe Henny, Recherches sur l’area publica de la Colonia Iulia Equestris. Les basiliques (Nyon, canton de Vaud), Lausanne 2012 (= Cahiers d’archéologie romande 136/Noviodunum V); Denis Genequand / Julien Aliquot, Une nouvelle inscription latine de la colonia Iulia Equestris et un ensemble de blocs architecturaux romains trouvés à Carouge GE, in: Annuaire d’Archéologie Suisse 97, 2014, 121-136; Pierre Hauser / Christophe Henny / Véronique Rey-Vodoz, Musée de Nyon: Colonia Iulia Equestris, Gollion 2019; Nikolas Hächler / Beat Näf / Peter-Andrew Schwarz, Mauern gegen Migration, der Hochrhein-Limes und die Fortifikationen der Provinz Maxima Sequanorum - eine Auswertung der Quellenzeugnisse, Regensburg 2020, 153; Michael Speidel, Interrex legionis ? EDCS-J 11, 03/2021, DOI:10.36204/edcsj-011-202103 (zuletzt abgerufen am 9.10.2022).

2 E. Howald, E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1940

3 G. Walser, Röm. Inschr. in der Schweiz, Bd. 1, 1979

4 Ders., Die röm. Straßen in der Schweiz, 1967

6 F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 31948

8 W. Drack, R. Fellmann, , Die Schweiz zur Römerzeit, 1991.

Köhner, Nordafrika, S. 210;

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Letzte Bearbeitung:

04.03.2024 15:01


Cite this page:
https://www1.ku.de/ggf/ag/tabula_peutingeriana/trefferanzeige.php?id=3414 [zuletzt aufgerufen am 30.09.2024]

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